Reisen im Regal (20)

Sind wir wirklich immer noch so blöde, daß wir uns durch eine durchsichtige, niederträchtige, emotionsgeladene Minderheitenhatz das selbstverständliche Verständnis für den Andersdenkenden ausreden lassen?
Ich erwarte dringend Ihre Antwort. Es ist höchste Zeit.
Dieter Hildebrandt: Diese Art von Pöblizistik (1977)

When I have to listen to somebody from one of those American „think tanks“, I cannot help remembering that verdict of the Tao Te Ching: „Extreme cleverness is as bad as stupidity.“
J. B. Priestley: Outcries and Asides (1974)

Seit Beginn der Transportrevolution haben dennoch einige wenige Leute erkannt, daß im Verlangen nach Bewegung, Reise und Fahrt eher der Wunsch nach höherer Geschwindigkeit liegt als der, die Ferne und andere Orte kennenzulernen.
Paul Virilio: Ästhetik des Verschwindens (1980)

Es kann zum Beispiel keine Pflicht sein, eine bestimmte, etwa eine politische Gesinnung zu haben. Zwar neigen revolutionäre und totalitäre Systeme in der Neuzeit immer wieder dazu, die Pflichten ihrer Bürger auch auf die Gesinnungen auszudehnen. Aber sie verraten dadurch nur ihre tiefe innere Unsicherheit und verstricken sich bei den Versuchen, die vermeintlich pflichtgemäßen Gesinnungen zu kontrollieren, in einen Wirrwarr innerer Krisen. Es kann ferner keine Pflicht sein, etwas zu glauben.
Wolfgang Trillhaas: Ethik (1970)

For groups to take the law into their own hands is an old American custom. It happened in colonial days and there was more of it at the time of the Revolution. The Boston Tea Party was such an incident. We remember it lightheartedly. But no one can be as complacent about the tarring and feathering, the riding on a rail, that our Revolutionary ancestors inflicted on their neighbors who persisted in loyalty to George III.
John W. Caughey: Their Majesties the Mob (1960)

Wenn es eine Gefahr für die Bundesrepublik gibt – und ich will nicht leugnen, daß ich eine ziemlich große Gefahr schon heute sehe –, dann liegt sie nicht in diesen abscheulichen und dummen Akten selbst, sondern in der durch sie ausgelösten staatlichen Überreaktion.
Iring Fetscher: Die perverse Dialektik dieses Denkens (1977)

Etwas Erschütterndes war in der Tat diese buchstäblich nackte Existenz, die wir noch niemals grausamer an uns erfahren hatten. Schon im Gefängnis hatte ich das mehrmals erlebt. Ein Schmerz, der mir stets tief durch die Seele fuhr. Und die „neuen“ Kleider waren Sträflingskleider – zum erstenmal in meinem Leben. Wahllos und brutal wurden sie uns hingeworfen. Hastig und angstvoll bemühte sich jeder, auch noch die Füße mit den „neuen“ Schuhen zu versöhnen. Dann musterten wir uns mit großen Augen – eine „Vogelscheuche“ war das neue Bild. Es sollte noch lange bleiben.
P. Johannes Maria Lenz: Christus in Dachau (1956)

Ich erwarte den Schmutz, der hier auf Andersdenken steht.
Martin Walser: An die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (1977)

Die Guillotine der Revolution steht still, und ihr Beil rostet – mit ihm verrostet vielleicht auch manches Große, und das Gemeine, in der Sicherheit, daß ihm nicht mehr der Kopf abgeschlagen werden kann, erhebt gleich dem Unkraut sein Haupt.
Christian Dietrich Grabbe: Über unsere Zeit (1830)

Blurry, warum bist du weggelaufen?
Ich wollte die Welt entdecken … antwortete Blurry.
Und hast du sie entdeckt?
Oh, ich habe viel, sehr viel gesehen, und ich bin ein sehr kluger Bär jetzt.
Das weiß ich. Aber ich frage, ob du die Welt entdeckt hast?
Nein … eigentlich nicht. Ich konnte die Welt nicht finden!
Anne Frank: Blurry (1944)

Zu Nefedows Gewohnheiten gehörte es, die Menschen durch unerwartete Handlungen und unerwartete Worte in Erstaunen zu versetzen sowie unvermittelt das Haus zu verlassen. Wohin er dann fuhr und wozu, teilte er den Seinen nie mit, und ihn zu fragen wagten sie auch nicht – die Angst von früher steckte noch in ihnen. Vor Zeiten hatte er fest geglaubt, daß Fragen stellen ein Vorhaben zum Scheitern verurteilt: „Die ganze Fragerei führt zu nichts Gutem.“
Iwan Bunin: Klascha (1914)

El Professor hatte sich schon wieder in Marsch gesetzt. In derselben Sekunde jedoch stolperte er über eine dicke Baumwurzel und fiel der Länge nach hin. Mit den Armen bis zum Ellbogen und mit dem Gesicht bis zu den Ohren steckte er im Schlamm. Das war der Grund, warum er jetzt nicht antworten und die Beförderung sofort bestätigen konnte.
B. Traven: Die Rebellion der Gehenkten (1936)

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