(periphere Notate): Das gesamte öffentliche Leben

Es bürgert sich ein – in „Gesellschaften“ ohne Bürger –, daß „Wahlverlierer“ (also diejenigen zur „Wahl“ zugelassenen Organisationen, die geringe bis sehr geringe Anteile der „Stimmen“ erhalten) Einheitsfrontregierungen bilden, deren einziger Zweck ist, „Wahlgewinner“ auszugrenzen und deren Regierungsbeteiligung zu verhindern („gegen rechts“ oder „gegen links“). Das Ganze läuft unter dem Slogan „Unseredemokratie gegen Undemokraten“, und die Folge dieses irrationalen Verhaltens ist ein stetiger Anstieg der Stimmen für die ausgegrenzten Organisationen, weil diese sich – mangels Regierungsbeteiligung – stets darauf berufen können, nicht für die jeweilige Misere verantwortlich zu sein, zu der sie ja wegen Ausgrenzung nicht beitragen konnten. Sie werden also durch die unablässige Ausgrenzung immer „heiliger“, so wie der Ersatzspieler auf der Bank, dessen Einwechslung die Westkurve spätestens nach dem 0:9 sehr vehement fordert.

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(aus dem tiefsten Archiv): Muß, darf, kann oder soll ein Autor seine Figuren lieben (oder hassen)? (1998)

Muß, darf, kann oder soll ein Autor seine Figuren lieben (oder hassen)?

Um die Diskussion abzukürzen: Ich meine, nein. Und zwar unabhängig von der Frage, ob man fiktive Personen überhaupt lieben oder hassen kann, ob man jemandem, den man liebt, antun würde, was man seinen Figuren antut, und ob man jemandem, den man haßt, überhaupt Einlaß in das Gebäude einer Geschichte gewähren würde. Ein Autor sollte seine Figuren beschreiben, sie Dinge tun lassen – sterben meinetwegen, leiden oder sonst was –, aber er sollte sie so lassen, wie sie sind. „(aus dem tiefsten Archiv): Muß, darf, kann oder soll ein Autor seine Figuren lieben (oder hassen)? (1998)“ weiterlesen

(aus dem tiefsten Archiv): „Der alte Mann schweigt“ (November 1994)

Hatte er gesprochen? Er dachte daran, es wieder zu tun. Er dachte daran, es nicht wieder zu tun.

Die Lichter warfen einen Kreis um ihn, der nie beleuchtet hatte sein wollen. Er verließ den Raum und sprach nicht ein Wort, er wandte sich nicht um, er verließ den Raum, ließ die zurück, die gewartet hatten, daß er sprechen möge, die noch warteten und sich vertrösteten. Zu Hause, was er so nannte, weil er dort immerhin irgendwie zum Hause gehörte, nach all den Jahren, brach sein Gesicht, seine Augen wachten auf, die nichts gesehen hatten, das Bild seiner Worte ertrank in Tränen, er kämpfte mit vielen kleinen Muskeln um seinen Mund, gab dem Spiegel Anweisungen, ihm zu zeigen, was der nicht zeigen konnte. Er antwortete, ließ die Muskeln gehen, fing sie wieder auf, als sie weit genug weg waren. Wieder bei ihm, bei sich. „(aus dem tiefsten Archiv): „Der alte Mann schweigt“ (November 1994)“ weiterlesen

(periphere Notate): „Schätzt“ sie „wert“, sonst: BUMM!

Die panische Angst, nein: geradezu besessene Panik der deutschen Volksführer (Politik/Medien) vor ihren „satanischen“ (vermeintlichen) Gegenspielern (zufällige Auswahl: Höcke, Sellner, Krah, Chrupalla, Weidel, Trump, Bakhdi, Orban, Jebsen und so weiter), die sich in der Verweigerung jeglicher Diskussion und direkten Auseinandersetzung niederschlägt, ist ein öffentliches Rätsel, dessen Lösung möglicherweise relativ simpel ist: Diese Menschen (zufällige Auswahl: Lang, Habeck, Baerbock, Scholz, Pistolerius, Faeser, Prantl, die Namen der Fernsehleute sind mir nicht bekannt) haben ein Konsensproblem. Sie sind es gewohnt, mit teilweise eklatant idiotischen, primitiven beziehungsweise nullwertigen „Standpunkten“ durchzukommen, weil man sie mag und „wertschätzt“ und ihnen nicht wehtun will oder wollte.

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(periphere Notate): Strahlende Transwelten

Der Mensch (als solcher) entschwebt zur Zeit ins Ungefähre. Daß dies nur so scheint (oder zu scheinen scheint), ist Teil des Geschehens: Wo immer bei den Planern, Modellierern und Strategen der „Zukunft“ Bilder zu sehen sind, die diese verheißen, sind sie blau, grün, lichtdurchflutet, gespannt entspannt und ungefähr so futuristisch wie in den siebziger Jahren manchmal die Titelseiten von „Terra“-Science-fiction-Büchern. Vor allem sind sie antireal. Man sieht da keine Fabriken, keine maroden Betonblocks, keine röhrenden Hauptverkehrsstraßen, überfüllten Transportsysteme, Schützengräben, Schlachtfelder und Elendsquartiere an der Peripherie verfallender Stadtmoloche.

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(periphere Notate): Rummsbumms gegen (B)rech(ts)reiz!

Staunend steht der wertewestliche Propaganda-Apparat vor der Erkenntnis, daß seine favorisierte neue Imperatorin und Weltkriegsherrin Kamala Harris – bislang bekannt als unfähigste und unbeliebteste Vizepräsidentin der US-Geschichte – das „TV-Duell“ gegen den „neuen Hitler“ zwar „gewonnen“ hat, daß aber hinterher eher noch weniger Leute sie wählen wollten als zuvor. Woran mag das liegen? fragt man sich in den medialen Kommandozentralen.

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(aus dem tiefen Archiv): Gimme Gimme Shock Treatment! (Suicide in Brüssel, 1978)

Die europäische Popwelt ist 1978, von den Nachbeben der Punkrevolte erfaßt, nicht leicht zu schockieren, aber was am Abend des 16. Juni in Brüssel über sie hereinbricht, überfordert die stärksten Nerven. Am Ende ziehen Wolken von Tränengas durch den Club „Ancienne Belgique“ am Boulevard Anspach, der nach einer Orgie der Gewalt und Zerstörungswut, die Beobachter mit dem „Ausbruch der Hölle“ vergleichen, nur noch eine Ruine ist, umstellt von einer Hundertschaft fassungsloser Gendarmen. Was ist da passiert? Nicht viel. Oder alles: ein Suicide-Konzert (im Vorprogramm von Elvis Costello). „(aus dem tiefen Archiv): Gimme Gimme Shock Treatment! (Suicide in Brüssel, 1978)“ weiterlesen

(periphere Notate): Menschen vermenschlichen

Früher hätte man gesagt: Die Ereignisse spitzen sich zu. Heute sagt man: Pah, alles wie immer. Die Heimliche Staatspolizei (auch „Verfassungsschutz“ genannt) „beobachtet“ und „überwacht“ in letzter Zeit die Nachdenkseiten, die Junge Welt, die „Neulandrebellen“, die Berliner Zeitung, den Freitag, die Weltwoche, die Junge Freiheit, Tichys Einblick und den („öffentlich-rechtlichen“) NDR sowie etliche andere, weil alle diese offenbar (beziehungsweise scheinbar) nicht stramm genug gleichgeschalteten Medien Dinge veröffentlichen, die „das russische Narrativ verbreiten“.

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„Wer schreibt da?“ (ein Fundstück aus dem September 1998)

Ich bin als Redner ein erbärmlicher Versager, auch wenn das kokett klingen mag. Daher wäre es wohl besser, ich würde einfach ein bißchen lesen und den Rest Ihnen überlassen, wie sich das für einen Schriftsteller gehört. Ich möchte aber die seltene Gelegenheit, daß Sie nicht allein sind mit einem Buch, doch nützen und Ihnen in kurzen Worten erklären, warum ich das geschrieben habe.

Zunächst eine ganz banale Sache, die jeder weiß und an die sich im entscheidenden Augenblick niemand erinnert: Selbstverständlich bin ich nicht der, der da erzählt. Ich bin vielleicht noch nicht einmal der, der die Selbsterzählung des Erzählers wieder- und weitergibt. Vielleicht bin ich gar nichts in dieser Geschichte, die aber freilich dennoch viele Sachen enthält, die ähnlich tatsächlich passiert sind. Was man nicht kennt, davon kann man nicht erzählen, das wissen wir alle, auch wenn Sie als Anhänger diverser Realismus- oder Science-Fiction-Schulen energisch widersprechen werden. „„Wer schreibt da?“ (ein Fundstück aus dem September 1998)“ weiterlesen