Frisch gepreßt #434: Ladytron „Ladytron“

Es dauert genau einen halben Takt, einen Akkordwechsel, bis die Assoziationen einsetzen: Plötzlich ist imaginär-imaginativ wieder 1972, und die Zukunft ist schimmernde Gegenwart, das Leben ein Sein in einem Traum, der zugleich ein Raumschiff ist. Durch dessen in indirektes, milchig weiches Kunstlicht getauchte Gangröhren schleicht ein Mann in retrofuturistischem Aufzug, der scheinbar scheu lächelnd seine durchtriebenen Absichten zugleich verbirgt und äußert: „I‘ll find some way of connection“, croont er, „hiding my intention, then I‘ll move up close to you …“ „Frisch gepreßt #434: Ladytron „Ladytron““ weiterlesen

Belästigungen 2/2019: Vom Schneedurchfall zum Cybersexkrieg: plötzlich alles weg, hui!

Schnee: ist weiß, kalt und in unberührtem Zustand wunderschön. Nach intensivem Kontakt mit den Bewohnern der irdischen Städte (den sogenannten „Autos“) wird er zu schwarzgrauem Ekelmatsch, aber dafür kann er nichts: Seiner Natur nach ist er eine bezaubernde Sache. Und ein ziemlich schönes Beispiel für die Wirkungsweise der Evolution.

Früher nämlich war Schnee harmlos und erfreulich. Um Silvester herum begann er vom Himmel zu rieseln, unausweichlich und ziemlich pausenlos bis Anfang März. Ich erinnere mich an die labyrinthischen Gänge, die Hausmeister mit riesigen Schaufeln in die weißen Massen gruben und die entlang wir ABC-Schützen unbegleitet Hand in Hand und akrobatisch rutschend unseren Weg zum Unterricht in Lesen/Schreiben/Rechnen fanden, „Belästigungen 2/2019: Vom Schneedurchfall zum Cybersexkrieg: plötzlich alles weg, hui!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #433: Thomas Franz „Jetzt geht’s mir besser“

Naiv zu sein bedarf es wenig, und wer naiv ist, ist … nun ja, nicht direkt König, obwohl auch unter dem Herrschpersonal eine gewisse Naivität bisweilen verbreitet ist; man denke nur an den märchenhaften Kaiser, der in einem Anzug aus unsicht- und -greifbarem Textil durch sein Reich marschierte. Allerdings wurde der dadurch nicht froh.

Bei Thomas Franz darf man das zumindest vermuten. Anders als jene Kronenfigur oder etwa Don Quichotte braucht der weder Ornat noch Rüstung, um gegen die Bosheit und Müpfigkeit der Weltenläufe anzugehen, weil er „Frisch gepreßt #433: Thomas Franz „Jetzt geht’s mir besser““ weiterlesen

Belästigungen 1/2019: Bumfdawk und Dickoxon? Kein Priblen! (aber wehe, man kriegt mal ein Paket …)

Verständigung ist in Zeiten moderner Kommunikation bestenfalls Glückssache, normalerweise indes mit dem Versuch vergleichbar, sich mittels einer Nagelfeile durch einen Urwald mit vorbildlich dichtem Unterholz zu schlagen. Harmlose Beispiele hierfür fallen täglich in jedem Haushalt an. Zum Beispiel smste mir neulich eine Freundin, die Einhaltung unserer verabredeten Verabredung sei „kein Priblen“, was ebensowenig ein großes Problem war wie die unmittelbar folgende Mitteilung einer anderen Freundin, sie habe dringend mal wieder Lust, „aufeinander Bier“.

Durch solche Fehlerlein kommt das Hirn ja ebenso leicht hindurch wie durch ein Wort wie „Bäslgntiuegn“ (habe ich gehört), weil es schon beim Lesen berücksichtigt, daß Schrift, Wort und Sprache für 99 Prozent der Menschheit „Belästigungen 1/2019: Bumfdawk und Dickoxon? Kein Priblen! (aber wehe, man kriegt mal ein Paket …)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #432: Udo Lindenberg „Zeitmaschine“

Popmusik ist suizidgefährdet. Ach was, gefährdet – sie ist dabei (und bei diesem Versuch schon sehr weit fortgeschritten), Selbstmord zu begehen bzw. den Freitod zu suchen, je nachdem, wie man dieses ultimative, (in diesem Falle: höchstwahrscheinlich, ansonsten unbedingt) irreversible Vorgehen moralisch einschätzt. Nämlich ist jede rebellische, romantische, subversive, provokante und sonstwie (oder nicht) relevante Geste, die sie in den knapp hundert Jahren ihrer Wirkungsgeschichte in die Welt setzte, nicht etwa als solche in die (unzuverlässige und verwehende) Erinnerung eingegangen, wie
sie das bis etwa 1991 zu tun schienen. „Frisch gepreßt #432: Udo Lindenberg „Zeitmaschine““ weiterlesen

Belästigungen 25/2018: Evolution 2.0: vom Gebrabbel zum Chatkommentar (und was daran gut sein könnte)

Die Evolution vollzieht sich manchmal unbemerkt, und nicht selten werden ihre Erfolge verleugnet, abgestritten, in Frage gestellt oder lächerlich gemacht. Zum Beispiel die Geschichte mit der schriftlichen elektronischen Kommunikation: Von der heißt es, sie sei schuld an so ziemlich jedem Übel, mit dem wir uns heutzutage herumschlagen müssen, von der Filterblase bis zur Fake News, vom Netzjunkie bis zum Genderwahn, vom Haßsprech bis zum Pegida-Aufmarsch. Zur Klärung von Mißverständnissen, Meinungsverschiedenheiten und diversen anderen Problemen sei das persönliche Gespräch daher in jedem Falle vorzuziehen, am besten unter vier Augen, höflich und besonnen.

Welch ein Unsinn das ist, weiß jeder, der schon mal zur Schule gegangen ist und vom Lehrer oder Direktor zu einem persönlichen Gespräch bestellt wurde, „Belästigungen 25/2018: Evolution 2.0: vom Gebrabbel zum Chatkommentar (und was daran gut sein könnte)“ weiterlesen

Belästigungen 24/2018: Achtung, hier kommt ein missionarischer Gedankenfluß! (und bricht rechtzeitig ab)

Der Winter ist eine paradoxe Veranstaltung. Massen von möpselnden, miefenden, murrigen und knurrigen Menschenwesen pressen sich zu Zeiten, in denen das Tageslicht noch nicht mal daran denkt, sich anzuschalten, in seuchige U-Bahn-Züge hinein, um sich an … na ja, nicht Orte, eher: Stellen schießen zu lassen, wo sie sich mit Massen von möpselnden, miefenden, murrigen und knurrigen Menschen in Gebäude hineinpressen können, um … Tätigkeiten zu verrichten, Gegenstände in die Hand zu nehmen und woanders wieder hinzustellen, Papier und Magnetspeicher mit Zeichen vollzukritzeln und zu -müllen, sich damit zu stressen, ihre Gestreßtheit zu demonstrieren, und zu stöhnen, wie gern sie jetzt und überhaupt ganz was anderes täten. „Belästigungen 24/2018: Achtung, hier kommt ein missionarischer Gedankenfluß! (und bricht rechtzeitig ab)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #431: Marylin Monroe „The Marilyn Monroe Collection 1949-62“

Ich hatte mal einen Freund, der war in gewisser Weise so typisch für das längst im Gentrifikationsbrei versunkene Viertel, in dem wir damals aufwuchsen, daß man eigentlich mal von ihm erzählen sollte. Auch weil die Zeit, in der wir am meisten Zeit miteinander verbrachten (oder sagen wir: vertrödelten), in einen Winter fiel, der diesem relativ ähnlich war: Es schneite, oft tagelang, die Tage waren grau wie die Betonfassade des Häuserblocks, in dem er mit seiner Mutter eine Eineinhalbzimmerwohnung bewohnte, und wir taten kaum mehr als auf leeren, verschneiten Straßen und in Hinterhöfen herumlaufen, uns „Frisch gepreßt #431: Marylin Monroe „The Marilyn Monroe Collection 1949-62““ weiterlesen