Junger Unfug (Folge 11): Freunde und Verbote

Schon bevor ich den Unfall hatte, war ich in die Schule gekommen. Das hatte den großen Vorteil, daß die Kinder, die noch nicht in die Schule gekommen waren, Kindergartenbamsler waren.

In der Schule mußte man „elemelemule“ schreiben, die Fibelkinder lesen und still an seinem Tisch sitzen und durfte auch nicht mit den leeren Tintenfässern spielen, die unter einem Klappdeckel aus Blech am oberen Ende des Tisches waren. „Junger Unfug (Folge 11): Freunde und Verbote“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 10): Kekse und Kassettenrekorder

Zu Hause war mein Unfall Thema aller Gespräche und Gerüchte. Von einem Lastwagen überfahren zu werden, war noch keinem gelungen, außerdem durfte ich noch zwei Wochen daheim bleiben. Weil meine Mutter vormittags arbeitete, saß ich dann mit meinem Vater – der Spätschicht hatte – auf dem Spielplatz vor dem neuen Haus, wo er jetzt wohnte.

Die Bäume waren noch kahl und die Wiesen voller matschigem Laub, aber ich bekam Kekse und Limo, und außerdem durfte ich sowieso nicht laufen. Die anderen Kinder kamen von der Schule und standen neben der Bank, grinsten und hörten bewundernd, daß ich noch eine weitere Woche frei hatte. „Junger Unfug (Folge 10): Kekse und Kassettenrekorder“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 9): Agenten und Millionen

Nach einigen Tagen wurde ich ins Nebenzimmer verlegt. Alle Zimmer lagen in einer Reihe und waren durch Glasscheiben verbunden. Vorher hatte ich das hintere Ende der Station gesehen, vier Zimmer weit bis zu dem Jungen mit dem falschen Blut, jetzt sah ich in die andere Richtung bis zu dem dünnen Mädchen, das immer in Ohnmacht fiel.

In meinem Zimmer war jetzt der Junge mit der Nierenentzündung, der älter war als alle anderen und noch viel älter wirkte, weil er nie lachte, nur leise sprach und immer sehr bedenklich aussah. Das liege an seinen Schmerzen, wußte einer, aber mich störte die feinfühlige Murrigkeit des Jungen vor allem nachts, wenn ich mit dem neuen Jungen rechts von mir reden wollte und der Murrige immer wieder zischte, wir sollten endlich still sein.

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Junger Unfug (Folge 8): Töpfe und Flaschen

Die Kinder in dieser Station erwiesen sich als viel interessanter als die banalen Knochenbrüche im anderen Stockwerk. Sie bekamen riesige Spritzen in den Rücken, hatten Nieren oder falsches Blut.

Ich war in der ganzen Station der einzige, der nicht aufstehen durfte. Mein rechtes Bein war mit Verbänden an eine geknickte Schiene gebunden, obwohl man mir sagte, ich hätte nichts gebrochen, sondern nur eine Prellung. Jeden Morgen wechselte die Schwester den Verband, nachdem sie bei den anderen Kindern Fieber gemessen hatte. Dann kam Jod auf die Wunde, die Ärzte sahen sich das Knie an und gingen zum nächsten Bett. „Junger Unfug (Folge 8): Töpfe und Flaschen“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 7): Räder und Schrauben

Als die meisten Jungen in meinem Alter von einem Auto überfuhren wurden, war ich einer der ersten. Zwei oder drei hatten es schon vorher geschafft, mit Beinbrüchen für Aufsehen an der Schule zu sorgen, aber ich hatte etwas besonderes: einen Lastwagen.

Der stand links neben mir an der Kreuzung, die ich überqueren wollte, weil ich zu Weihnachten ein nagelneues Klapprad bekommen hatte, mit dem ich nun, seit der letzte Schnee geschmolzen war, in der Gegend herumradelte. Es war ein Rad mit kleinen Rädern, einer Lampe auf dem vorderen Schutzblech und einer großen weißen Schraube über dem Pedalkasten. „Junger Unfug (Folge 7): Räder und Schrauben“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 6): Gehorsam und Strafe

Ein anderer Mann in unserem Haus hatte zwei Söhne. Sie sahen ihm schon als Kinder sehr ähnlich: Alle drei hatten kurze Beine, einen breiten, kastenförmigen Oberkörper und einen würfelförmigen Kopf mit abgerundeten Kanten und kurzgeschorenen blonden Haaren.

Wenn der Vater von der Arbeit kam, betrat er den Balkon und pfiff auf zwei Fingern. Seine Söhne ließen alles liegen und stehen und rannten nach oben; wir anderen standen mit offenen Mündern im Sandkasten und fragten uns, was an diesem Vater so schreckenerregend war, daß er es geschafft hatte, die beiden kastenförmigen Jungen derart zu dressieren – strenger als Helmuts Vater konnte er kaum sein, und dessen Erziehungsversuche blieben, auch wenn sie gelegentlich sehr laut und dramatisch verliefen, ohne die geringste Wirkung. „Junger Unfug (Folge 6): Gehorsam und Strafe“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 5) – Fernsehen und Väter

Die Familie des gleichaltrigen Jungen besaß – neben so ziemlich allen modernen Spielsachen, für die in Micky Maus und Prima Reklamefotos mit staunenden, glücklichen Kindern zu sehen waren – einen Fernseher, den es bei uns nicht gab, weil man vom Fernsehen verblödete. Wenn man es ertrug, daß der Vater die ganze Zeit bedrohlich auf dem Sofa saß, konnte man dort die interessantesten Dinge sehen: Der Geist und Mrs. Müller, S.R.I. und die unheimlichen Fälle, Time Tunnel, Merkwürdige Geschichten, Tarzan, Robin Hood und die Rebellion der Verlorenen in drei Teilen zum Beispiel. „Junger Unfug (Folge 5) – Fernsehen und Väter“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 4) – Autos und Aschentonnen

Die lange Reihe mit den Aschentonnen vor oder vielmehr seitlich neben unserem Haus war eine typische Fehlkonstruktion der damaligen Zeit: Um den Mülleimer auszuleeren, mußte man mit beiden Händen an einer schwarzen Kugel rütteln, ehe eine der Türen endlich aufging. Die Aschentonnen selbst standen auf einem verrosteten Blech, das sich mit der Tür herausdrehte. Die Tonnen waren auch verrostet, und die, die man erwischte, war immer voll. Also kippte man den Müll obendrauf und drückte die Tür wieder zu, wodurch im Inneren der ganzen Angelegenheit der Müll auf das Blech und in alle möglichen Ritzen fiel. Deshalb rostete auch alles. „Junger Unfug (Folge 4) – Autos und Aschentonnen“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 3) – Säcke und Treppen

Die schöne Zeit im Kindergarten ging schlagartig zu Ende. Eines Tages verkündeten Fräulein Deckenbach und Fräulein Schreiber, morgen komme der Nikolaus.

Ich wußte nicht genau, was der Nikolaus war, weil in unsere Wohnung noch nie der Nikolaus gekommen war. Der Nikolaus, klärte mich ein etwas älteres Mädchen auf, sei nicht so schlimm, aber er habe den Krampus dabei. Auf meine Frage, was nun wieder ein Krampus sei, sprang ein anderer Junge dazwischen und erklärte mit bedrohlicher Stimme, der Krampus stecke die Kinder, die etwas angestellt hätten, in den Sack und verprügle sie mit einer schweren Eisenkette. „Junger Unfug (Folge 3) – Säcke und Treppen“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 2) – Flöhe und Frösche

Schon bevor ich Fußball spielen konnte und auch nur wußte, was Fußball ungefähr ist, mußte ich in den Kindergarten. Das war anfangs eigentlich ganz schön, auch wenn die anderen Kinder oft betonten, daß es noch kurz zuvor gar nicht schön gewesen sei, als Frau Brennlein noch da war. An Frau Brennlein war schon der Name außergewöhnlich: Alle anderen Kindergartenfräuleins, die ich aus Berichten anderer Kinder und eigener Erfahrung kannte, hießen nicht „Frau“, sondern „Fräulein“. „Junger Unfug (Folge 2) – Flöhe und Frösche“ weiterlesen

Junger Unfug (Folge 1) – „CSU“ und Fußball

Als ich klein war, war Wahl. Auf den Straßen hingen Plakate, die sagten „Winfried Zehetmaier“ und „CSU“. Dazu sah ein Mann recht grimmig aus. Das imponierte mir, auch wenn ich den Mann nicht mochte. Aber er sah anders aus als die Leute, die ich daheim traf. Die waren zumeist still und weich, sprachen leise und hatten lange Haare und machten die Tür nicht ganz zu, wenn sie aufs Klo mußten.

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