Periphere Notate (7): Erklären vs. verstehen

In den Bereichen des extrem „Kleinen“ und des extrem „Großen“, des extrem „Schweren“ und „Leichten“ versagen die Möglichkeiten von Mathematik und Physik. Zum Verständnis der Vorgänge dort wäre nicht etwa eine neue Form der Wissenschaft nötig, weil „Wissen“ hier etwas anderes ist als landläufig. Wir bräuchten eine andere Art des Zugangs zu Verständnis, die im Verständnis selbst enthalten ist.

„In eigener Sache“: Wie man gesehen werden möchte, gesehen wird, was „man“ darin sieht und wieso man nicht gesehen wird

Zu den meisten Beiträgen in diesem Blog gibt es ein Bild. Wenn man einen solchen Beitrag auf Facebook postet, sollte dieses jeweilige Bild dazu angezeigt werden. Das hat bis vor einiger Zeit funktioniert. „„In eigener Sache“: Wie man gesehen werden möchte, gesehen wird, was „man“ darin sieht und wieso man nicht gesehen wird“ weiterlesen

2005: like Punk never happened!

Im Januar 2005 saß ich mit Fritz Ostermayer und Thomas Meinecke zusammen und sollte öffentlich (fürs Radio) darüber diskutieren, welches Album das derzeit und vielleicht sogar für die „Zukunft“ wichtigste oder beste oder irgend so was sei. Ich weiß: eine saudumme Frage, auf die man am besten mit zugehaltenen Ohren „Lälälälälä!“ antworten sollte, aber diesmal fiel mir die Antwort ausnahmsweise leicht.

Was Fritz vorspielte, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich Tocotronic oder irgend so einen Konsensscheiß. Fritz ist ein netter Mensch. Thomas setzte auf die Blood Brothers, auch irgendwie typisch: gut gemeint im Sinne von „Innovativ heißt unerträglich“, ein Haufen Krach mit Quäkstimme, as if 1993 never went away. „2005: like Punk never happened!“ weiterlesen

Belästigungen 6/2019: Alle sind irr, wirr und bedrohlich! Und drum bin ich einsam! (oder?)

Man sagt uns, daß wir immer mehr vereinsamen. Zwar hetzen, rauschen, wurlen ständig Menschen an uns vorbei, aber die meisten davon sind nicht echt, sondern nur Internetgeister, die uns ein Bildchen entgegenhalten, auf dem so was steht wie „Have a good day!“ oder ähnliche Motivationsbefehle. Oder daß wir irgendwas teilen sollen, für Tier- oder Klimaschutz oder gegen Christian Lindner.

So Zeugs wuscht naturgemäß sofort wieder weg, wie ein Eichkatzfurz oder das „Töröö!“, das der im März neuerdings allgegenwärtige Sturm in den Gasofen hineinrülpst. Weil man einen guten Tag nicht „haben“ kann, weil man das Klima nicht „schützen“ und den Menschen als solchen nicht daran hindern kann, Tiere zu quälen, schon gar nicht mit Internetbildchen; und wer sich mit Christian Lindner beschäftigt, ist selber schuld, wenn er depressiv oder zum Amokläufer oder beides wird. „Belästigungen 6/2019: Alle sind irr, wirr und bedrohlich! Und drum bin ich einsam! (oder?)“ weiterlesen

Belästigungen 5/2019: Wie der Mensch ins Getriebe kam und was er von Schwein, Rind und Taube lernen könnte

Arbeit ist (ich versuche das mal so zu paraphrasieren, daß man dieses Heft eventuell auch in eine Kirche mitnehmen kann, ohne die nächsten drei Wochen damit verbringen zu müssen, auf Erbsen kniend Avemarias herzubeten) Kot. Das liegt einerseits daran, daß die Arbeit, die auf diesem Planeten stattfindet, zu neunundneunzig Prozent vollkommen sinnlos ist und nur dem Zweck dient, Geldvermögen zu vergrößern, die sowieso schon viel zu groß sind. Und dabei so nebenbei die Lebensgrundlagen fast sämtlicher Lebewesen auf dem Planeten zu vernichten (abgesehen von den Ameisen, die die Arbeit möglicherweise erfunden haben).

Einerseits. Andererseits ist die Arbeit, die auf diesem Planeten stattfindet, auch noch so komplett idiotisch organisiert, daß selbst der sinnvolle Bruchteil keinen Spaß macht und zur Folter ausartet. „Belästigungen 5/2019: Wie der Mensch ins Getriebe kam und was er von Schwein, Rind und Taube lernen könnte“ weiterlesen

Belästigungen 4/2019: Ist die Wahrheit mal zu schön, kommt zum (Un)glück die Polizei!

Deutschlands wichtigstes faschistoides Hetzblatt berichtete neulich von einem „Werkstattgespräch“ der CDU. Nun wissen manche von uns aus eigener Erfahrung, daß es in einer Werkstatt nicht immer zimperlich zugeht. Da ist der Humor gerne mal fäkal, die Mentalität von schweröliger Konsistenz, Handgreiflichkeit nicht nur bei Rohrzange und Schraubenschlüssel gefragt, und wenn gehobelt wird, dann fallen Späne auf die Leberkässemmel.

Nicht anders bei der sogenannten Christenunion, die sich zu diesem Zweck eigens einen Polizisten in die Werkstatt holte, wahrscheinlich wegen der beruflichen Nähe zur erwähnten Handgreiflichkeit. Der zierte sich nicht, als es darum ging, mal so richtig auf den Tisch zu hauen. „Unseren Rechtsstaat“, ließ er sich zitieren, täte er „nie in Frage stellen, aber bei Abschiebungen ist er teilweise hinderlich“. Nicht nur das! möchten wir spontan hinzufügen. „Belästigungen 4/2019: Ist die Wahrheit mal zu schön, kommt zum (Un)glück die Polizei!“ weiterlesen

Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Broken Social Scene „Forgiveness Rock Record“ (2010)

Gegen moderne Mythen ist schwer anzugehen, z. B. gegen den, Broken Social Scene sei eine musikalisch ganz besonders wertvolle Sache, wegen der Vielseitigkeit und den „sprudelnden“ oder „sprühenden“ Ideen etc. Man könnte die Einleitung dieses Albums heranziehen und feststellen, daß es sich dabei um ein müdes, spannungsfreies Geklöppel handelt, man könnte den Großteil der weiteren Stücke als schematisch aufgebaute, mit Unmengen von Tricks, Effekten und Geräuschen verkleisterte Primitivkompositionen entlarven und wird trotzdem zu hören bekommen, das alles sei doch wahnsinnig einfallsreich und versponnen. „Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Broken Social Scene „Forgiveness Rock Record“ (2010)“ weiterlesen

Belästigungen 25/2009: Der autofahrende Orang-Utan (und andere bahnbrechende Erkenntnisse der Wissenschaft)

Neulich fragte mich jemand, wieso Affen nichts sagen, wo sie doch fast dasselbe Sprachgen haben wie der Mensch. Und zwar fragte mich das nicht irgendwer (dem ich salopp antworten hätte können, daß Menschen doch meistens auch nichts sagen, sondern nur wirres Gebrabbel absondern), sondern die Wissenschaft selbst, per Zeitung: Warum sprechen Affen nicht? Ja mei, antwortete ich, wenn ich das wüßte!

So geht das die ganze Zeit. Seit die Wissenschaft nicht mehr Teil der Kultur ist, sondern sich von dieser abgespalten hat und als ernsthaft-effektiver Stoßtrupp die Welt erkundet, um Sachen zu finden, mit denen sich die Wirtschaft ankurbeln läßt, während die Kulturler immer nur herumtanzen und blumige Mutmaßungen über Gefühle und solch minderen Kram erdichten,

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Frisch gepreßt #437: Adriano Celentano „Il Ribelle“/„Il Molleggiato“/„Mr. Celentano“

Anni sitzt am Küchentisch, schaut durch den Dunst über ihrer Kaffeetasse (koffeinfrei) in die ersten Frühlingsstrahlen, die die Luft in Seide verwandeln, und wieder fällt ihr auf, wie jedes Jahr, daß Sonnenlicht nicht gelb ist wie auf Kinderbildern, sondern weiß oder eigentlich blau, azurblau wie der Himmel über der Adria, morgens, wenn das Meer wiederum nicht blau ist, sondern schimmert wie das Innere einer Muschelschale. „Frisch gepreßt #437: Adriano Celentano „Il Ribelle“/„Il Molleggiato“/„Mr. Celentano““ weiterlesen

Belästigungen 23/2011: Der Mensch als Teil des Menschen – verstreute Gedanken zur Einverleibung

Man könne so gut wie gar nichts mehr essen, weil man sonst sterbe, hat mir vor einiger Zeit, als mal wieder ein durch den Lebensmittelmassenhandel verbreiteter Virus Menschen hinraffte, jemand gesagt. Rein statistisch betrachtet leuchtet das ein: Tatsächlich sind so gut wie alle Menschen, die in den letzten, sagen wir: fünf Millionen Jahren etwas gegessen haben, in erdgeschichtlichen Maßstäben ziemlich bald darauf gestorben, und zwar völlig unabhängig davon, womit der jeweilige Todgeweihte seinen Verdauungstrakt füllte. Das, möchte man meinen, ist eben die gemeine Hinterhältigkeit des Lebens und der Natur: Man müht sich redlich, nichts falsch zu machen, und eines Tages ist es doch vorbei.

Gründliche Pessimisten könnten unter solchen Umständen der Ansicht zuneigen, es sei am vernünftigsten, sich den Unsinn, da letztlich ja doch vergeblich, von Anfang an zu sparen und gleich gar nichts zu essen. Aber da tritt der natürliche Überlebenswille auf den Plan: Freiwillig zu verhungern, „Belästigungen 23/2011: Der Mensch als Teil des Menschen – verstreute Gedanken zur Einverleibung“ weiterlesen

Frisch gepreßt #436: The Flying Luttenbachers „Shattered Dimension“

Manchmal hilft nur totale Zerstörung. Zum Beispiel legte mir ein Freund dringend das Debütalbum einer australischen Singer/Songwriterin ans Herz, das in der Tat recht erfreulich, lieblich und nett klingt. Indes verliefen sich alle Versuche, den Eindruck in Worte zu fassen, wertschätzende oder gar empfehlende, wie ein Glas Wasser, das ein einsamer Wanderer in der Wüste verschüttet, und abgesehen von dem daraus erstehenden, wenig hilfreichen Bild der internationalen Singer/Songwriterei unserer Tage als staubsandiger „Frisch gepreßt #436: The Flying Luttenbachers „Shattered Dimension““ weiterlesen

„Ich hätte das Hotel genommen“ (ein Interview von 1998)

(Weil ich neulich gefragt wurde, wieso es nirgendwo Interviews mit mir gibt: das hier gab es mal, vor fast genau 21 Jahren. Es ging um meine Band Dead City Radio; ich stelle beim Wiederlesen fest, daß ich ziemlich oft erröte, und ich weiß leider nicht mehr, wie der tapfere Fragensteller hieß. Erschienen ist es meines Wissens nie irgendwo.)

Warum singt ihr englisch?

Eine alte Frage, die noch niemand beantworten konnte, weil sie vielleicht falsch gestellt ist. Ich schlage eine andere Frage vor, in der sie enthalten ist: Warum macht ihr englische Musik? Doch kann ich auch diese Frage nicht beantworten. „„Ich hätte das Hotel genommen“ (ein Interview von 1998)“ weiterlesen

Belästigungen 3/2019: Das „Ganze“ und die Mitte und die Angst vor dem Rand

Ums „Ganze“ geht es heute nur noch bei Sportreportern. Da heißt es: „Der FC Bayern führt zwei zu null – das Ganze in der siebzigsten Minute!“ Weil die so sprechen müssen oder nicht anders können und sowieso ihre eigenen Sprachregeln haben, an die sie sich minutiös halten müssen, weil man sie sonst nicht als Sportreporter erkennt, sondern für sprechende Papierkörbe hält.

Ansonsten: nichts Ganzes mehr, allüberall nur noch Sprengsel, und jeder treibt sich an irgendeinem Rand herum, dem rechten oder linken oder sonst einem, und nicht mal mehr die angeblich so urtümliche Ganzheit von Ehemann und -frau trägt den einst (ebenfalls angeblich) ganzheitlichen Volkskörper, sondern wird zu zwei bis zweieinhalb Dritteln innerhalb der ersten paar Wochen geschieden und schlüpft umgehend in frisch definierte niegelnagelneue Geschlechter hinein, die sich ihre „Belästigungen 3/2019: Das „Ganze“ und die Mitte und die Angst vor dem Rand“ weiterlesen

Frisch gepreßt #435: Jackie Gleason „Lover’s Rhapsody“

Ich kann mich an eine Geschichte aus meiner recht frühen Kindheit erinnern, von der ich nicht mehr weiß, ob ich sie geträumt, erfunden, in der Trambahn erlauscht oder in einem Fix-&-Foxi-Heft gelesen habe. Ich weiß auch gar nicht mehr genau, wie die Geschichte ging; ungefähr so: Man schaut etwas an, zum Beispiel eine der vielen winzigen Seifenblasen im Badewannenschaum. Man schaut immer näher hin, nimmt eine Lupe, dann eine zweite Lupe, und zuerst sieht man da nur eine Blase, also fast nichts, das irgendwie schimmert und beim Hinschauen größer wird. Dann löst sich das Schimmern auf in kleine „Frisch gepreßt #435: Jackie Gleason „Lover’s Rhapsody““ weiterlesen