Belästigungen 12/2017: Es lebe die Weiße-Tücher-Armee-Fraktion! (ein konstruktiver Vorschlag)

Eine „repräsentative“ Umfrage ergab neulich, daß die Münchner – also hauptsächlich jene Menschen, die sich aus beruflichen Gründen momentan vorübergehend hier aufhalten – München gut und zugleich schlecht finden. Die einzelnen Resultate waren ebenso widersprüchlich: Man wünscht sich zum Beispiel weniger Autos, aber mehr Parkplätze. Was sich so deuten läßt, daß jeder einzelne weiterhin einen Großteil seiner Lebenszeit in Blechkisten absitzen und den Rest der Welt vergasen und totdröhnen möchte, die anderen sollen aber gefälligst darauf verzichten. Wie das halt so ist in einer Leistungsgesellschaft.

Auch daß man die Mieten einerseits zu hoch, andererseits aber das grundlegende System, daß überhaupt jemand Wohnraum vermieten und damit ohne jede Anstrengung stinkreich werden darf, ganz in Ordnung findet, „Belästigungen 12/2017: Es lebe die Weiße-Tücher-Armee-Fraktion! (ein konstruktiver Vorschlag)“ weiterlesen

Belästigungen 11/2017: Wem was wie wo und warum droht (und wem was nicht)

Manche Blödheiten funktionieren wie Brennesseln und Ameisen: Man kriegt sie einfach nicht weg, sie nesseln und wimmeln immer wieder aus denselben Ritzen und Löchern hervor, um arglose Menschen zu ärgern. Zum Beispiel trompetete mich neulich auf dem Weg ins Grüne mindestens zwanzigmal die gleiche „Zeitung“1 an: „Jeder 5. Münchner von Armut bedroht!“

Das war zum Glück gelogen, sonst wäre es schlimm: Von Armut bedroht ist bekanntlich so gut wie jeder, selbst der Multimilliardär, der zwar von seinen devoten Ausgebeuteten in Deutschland nichts zu befürchten hat, dem aber sämtliche Steuergeschenke und Spezln nichts helfen, wenn am Börsentheater die falsche Blase platzt. Die einzigen, die tatsächlich nicht von Armut bedroht sind, das sind: selbstverständlich die „Belästigungen 11/2017: Wem was wie wo und warum droht (und wem was nicht)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #388: The Vibrators „The Epic Years 1976-78“

Historisch betrachtet war der Übergang von Punk zu Punkrock im Herbst und Winter 1976/77 weniger ein solcher als eine echte Zäsur. Was gerade noch subversiv, extrem, gefährlich und radikal war bzw. mindestens schien, wurde zum reckless but harmless Partyspaß – laut, schnell, schmutzig und zynisch, aber eben: weder Revolution noch Subversion, sondern (nur) Rockmusik.
Die Vorreiter dieser Welle, die in den folgenden Jahren mit tausenden von (meist One-off-, oft selbstproduzierten) Platten wenn schon nicht die Charts, dann doch mindestens die Preßwerke auslastete, hießen The Vibrators und verkörperten sie prototypisch. Im Grunde waren sie zudem der erste „Rock ’n‘ Roll Swindle“ der Szene, nämlich keineswegs jugendlich-halbverwahrloste „Frisch gepreßt #388: The Vibrators „The Epic Years 1976-78““ weiterlesen

Belästigungen 10/2017: Hurra, wir retten die Wissenschaft! (es fragt sich nur, welche)

Kein Tag ohne Schreckensmeldung von Le Frisur im Weißen Haus. Neuerdings, so hört man, ist die Wissenschaft in Gefahr. Und zwar nicht weil weltweit die Mächtigen seit langer Zeit und mit Erfolg alles dafür tun, aus Universitäten und Forschungsinstituten marktkonforme Modulfabriken zu machen, die oben innovative (meist: Militär-)Technik und unten effektiv gedrillte Billigarbeitssklaven ausspucken.

Nein, das stört ja niemanden, schließlich ist es gut für das Wachstum und sowieso alternativlos wegen so Sachzwängen, „Fachkräftemangel“ oder „Bildungsoffensive“ oder wie die Quatschparole halt grad lautet, was soll’s. Aber jetzt kommt der Donald daher und „schätzt“, so heißt es, statt Wissenschaftlern „Ideologen“, die zum Beispiel nicht an die Evolution und die „Belästigungen 10/2017: Hurra, wir retten die Wissenschaft! (es fragt sich nur, welche)“ weiterlesen

Belästigungen 09/2017: Der Wolfsmensch und seine Selbstverschlingung

Daß der Mensch des Menschen Wolf sei, ist eine uralte Binsenweisheit, die durch Wiederholung nicht wahrer wird. Schließlich ist der Wolf bekanntermaßen ein höchst soziales Wesen, das niemals auf die Idee käme, seine Rudelgenossen mit Verelendungsmaßnahmen wie Hartz IV zu schikanieren, um sich selbst eine noch fettere Wampe anfressen zu können. Gemeint ist der in allen möglichen Märchen herumlungernde Böse Wolf, bei dessen Antreffen aufgrund seiner sämtliches Maß überschreitenden Gier mit Sofortverschlingung zu rechnen ist, und zwar dermaßen sofort, daß einen ein gütiger Jäger problemlos unverdaut, fit und fidel aus der Wolfsplautze wieder herausschneiden kann. Und zwar ohne daß der Wolf das in seinem hypersatten Mittagsschlaf überhaupt mitbekommt.

Das wirkt, übertragen auf den Menschen, ein bißchen unrealistisch; die „Belästigungen 09/2017: Der Wolfsmensch und seine Selbstverschlingung“ weiterlesen

Frisch gepreßt #387: Dr. Will „Addicted To Trouble“

Wenn man bei Google „Dr. Will“ eingibt, erhält man ungefähr 1,23 Milliarden Treffer, darunter gefühlte 25 Frauen- und Zahnärzte aus oder vielmehr in München. Da fällt der unscheinbare Eintrag auf Platz eins gar nicht so auf: „Dr. Will – München“; na ja, noch so ein Genitalklempner oder Fotzenspengler, denkt man und erschrickt vor sich selbst: Huch, meine Dauerwelle! Was ist denn das für eine Denk- und Ausdrucksweise!

Kommt vielleicht von der Beschallung: Wer zwei ganze Tage damit verbringt, sich von Candelilla die Auffassungsgabe und das emotionale Grundgerüst so „Frisch gepreßt #387: Dr. Will „Addicted To Trouble““ weiterlesen

Belästigungen 08/2017: Wer weiß denn schon, wo der Marienplatz anfängt? (eine lehrreiche Anekdote)

„Hier versenkt die Stadt 72 Millionen!“ plärrte neulich eine Zeitung in selbige Münchner Stadt hinein. Wo? Das war nicht zu erkennen, ohne die Zeitung zu öffnen (was ich grundsätzlich unterlasse). Abgebildet war lediglich eine ehemalige, durch eine „Investition“ verschandelte Landschaft, die überall liegen könnte. Ist also: wurst.

Ist auch keine Sensation; schließlich sind Städte dafür bekannt, daß sie nach Belieben Orte und Gegenden finden, wo sich mal eben 72 Millionen versenken lassen. Korruption, Inkompetenz und Dummheit der kommunalen Politik schwingen sich stets zu titanischen Höhen auf, wenn es um „Investitionen“, also um das Versenken von Millionen durch Verwüstung von Landschaften und Zerstörung von Idyllen mittels Einbringung von Beton und Stahl geht. Andererseits sind 72 Millionen auch kein Pappenstiel. Die muß man (zumindest theoretisch) erst „Belästigungen 08/2017: Wer weiß denn schon, wo der Marienplatz anfängt? (eine lehrreiche Anekdote)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #386: Dear Reader „Day Fever“

Das letzte Lied ist immer das schönste. Das gilt freilich nicht für jedes Album. Es galt im seligen LP-Zeitalter, als die Popmusik neu, stürmisch und horizonterweiternd war, zumindest für viele Platten, auf denen nach dem vierten Stück auf Seite zwei scheinbar alles gesagt war und man sich abschließend noch dem wesentlichen widmen konnte.

Aber es gilt für jeden Abend. Wenn das Geknalle, Gerappe, Gerocke und Gerumpel verklungen ist und der Kopf mit leichtem Schwurbelschwindel die Dinge neu ordnet oder das zumindest versucht, wenn der Zapfhahn die letzten „Frisch gepreßt #386: Dear Reader „Day Fever““ weiterlesen