Frisch gepreßt #355: John Coltrane „A Love Supreme (The Complete Masters)“

Oh, das Leben … es ist groß und oft nicht leicht, vor allem wenn die Liebe dazwischenkommt. Dann wirren sich die Sinne, knotet sich die Welt, verschwimmen die Wege, flirren die Zeichen und spielt sich mancherlei physiologisches Durcheinander ab, das von der Physiologie an sich nicht vorgesehen ist. Undenkbar, unmachbar scheint vieles, was der Alltag verlangt, was ihn prägt und den Menschen auf gewohnten Gleisen durch sein Leben trägt. „Frisch gepreßt #355: John Coltrane „A Love Supreme (The Complete Masters)““ weiterlesen

Belästigungen 1/2016: Hundert Millionen Kilo neues Fleisch – wohin damit, Deutschland?

Laut Statistik hat die deutsche Bevölkerung in den letzten drei Wochen hundert Millionen Kilo zugenommen. Das ist nichts Neues, tut sie schließlich jedes Jahr, und im Verlauf der folgenden Monate werden davon üblicherweise durch den konzertierten Irrwitz von Superdiäten und Strampeldrill zehn bis dreißig Prozent wieder „wegschmelzen“, ehe zu Weihnachten 2016 erneut hundert Millionen Kilo Fleisch dazukommen.

Das deutsche Volk – wie wir es ausnahmsweise mal nennen wollen, weil der Begriff hier trifft – wird also zweifellos immer gewichtiger. Nun wissen wir seit langer Zeit, daß das eine ganz normale Begleiterscheinung des zu Ende gehenden kapitalistischen Prozesses ist: Jeder stopft sich noch schnell hinein, was nur geht, bevor es irgendein anderer frißt. „Belästigungen 1/2016: Hundert Millionen Kilo neues Fleisch – wohin damit, Deutschland?“ weiterlesen

Frisch gepreßt #354: Der Nino aus Wien „Immer noch besser als Spinat“

Nein, mehrfach.

Erstens: Nein, Ninos Stimme ist nicht für jeden was. Es gibt Leute, die fühlen sich, wenn sie sie hören, abgeschleckt, und zwar von jemandem, der lieber erst mal was mit Clearasil und Geruchsfressereinlagen machen sollte, bevor er sich für die ostösterreichische Vorstadtausgabe von Justin Bieber bzw. dem Blondgefärbten von One Direction hält. „Frisch gepreßt #354: Der Nino aus Wien „Immer noch besser als Spinat““ weiterlesen

Frisch gepreßt #353: Van Morrison „Astral Weeks“

Vor Van Morrison habe ich mich als Kind irgendwie gefürchtet. Na ja, nicht direkt gefürchtet, aber große Lust, ihn kennenzulernen, hatte ich auch nicht. Der schaute so böse und wirkte so brummig, und als er dann nicht mehr ganz so brummig wirkte und böse schaute, da schaute und wirkte er dann verschlossen und schwierig und … „Frisch gepreßt #353: Van Morrison „Astral Weeks““ weiterlesen

Belästigungen 25/2015: Von Kälte, Wärme, Rotz, Wasser und dem Zauber des selbst herbeigeführten Kurzwinterschlafs

Die Freuden des Winters sind durchaus divers und paradox. Die einen stürzen sich manisch hinaus ins klirrende Kalt und rutschen auf Brettern und Lattengestellen durch die Gegend, bis ihnen Nasen, Ohren und Zehen abfrieren, löten sich hinterher in dröhnenden Holzhütten mit Giftgebräu wie Glühwein und Jagertee das Hirn zu und finden das einen so urigen Spaß, daß sie sich notfalls selbst im höchsten Hochsommer mit Hubschraubern auf sieche Restgletscher kurbeln lassen, um denen nebenbei den Rest zu geben.

Andere verheizen ganze Wälder, Gastanks und Ölfelder, stapeln sich in Saunen und rasen in Geschwadern von Flugzeugen um den Globus, um die Sommerhitze, über die sie Ende September noch gestöhnt haben, als Dauerzustand zu erhalten. „Belästigungen 25/2015: Von Kälte, Wärme, Rotz, Wasser und dem Zauber des selbst herbeigeführten Kurzwinterschlafs“ weiterlesen

Belästigungen 24/2015: Es geht zu Ende, lieber Abfalleimer (gut, daß es dich gibt!)

Seltsam, wie sehr sich der Mensch daran weidet und darin suhlt, daß Sachen zu Ende gehen. Tut er nicht? Tut er doch: Dazu hat er eigens ein Jahr erfunden, das am 31. Dezember ruckzuck und plötzlich aus ist. Es kommt zwar gleich ein neues daher, angeblich, aber das besprechen wir vielleicht demnächst, wenn es so weit ist. Erst einmal: wird das Jahr in ein paar Wochen ruckzuck und plötzlich aus sein, und das treibt den Menschen um.

Und zwar schon Wochen und Monate vorher, weil das Gefühl, daß etwas bald aus ist, unweigerlich dazu zwingt, neue Vorräte zu beschaffen. „Belästigungen 24/2015: Es geht zu Ende, lieber Abfalleimer (gut, daß es dich gibt!)“ weiterlesen

Wie sich David Bowie einmal leicht verspätete (kein Nachruf)

Tage, an denen Alben von David Bowie erscheinen, sind für Menschen unserer Generationen lebensgeschichtliche Kerben, die der ersten Zigarette, dem ersten Orgasmus, dem ersten High, der ersten Trennung, der ersten Auslandsreise und der ersten Begegnung mit der großen Liebe mindestens nahekommen. Ich weiß noch, wie ich in den Fernseher gaffte, als „Aladdin Sane“ erschien: als hätte sich eines jener Portale in andere Universen geöffnet, von denen in „Raumschiff Enterprise“ immer nur geraunt wurde. „Wie sich David Bowie einmal leicht verspätete (kein Nachruf)“ weiterlesen

Im Regal: Umberto Eco „Nullnummer“

Seit „Der Name der Rose“ besetzt der ehemals als Semiotiker tätige Umberto Eco romanweise mit höchstem Erfolg ein Genre, das er selbst begründet hat: die Verbindung von Abenteuer- und Kriminalgeschichten mit historischen Tatsachen, Mythen, Textauslegungen/Zitaten und Verschwörungstheorien, die er allesamt so wild durcheinandermischt, daß daraus inzwischen weit über die Literatur hinaus eine Lieblingsbeschäftigung „postmoderner“ Weltdeuter geworden ist.

Das Rezept bleibt im wesentlichen gleich; der Reiz der Geschichten ist durchaus unterschiedlich und hängt davon ab, wie plausibel der weithin, aber nicht immer tief belesene Autor die Einzelstücke zusammenschraubt – und ob er es hinkriegt, seinen Hang zur Gschaftelhuberei und zum Protzen als Hansdampf in allen Infogassen zugunsten einer wenigstens einigermaßen interessanten Rahmenhandlung und mindestens ungefähr erkennbaren Protagonisten zu zähmen. „Im Regal: Umberto Eco „Nullnummer““ weiterlesen

Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren) #3: Schnipo Schranke „Satt“

 

Das Interessante (wenn überhaupt) an moderner, nein, sagen wir: zeitgenössischer (um die entwicklungsfreie stilistische Beliebigkeit des entsprechenden Genres auf dem Kunstmarkt als Referenz herbeizuziehen) Popmusik ist ja im Normalfall nicht die Musik selbst, sondern wie sie zum Medien- und also überhaupt: Phänomen wird.

Dazu muß sie einerseits ziemlich normal sein, darf also weder intellektuell noch ästhetisch übertriebene (oder irgendwelche) Ansprüche an den erwünschten Rezeptor stellen, „Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren) #3: Schnipo Schranke „Satt““ weiterlesen

Belästigungen 23/2015: Vom stetigen Fortschreiten ins immer Schlimmere (und wie man ihm seitwärts entkommt)

Ein guter Freund, dessen Beruf es ist, zum Zwecke der Aufklärung vor Fernsehkameras sogenannten wichtigen Menschen heikle Fragen zu stellen, wünschte neulich von einem Philosophen zu erfahren, ob es generell und überhaupt einen „Fortschritt“ gebe.

Eine durchaus interessante Frage, der kluge Menschen seit Jahrhunderten nachsinnen und dabei zu durchaus differenzierten, im Ergebnis aber eindeutigen Antworten kommen: Aber ja, es gibt ihn, den Fortschritt, und er führt immer zum Schlimmeren. Es ist dem Menschen, möchte man meinen, offenbar ins genetische Muster hineingeprägt, Erlösung aus dem Elend, in das ihn der Fortschritt hineingesemmelt hat, ausgerechnet wiederum von einem Fortschritt zu ersehnen. „Belästigungen 23/2015: Vom stetigen Fortschreiten ins immer Schlimmere (und wie man ihm seitwärts entkommt)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #352: Beach House „Thank Your Lucky Stars“

Der Herbst ist der Bruder des Schlafs. Des Schlummers, durchwoben von Träumen und Erinnerungen, in denen sommerliches Gelächter, leise Tränen, zehrende Sehnsüchte und wolkige Leichtigkeit nachhallen wie aus einem Kino am Ende einer verlassenen nächtlichen Straße. Da erklingt auch Musik, die im Moment des Erklingens schon ertrinkt im tiefen Blau der Ewigkeit, in einem Pool, einem See aus Hall und Leere. Am Strand steht ein kleines Haus, in dessen Fenstern nachts Kerzen brennen.

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Frisch gepreßt #351: Ecco DiLorenzo & His Innersoul „Soultrain Babadee“

Ein dünner Mann geht durch die Stadt. Bisweilen bleibt er stehen und betrachtet versonnen belustigt das Treiben der Menschen, ihre Wichtigkeiten und Wimmeleien. Dann fremdelt er mal wieder, der dünne Mann, weil er nicht mittun mag und noch nie mochte bei dem Karussell der Konsumiererei momentaner Topprodukte, die sich ein paar Wochen lang neben den Kaufhauskassen und kaum ein paar Jahre später auf den Wühltischen stapeln. „Frisch gepreßt #351: Ecco DiLorenzo & His Innersoul „Soultrain Babadee““ weiterlesen