Frisch gepreßt #311: Neneh Cherry „Blank Project“

Der Jargon, in dem heutzutage über Popmusik verhandelt wird, ist wie ein ziemlich schlechter Witz, den sich tausend Leute gegenseitig erzählen, und zwar in einer Sprache, die keiner von ihnen beherrscht und von der die meisten höchstens ein paar Wörter ungefähr kennen. Darüber sollte man sich nicht beklagen, denn manchmal ist das Ergebnis recht erheiternd. Was Verben wie frickeln und schrammeln sowie die automatisch mit dem Salzstreuer im Text verteilten Adjektive von atmosphärisch bis deep, fett bis satt, nuanciert, affektiert, fein, klein, spröde, rund, kantig usw. usf. bedeuten, wird nie ein Mensch erklären oder auch nur herausfinden können, aber ein Schmunzeln mag man sich auch nicht verkneifen, wenn wieder mal ein gealterter Wollmützennerd mit päpstlichen Pathos litaneit, es werde auf einem „Werk“ dies und das und diese und jene angebliche Stilrichtung (von denen mangels Beschreibungsfähigkeit wöchentlich mindestens zehn postuliert werden müssen) nicht etwa gemischt, sondern verschmolzen, neuerdings geblendet und dabei doch stets zuverlässig versöhnt, ohne indes – das ist enorm wichtig, weil es ausnahmslos gilt – ins Irgendwiehafte oder -artige „abzudriften“. „Frisch gepreßt #311: Neneh Cherry „Blank Project““ weiterlesen

Belästigungen #430: Ich bin nur ein Symbol, mein Schatz!

„Warum liest du das?“ frage ich das Mädchen, das am Nebentisch sitzt und ein Taschenbuch von Thomas Mann liest und dabei schaut, als wären die Buchstaben zu klein oder irgendwie frech. Über uns leuchtet der Himmel, wie er das im Februar am frühen Nachmittag tut: golden, weiter entfernt, als es scheint.

„Ich mag seine Symbolik“, sagt sie und blickt mich an wie eine überraschend erblühte Blume auf einer winterlichen Wiese.

„Oh“, sage ich und weiß nicht weiter. Eine Horde von Vögeln fliegt plötzlich auf und bildet für einen flüssigen Augenblick eine Sichel um uns, die sich als Wolke auflöst. „Belästigungen #430: Ich bin nur ein Symbol, mein Schatz!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #310: Morrissey „Your Arsenal“ (Definitive Master)

Call me Unbeholfenheit: Der Junge ist von Anfang an verdorben. Wird kaum überleben, sagen die Ärzte, tut es aber doch. Aufgewachsen im grauen Staubdreck von Manchester, frühe Sechziger, ein Einzelgänger, viel zu intelligent, dazu völlig unbegabt zu Uneindeutigkeit, Unehrlichkeit, Un … unzugänglich, unzulänglich. Papa begleitet Steven aufs T.Rex-Konzert, das sein Leben prägt: Da, Bühne, will, muß er hinauf und der Welt zeigen, wie sie ist, was er ist, daß das Leben mehr ist als das, was man im grauen Staubdreck von Manchester für eine Existenz hält. „Frisch gepreßt #310: Morrissey „Your Arsenal“ (Definitive Master)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #309: Nina Persson „Animal Heart“

Wie, wann und warum aus temporärer Verknallung Liebe wird, ist eine komplizierte Frage. Wahrscheinlich irgendwas mit Gewohnheit, die neben Langeweile, Neugier und Dummheit eine der wichtigsten Motivationsquellen unseres gesamten Handelns, Denkens und Fühlens ist. Man gewöhnt sich an fast alles, vom eigenen krummen Zehennagel bis zum nächtlichen Piepsgeräusch eines anderen Menschen, den ein Zufall (noch so ein Faktor, s. o.) an den Strand der Lebensinsel geschwemmt hat: Irgendwann verwächst das Fremde mit dem Eigenen und wird eins. „Frisch gepreßt #309: Nina Persson „Animal Heart““ weiterlesen

Belästigungen #429: Hilfe! Killerplapperer und Todesfasler greifen die Freiheit an!

Aus allen möglichen Richtungen wird mir derzeit mitgeteilt, meine Freiheit sei in höchster Gefahr, unter anderem weil ein amerikanischer Geheimdienst meinen SMS-Austausch mitliest und unsere Regierung irgendein Handelsabkommen aushandelt oder irgendwie so. Hinzu kommen dann noch diese und jene anderen Bedrohungen und Dings und Dongs, und summa summarum – schwupps, ist die Freiheit weg.

Das ist blöd, weil eine Freiheit ist schon schätzenswert und auch ganz chic, und wenn sie weg ist, sitzt man plötzlich im Gefängnis und kann sich gar nicht mehr erinnern, wie und wieso man da hineingekommen ist. Am Ende hat man bloß mal zufällig eine falsche Partei gewählt, die dann irgendeine Zwangsplanwirtschaft oder so was eingeführt hat, was ganz doof ist und die Freiheit kaputtmacht und so weiter. „Belästigungen #429: Hilfe! Killerplapperer und Todesfasler greifen die Freiheit an!“ weiterlesen