Frisch gepreßt #423: Milo & Elucid „Nostrum Grocers“

Daß der soeben vergangene Sommer ein Prachtexemplar eines solchen war, merkt man (auch) an gewissen Überdosierungen. Kein Seestrand, kein Flußufer, keine Freibadliegewiese, wo man nicht dauerbeschallt wurde mit Cloud Rap und seinen verästelten Ablegern: billige Tickerbeats, simples Synth-Geplömpel, mit Autotune auf Plastik gestyltes Geplapper über (pathetisch überhöht ausgedrückt) Identitäten und Gegenständlichkeiten. Eigentlich, sollte man meinen, ist damit der Hip-Hop-Bedarf für mindestens ein Jahr gedeckt und ein Interesse an noch mehr nicht mehr zu wecken. „Frisch gepreßt #423: Milo & Elucid „Nostrum Grocers““ weiterlesen

Frisch gepreßt #422: Featherwolf „In The Living Room“

South of no north: Im tiefsten Süden, den menschliche Phantasie sich vorzustellen vermag, wo die Geckos gelähmt im Schatten kochen, die Giftluft glüht, die Geister nur nachts leise seufzen, wo Blut, Schweiß und Tränen die Erde tränken und der Mensch in diabolischer Sünde ein Traumleben träumt, in diesem tiefsten aller Süden, wo weit im höchsten Norden nichts zu finden ist als Süden – dort bin ich einst Maria begegnet, die mich hineinwarf in einen brennenden erotischen Alpwunschtraum, aus dem es ein Erwachen nur im tiefsten Rausch gab. „Frisch gepreßt #422: Featherwolf „In The Living Room““ weiterlesen

Frisch gepreßt #421: Stone The Crows & Maggie Bell „The Best Of“

Ich erinnere mich an goldene Zeiten. Goldene Zeiten, die es, wie alle goldenen Zeiten, nur einmal gab: weil das goldene Zeiten so an sich haben, daß man nicht merkt, wie sie sich langsam anschleichen, und dann merkt man nicht, wenn sie vorbei sind, weil … tja, das weiß man auch nicht genau. Der Glanz reibt sich ab, das Gold erweist sich als Vergoldung auf einem wackeligen Gerüst aus Weichholz, das gewiefte Konstrukteure sodann durch Stahl und Glas ersetzen. Das glänzt nicht mehr richtig, aber man kann es überdimensional ausbauen.
Ich erinnere mich an die goldenen Zeiten, als die Verstärker richtig laut
wurden, „Frisch gepreßt #421: Stone The Crows & Maggie Bell „The Best Of““ weiterlesen

Frisch gepreßt #420: Years & Years „Palo Santo“

„Du darfst vieles tun, aber manches nicht: zum Beispiel dem Sailer mit gewissen Sachen kommen.“

„Aha, und was für Sachen sollen das sein? Und wieso darf ich das nicht?“

„Erstens: weil er eine Allergie gegen 90er-House, Autotune-Elektropop und Plastik-R&B hat. Zweitens: weil er dann notfalls alles zusammenschlägt, anschließend in ein Koma verfällt und danach drei Tage lang das ganze Viertel mit extrem krustigem Hardcore-Punk beschallt. Das kann niemand wollen!“

„O Gott, nein!“ „Frisch gepreßt #420: Years & Years „Palo Santo““ weiterlesen

Frisch gepreßt #419: Guns N‘ Roses „Appetite For Destruction (Deluxe Edition)“

Hey, weißt du noch, Sommer 1990? Was waren wir für snobistische, vom Leben und der Welt genervte Gammler! Hingen Tag und Nacht in denselben zerrissenen T-Shirts und Jeans und Turnschuhen in denselben Bars und Kneipen rum, streckten Koks mit Abführmittel und verschenkten es an Modetrottel am Tresen, fragten in jedem Club den DJ nach der neuen Stone-Roses-Single, kifften zwischendurch in Dachgeschoßen auf versifften Teppichen, hörten auf einem aschebestäubten, eiernden Dual-Plattenspieler knisternde und knackende obskure Import-EPs in Rauhfaserhüllen von
grunzenden, jammernden, über ihre Gitarren stolpernden Indiebands aus Texas, Helsinki und Alaska, „Frisch gepreßt #419: Guns N‘ Roses „Appetite For Destruction (Deluxe Edition)““ weiterlesen

Frisch gepreßt #418: Melody’s Echo Chamber „Bon Voyage“

„Melody!?“

„–“

„Melody! Wo steckt denn das Kind schon wieder?“

„Wo wird sie stecken? Vermutlich in ihrer Echokammer, wo sie mal wieder diese … Dinge tut.“

„Oh.“

„Na, wer hat ihr die Kammer denn eingerichtet und wohlwollend genickt, als sie all diese … Dinge hineingeschleppt hat, Trommeln, Instrumente und … na ja, „Frisch gepreßt #418: Melody’s Echo Chamber „Bon Voyage““ weiterlesen

Belästigungen 18/2018: Neues (und Altes) von der „Mutter“ (und dem Vater) „aller Probleme“

Migration, ließ der Bundesminister des Inneren und ehemalige bayerische Ministerpräsident neulich verlauten, sei „die Mutter aller politischen Probleme“. Bei all dem garstigen bis vollkommen hirnrissigen Sprechschaum, der aus amtierenden und ehemaligen Ministerpräsidenten für gewöhnlich so herausfurzt, ist es durchaus erfreulich, mal eine Aussage kolportiert zu bekommen, die ohne Abstriche durch und durch wahr ist.

Tatsächlich gäbe es ohne Migration keinerlei politische Probleme. Es gäbe noch nicht mal eine Politik, wenn man nicht das alltägliche Gesummsel, Gebrummsel, Gezeter und Gerausche der Flora und Fauna als solche interpretieren möchte. Bayern (zum Beispiel) wäre eine wunderschöne, herrlich florierende und faunierende Landschaft, vollkommen frei von „Belästigungen 18/2018: Neues (und Altes) von der „Mutter“ (und dem Vater) „aller Probleme““ weiterlesen

Frisch gepreßt #417: Remember Sports „Slow Buzz“

In der Popmusik gibt es Trends, Szenen, ganze Genres, die nie stattfinden. Zum Beispiel „Riot Grrl“ – war als Begriff vor einem breiten Vierteljahrhundert in aller Munde; wenn man sich heute zu erinnern versucht, fallen einem ein paar Namen ein, ein paar Gesichter von Pressefotos, aber hören tut man: nichts. Weil es keine Songs gibt.

Wie kommt so was zustande? Ganz einfach: In Wahrheit sind solche Sachen gar nicht in aller Munde (oder zumindest nicht in aller Ohr), sondern nur im Munde einschlägiger Trendjournalisten, die ihre Seiten und Formate füllen „Frisch gepreßt #417: Remember Sports „Slow Buzz““ weiterlesen

Belästigungen 17/2018: Dumm und frech, das passt zusammen! (ein paar sommerliche Randbemerkungen)

Unbeholfenheit ist bisweilen nervig. Wenn man zum Beispiel an einem unerwarteten Feiertag während der Touristen-Hochsaison (zwischen März und November) am Münchner Hauptbahnhof bloß schnell Tabak kaufen möchte und, nachdem man dem vierundzwanzigsten Ratlosen am Fahrkartenautomaten vergeblich zu erläutern versucht hat, was Streifen, Ringe, Zonen, Räume usw. sind, nicht mehr weiß, daß man das wollte, und deswegen nicht mal rauchen kann, um einen Tobsuchts- oder Ohnmachtsanfall abzuwenden: Da fällt es einem nicht mehr so leicht, die Unfähigkeit, mit der Welt einigermaßen souverän umzugehen, putzig oder rührend zu finden. Selbst das lustige Kleinkind, das zum fünften Mal in dieselbe Pfütze fällt und zum fünften Mal einen Schreikrampf kriegt, weswegen die Mama zum fünften Mal infantiles Zeug brabbeln und so tun
muß, als wäre die Pfütze superböse und das Kind total unschuldig, ist nicht mehr ganz so nett. „Belästigungen 17/2018: Dumm und frech, das passt zusammen! (ein paar sommerliche Randbemerkungen)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #416: Ry Cooder „Prodigal Son“

Regieanweisung: Straßenstaubwolken, Horizont (leuchtend, verschummert), diffuses Sonnenlicht, am rechten Bildrand ein einsamer Kaktus; von links Auftritt eines freundlichen älteren Mannes, der irgendwie nicht recht in die Szenerie paßt. Sprecherstimme aus dem Off.

Wir leben im Zeitalter der Jubiläen. Fast alles, was kulturell gegenwärtig von „Bedeutung“ ist, hat dreißig, fünfzig, manchmal hundert Jahre auf dem Buckel und führt eine Doppelexistenz in Museen und (weil wir hier bei Musik sind) Charts. Da kann schon mal was untergehen, vor allem wenn das Datum der
gewinnträchtigen Anniversierung nicht so ganz klar ist. „Frisch gepreßt #416: Ry Cooder „Prodigal Son““ weiterlesen