Belästigungen 10/2019: Dreck und Geld und Sachzwänge: Wir planen eine Stadt!

Im mittleren Norden der Münchner Stadt schlummert die Eggartensiedlung, ein Idyll, wie man es in Europa kein zweites Mal findet.

Das heißt: Sie schlummert nicht mehr, sondern sie kümmert auf dem Krankenbett dahin, seit vor einigen Jahren Immobilienspekulanten auf den Plan traten und seitdem Bewohner umsiedeln, Häuser einreißen, Bäume fällen und das gesamte Gelände vermüllen lassen. Klar: die wollen bauen, am besten zehnstöckig!

Neulich bei einem „Bürgerdialog“ (dazu gleich mehr), mit dem den umliegenden Anwohnern die Vernichtung der Siedlung und ihre Ersetzung durch eine der üblichen ortlosen Wohnmaschinen verklickert werden sollte, war zu sehen, was dort geplant ist: stumpf-brutale Bunkerarchitektur für 1.700 bis 2.000 Unterzubringende, die dann täglich die wenigen schmalen Straßen außenrum verstopfen und die ganze Gegend in eine Hölle von Lärm, Gestank und Häßlichkeit verwandeln werden. Plus Supermarkt, Garagen und diverse „Kitas“ – was man halt so braucht, wenn man sein Leben im Auto und am Arbeitsplatz verbringt. „Belästigungen 10/2019: Dreck und Geld und Sachzwänge: Wir planen eine Stadt!“ weiterlesen

Transparenz!

Das ist so geil, daß ich es unmittelbar teilen muß. Falls irgend jemand weiß, was das bedeutet, wer so etwas „erstellt“ und was man daraufhin tun muß oder soll: bitte kommentieren.

Belästigungen 9/2019: Weniger mehr ist nicht weniger, sondern mehr! (Fridays for Apocalypse)

„Die Apokalypse“, sagt M mit verträumtem Blick auf die Bäume im Westen, hinter denen die glühende Aprilsonne langsam sinkt, als wollte sie den Boden, den sie seit Tagen, Wochen sengt und brennt, mitleidig küssen, – „die Apokalypse ist eine fiese Sache. Weil die Menschen völlig falsche Vorstellungen davon haben.“

Das anschwellende Gezwitscher und Geplärr der Rotkehlchen, Amseln, Stare, Gänse, Tauben, Krähen erfüllt den Himmel und die Luft, als hätte das langsame Verglühen der alles durchflutenden Sonnenhitze einen gewaltigen leeren Raum hinterlassen. Eine Biene zwängt sich in eine dürre Apfelblüte, ihre Kolleginnen tupfen, schon müde, am Löwenzahn herum.

„Sie meinen, da kommt irgendwann ein Trompetenstoß, dann trumpft ein hoheitlicher Riesenengel heran und verkündet das Ende. Alles bricht zusammen, stürzt in ein Flammenmeer oder so, rumms und over. Schau dir die Gesichter an, wenn sie wie Ameisen durch ihre Labyrinthe aus Beton, Glas, Lärm und Staub irren, ständig die Augen auf das Display gerichtet, als warteten sie auf die Nachricht: Jetzt! ist! es! so! weit! Die kommt aber nicht, nur der übliche Wirrwarr aus kleinen Katastrophen, hundert Tote da, tausend dort, fünfzehn hier, irgendwas stürzt ein oder brennt aus, steigt an oder sinkt oder fällt, ein Börsenkurs, eine Linie, ein Wert, was weiß ich. Und wieder mal haben sie einen Tag überstanden, an dem alles schlimmer geworden, aber immerhin noch nicht die letzte Grenze erreicht ist. Der Engel wartet, und solange er nicht trompetet, treiben sie ihr übles Treiben weiter.“ „Belästigungen 9/2019: Weniger mehr ist nicht weniger, sondern mehr! (Fridays for Apocalypse)“ weiterlesen

Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Jesus und Heroin – ein Interview mit Nick Cave (1997)

Ich hab ein paar von deinen letzten Interviews gelesen. Sieht so aus, als würdest du es nicht besonders mögen, interviewt zu werden.

Nein, mag ich nicht.

Ist das, weil du denkst, Musik sollte für sich selbst sprechen?

Well, ich fühle mich meiner Plattenfirma gegenüber verpflichtet, ein paar Interviews zu geben. Ich verdanke ihr viel. Ich bin gerne bei dieser Firma, sie erlauben mir zu tun, was immer ich will, und unterstützen mich total. Ich weiß, daß sie mich nicht rauswerfen werden, egal was ich ihnen liefere. Ein Weg, ihnen etwas zurückzuzahlen, ist, ein paar Interviews zu geben. Also tu ich’s. „Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Jesus und Heroin – ein Interview mit Nick Cave (1997)“ weiterlesen

Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Mumm-Ra „These Things Move In Threes“

Gerade bin ich an einem Zimmer vorbeigekommen, in dem kraftvoller moderner Rock lief, und da ist mir der wesentliche Unterschied zwischen Mumm-Ra und dem Rest des Musikgeschäfts aufgefallen: Diese Band will niemanden „überzeugen“, nichts „erobern“ (etwa ein „Marktsegment“), sie hat weder Struktur noch Strategie, ist keine Marke, eigentlich nicht mal eine Band, sondern ein wild pumpendes Herz, dem alles wichtig ist, was in der „Realität“ nicht vorkommt, Liebe vor allem, Liebe und noch mehr Liebe. „Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Mumm-Ra „These Things Move In Threes““ weiterlesen

Belästigungen 8/2019: Vom Christenmensch und der Evolution (und vom Chorknaben und dem wabbelnden Zellhaufen)

Aus der christlichen Kirche schlau zu werden, ist mir noch nie leichtgefallen. Zum Beispiel das mit dem Sex: Da sind die Christen gegenüber ihren Konkurrenten vom Evolutionslager eigentlich doch klar im Vorteil. Die nämlich meinen (ich kolportiere das mal nicht gänzlich unironisch): Weil die sexuelle Vereinigung zweier Lebewesen aus Sicht der Natur in erster Linie der Fortpflanzung dient, hat die Natur, damit es zu einer ordnungsgemäßen Fortpflanzung kommt und das Lebensgewese nicht gleich wieder aufhört, den Orgasmus als Anreiz geschaffen … Nein, so geht das nicht. Da wäre ja via Natur eine Art Gott im Spiel, der eine Absicht verfolgt. Und eine übergeordnete Absicht oder ein Ziel kann es beim „survival of the fittest“ der Evolution nicht geben. „Belästigungen 8/2019: Vom Christenmensch und der Evolution (und vom Chorknaben und dem wabbelnden Zellhaufen)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #438: Priests „The Seduction of Kansas“

Ein Nachfrühling ohne Soundtrack ist nichts wert. Ebenso wenig wie ein Vorsommer, Frühherbst, Spätwinter und so weiter übrigens – jede dieser distinkten und signifikanten Kleinjahreszeiten braucht ihre Platte, die nur zu ihr paßt und sie am besten konkurrenzlos singulär mit Klang füllt. Damit werden zwei Effekte bezweckt: Einerseits und aktuell färbt, prägt und formt diese Platte sämtliches Geschehen sowohl in seiner Typizität (jeder Nachfrühling ist ein Nachfrühling, irgendwie sind alle gleich) als auch in seiner Einzigartigkeit (jeder Nachfrühling hat seine einzigartigen Momente, seine speziellen Personen, Ereignisse, insbesondere Gefühlsgeschehen; irgendwie ist jeder anders). „Frisch gepreßt #438: Priests „The Seduction of Kansas““ weiterlesen

Zwo Druffe (Preview 3): Diderot!

Tief: Ja ja, ach so. Diderot. Das ist dieser Franzose.

Hoch: Genau, jetzt hab ich’s! Heimito von Diderot. Das war das mit diesen Sachen vom Leben. Da hast du mir doch erzählt, wie dich das beeindruckt hat, wie der da die ver­schiedenen Sachen klarlegt.

Tief: Diderot? Nö, hab ich nie gelesen. Ich weiß gar nicht, wie der heißt.

Hoch: Wie der heißt?

Tief: Ja ja. „Zwo Druffe (Preview 3): Diderot!“ weiterlesen

In eigener Sache (3): Es wird noch besser!

Nach längerer Zeit habe ich nun den Versuch unternommen, mal wieder einen Beitrag von hier auf Facebook zu posten (und zwar: „In eigener Sache“, siehe unten).

Und was passiert? Ich kopiere den Link in das „Was machst du gerade?“-Fenster. Es erscheint eine Vorschau. Erst mal ohne Bild. Und plötzlich beschließt Facebook, ein Bild hinzuzufügen. Eines mit nackten Brüsten. Das Bild gefällt Facebook offenbar recht gut. Ich beschließe daraufhin, den Beitrag nicht zu posten, sondern ihn sofort zu löschen. Ich lösche ihn. Und erfahre, daß ich drei Tage gesperrt bin, weil ich etwas gepostet hätte, das „gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstößt“. „In eigener Sache (3): Es wird noch besser!“ weiterlesen

Belästigungen 7/2019: Warum man die „Schutzmacht der kleinen Leute“ höchstens mit dem Mittelfinger wählen kann

Ich hege keine sonderlichen Sympathien für die AfD. Ich mag Parteien sowieso nicht übermäßig. Ich finde Wirtschaftsfaschisten genauso schlimm wie Nationalfaschisten und am schlimmsten eine Organisation, die beides als Gesamtmisthaufen durch die Lande karrt.

Außerdem sind mir autoritär-elitär-hierarchische Menschenanhäufungen von Haus aus widerlich. Daß es sich bei der AfD um eine solche handelt – um einen von oben in die (politische) Landschaft hineingekoteten Haufen und nicht etwa um eine von unten gewachsene Bewegung – zeigen die Provenienz ihrer Gründer und Führer (ehemalige CDU/CSU/FDP-Viertelprominenz, rottender Altadel, herrisch-reaktionäre Dummköpfe aus dem Dunstnebel des neuen Geldadels, neoliberale Einpeitscher, bräsig-beleidigte Frührentner aus diversen Springer- und anderen Hetzredaktionen) und vor allem das Fußvolk, das an den Fersen dieser Kamarilla bappt. „Belästigungen 7/2019: Warum man die „Schutzmacht der kleinen Leute“ höchstens mit dem Mittelfinger wählen kann“ weiterlesen