Junger Unfug (Folge 6): Gehorsam und Strafe

Ein anderer Mann in unserem Haus hatte zwei Söhne. Sie sahen ihm schon als Kinder sehr ähnlich: Alle drei hatten kurze Beine, einen breiten, kastenförmigen Oberkörper und einen würfelförmigen Kopf mit abgerundeten Kanten und kurzgeschorenen blonden Haaren.

Wenn der Vater von der Arbeit kam, betrat er den Balkon und pfiff auf zwei Fingern. Seine Söhne ließen alles liegen und stehen und rannten nach oben; wir anderen standen mit offenen Mündern im Sandkasten und fragten uns, was an diesem Vater so schreckenerregend war, daß er es geschafft hatte, die beiden kastenförmigen Jungen derart zu dressieren – strenger als Helmuts Vater konnte er kaum sein, und dessen Erziehungsversuche blieben, auch wenn sie gelegentlich sehr laut und dramatisch verliefen, ohne die geringste Wirkung. „Junger Unfug (Folge 6): Gehorsam und Strafe“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 5) – Fernsehen und Väter

Die Familie des gleichaltrigen Jungen besaß – neben so ziemlich allen modernen Spielsachen, für die in Micky Maus und Prima Reklamefotos mit staunenden, glücklichen Kindern zu sehen waren – einen Fernseher, den es bei uns nicht gab, weil man vom Fernsehen verblödete. Wenn man es ertrug, daß der Vater die ganze Zeit bedrohlich auf dem Sofa saß, konnte man dort die interessantesten Dinge sehen: Der Geist und Mrs. Müller, S.R.I. und die unheimlichen Fälle, Time Tunnel, Merkwürdige Geschichten, Tarzan, Robin Hood und die Rebellion der Verlorenen in drei Teilen zum Beispiel. „Junger Unfug (Folge 5) – Fernsehen und Väter“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 4) – Autos und Aschentonnen

Die lange Reihe mit den Aschentonnen vor oder vielmehr seitlich neben unserem Haus war eine typische Fehlkonstruktion der damaligen Zeit: Um den Mülleimer auszuleeren, mußte man mit beiden Händen an einer schwarzen Kugel rütteln, ehe eine der Türen endlich aufging. Die Aschentonnen selbst standen auf einem verrosteten Blech, das sich mit der Tür herausdrehte. Die Tonnen waren auch verrostet, und die, die man erwischte, war immer voll. Also kippte man den Müll obendrauf und drückte die Tür wieder zu, wodurch im Inneren der ganzen Angelegenheit der Müll auf das Blech und in alle möglichen Ritzen fiel. Deshalb rostete auch alles. „Junger Unfug (Folge 4) – Autos und Aschentonnen“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 3) – Säcke und Treppen

Die schöne Zeit im Kindergarten ging schlagartig zu Ende. Eines Tages verkündeten Fräulein Deckenbach und Fräulein Schreiber, morgen komme der Nikolaus.

Ich wußte nicht genau, was der Nikolaus war, weil in unsere Wohnung noch nie der Nikolaus gekommen war. Der Nikolaus, klärte mich ein etwas älteres Mädchen auf, sei nicht so schlimm, aber er habe den Krampus dabei. Auf meine Frage, was nun wieder ein Krampus sei, sprang ein anderer Junge dazwischen und erklärte mit bedrohlicher Stimme, der Krampus stecke die Kinder, die etwas angestellt hätten, in den Sack und verprügle sie mit einer schweren Eisenkette. „Junger Unfug (Folge 3) – Säcke und Treppen“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 2) – Flöhe und Frösche

Schon bevor ich Fußball spielen konnte und auch nur wußte, was Fußball ungefähr ist, mußte ich in den Kindergarten. Das war anfangs eigentlich ganz schön, auch wenn die anderen Kinder oft betonten, daß es noch kurz zuvor gar nicht schön gewesen sei, als Frau Brennlein noch da war. An Frau Brennlein war schon der Name außergewöhnlich: Alle anderen Kindergartenfräuleins, die ich aus Berichten anderer Kinder und eigener Erfahrung kannte, hießen nicht „Frau“, sondern „Fräulein“. „Junger Unfug (Folge 2) – Flöhe und Frösche“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 1) – „CSU“ und Fußball

Als ich klein war, war Wahl. Auf den Straßen hingen Plakate, die sagten „Winfried Zehetmaier“ und „CSU“. Dazu sah ein Mann recht grimmig aus. Das imponierte mir, auch wenn ich den Mann nicht mochte. Aber er sah anders aus als die Leute, die ich daheim traf. Die waren zumeist still und weich, sprachen leise und hatten lange Haare und machten die Tür nicht ganz zu, wenn sie aufs Klo mußten.

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