Frisch gepreßt #384: Bonobo „Migration“

Die Welt riecht anders, wenn der Winter müde wird, wenn seine Wurzeln in der Welt locker werden, sich langsam auflösen in die schmutzige Mischung aus Schlamm, Kies, Restschnee, die dann unter beharrlicher Sonnenbestrahlung, umweht von milder Luft, zu Staub zerfällt, ein friedliches Schlachtfeld zurückläßt, auf dem – ist es wirklich erst Tage her – Frostkälte ihre grimmigen Waffen in Anschlag brachte, an die man sich nun kaum noch erinnert, nur in stillen Abendstunden, wenn der Winter mit der Dämmerung noch einmal die Muskeln spannt. „Frisch gepreßt #384: Bonobo „Migration““ weiterlesen

Frisch gepreßt #383: Joan of Arc „He’s Got The Whole This Land Is Your Land In His Hands“

Das Leben eines Rockmusikers stellte man sich früher unfaßbar sagenhaft vor: So ein Mensch erwachte nachmittags zwischen seidenen Laken und nackten Leibern in der 27. Etage eines Luxushotels, mild beschienen von der Sonne über den Hügeln von Hollywood, nahm ein Champagnerbad in der Kristallglaswanne, schnupfte Diamantkoks von Silberspiegeln, ließ sich im Rolls Royce Phantom zur ausverkauften Arena fahren, riß zwei Stunden lang die Welt der träumenden Teenager aus den Angeln, strahlend im Licht der Millionen-Dollar-Lasershow, sprang wieder in den Rolls und entschwand in die „Frisch gepreßt #383: Joan of Arc „He’s Got The Whole This Land Is Your Land In His Hands““ weiterlesen

Frisch gepreßt #382: The Sweet „Desolation Boulevard“

Professor Mattenschlepp, inhäusiger Experte für die populäre Musik des letzten Jahrhunderts, wagt zu Jahresbeginn eine Prognose: „2017 wird ein Jahr, in dem kaum ein bedeutender Popstar sterben wird. Weil fast alle schon tot sind.“

Hm, mucken wir vorsichtig auf, und was ist mit Sweet bzw. The Sweet, wie sie bis Ende 1974 hießen? Die sind doch immer noch auf Abschiedstour, seit Ende 1974 genau genommen, oder 1978 oder 1988 oder seit wann auch immer, jedenfalls: sind sie noch, nicht wahr? „Ja“, säuselt Prof. Mattenschlepp mit „Frisch gepreßt #382: The Sweet „Desolation Boulevard““ weiterlesen

Frisch gepreßt #381: Enemies „Valuables“

Manchmal muß man sich ein Stück entfernen, nicht da sein, damit man die Dinge genau(er) sieht. Das gilt auch, gerade und besonders in dieser seltsamen Zeit, wo alles immer schneller wird, als wäre die ganze Welt in ein Zyklotron gestürzt, bis dann auf einmal alles stillsteht und man tagelang aus Fenstern in den stummen Schein hinausblickt. Da glitzert die Luft im pulsierenden Sonnenglanz vor winzigen Kristallen, denen man sich nähert und feststellt, daß es Erinnerungen sind. „Frisch gepreßt #381: Enemies „Valuables““ weiterlesen

Frisch gepreßt #380: Howe Gelb „Future Standards“

Am Rande der gewaltigen Wüste, die ich meine Lebensgeschichte nennen könnte, lebt in seiner buckeligen Kate ein Einsiedler, der sich dorthin zurückgezogen hat, um den Menschen so fern und dem Nichts so nahe zu sein wie nur möglich, ohne sich den einen ganz zu entfremden und dem anderen gänzlich zu verfallen. Hin und wieder laufen wir uns über den Weg; dann erzählt er ein paar von seinen verschrobenen, verwinkelten Geschichten, und wir ziehen wieder unserer Wege. „Frisch gepreßt #380: Howe Gelb „Future Standards““ weiterlesen

Frisch gepreßt #378: Streets of Laredo „Wild“

Seit Tagen kauert der Rezensent im Schrank und gibt keinen Mucks von sich. Grund ist ausnahmsweise nur zum Teil die alljährlich zuverlässig über ihn hereinbrechende Herbstelei, das Schwelgen in der von der Vergeblichkeit alles Tuns und Seins heraufbeschworenen Melancholie, sondern ein fehlgeleiteter Selbstversuch: Um zu überprüfen, ob er modernen Standards der Popmusikproduktion noch standzuhalten imstande ist, hat er sich der Reihe nach den neuen Alben von Bon Jovi, dem ehemaligen Spice Girl Melanie C und Robbie Williams (nebst einigen weiteren Produkten) ausgesetzt, wodurch sich „Frisch gepreßt #378: Streets of Laredo „Wild““ weiterlesen

Frisch gepreßt #376: Van der Graaf Generator „Do Not Disturb“

Wenn man drei Wochen lang toujours das (wegen des langen Vorlaufs nach wie vor und weiterhin) neue Album von De La Soul gehört hat, ist der Bullshit-detector in einem Maß geschärft, das für musikalische Schwächlinge lebensgefährlich ist: Freilich ist der Hunger nach neuen Beats, Tracks, Songs, Texten nach wie vor da und akut, aber kaum bis nicht befriedigend, schon gar nicht gewohnt orgasmisch zu stillen, egal was man hineinschüttet in den Musikverdauungsapparat: „Frisch gepreßt #376: Van der Graaf Generator „Do Not Disturb““ weiterlesen

Frisch gepreßt #375: Warpaint „Heads Up“

Es ist so eine Sache mit den „next big things“: Jeder will es werden, aber keiner mag es gewesen sein, weil es nämlich kaum etwas Älteres und Ranzigeres gibt als das „next big thing“ vom letzten (oder notfalls diesem) Sommer. Mitleid gebührt den Trendverkündern, die sich auf ein „next big thing“ einigen und festlegen und das dann durchziehen müssen, weil schließlich das, was mal ein „next big thing“ war, nicht plötzlich irrelevant werden kann. Dann hat man so etwas womöglich ein Leben lang am Hals und wird es nicht mehr los, außer es löst sich von selbst auf. Dem „next big thing“ folgt für gewöhnlich ein zweites Album, „Frisch gepreßt #375: Warpaint „Heads Up““ weiterlesen

Frisch gepreßt #373: Die Höchste Eisenbahn „Wer bringt mich jetzt zu den anderen?“

Es gibt Leute, die finden es schade, daß die späten 60er so lange her und überhaupt vergangen sind. Weil da alles so anders war, so locker und lustig, frei, unbeschwert und bunt. Menschen flogen zum Mond, zogen in Kommunen aufs Land, ließen sich die Haare wachsen, diskutierten nächtelang über das gute Leben und gaben so viel auf gesellschaftliche Konventionen (Ruhe! Anstand! Ordnung! Krawatte!), wie die Menschen heute auf das Gegenteil geben. Musik hörte man mit schwingenden Batiktüchern und einer Tüte voller indischer Rauchkräuter im Mund, und wenn man heute eine tolle Idee hatte, war es morgen schon wieder eine andere. „Frisch gepreßt #373: Die Höchste Eisenbahn „Wer bringt mich jetzt zu den anderen?““ weiterlesen

Frisch gepreßt #369: Marvin Gaye „Volume Three – 1971-1981″

Das Leben geht manchmal viel zu schnell. Man dreht sich dreimal um, schon ist es dahin, eine Epoche vorbei, hat sich alles verändert, ohne daß man es bemerkt hätte oder auf einen Punkt deuten könnte, an dem etwas verschwunden wäre.

21. Mai 1971: Ein Berliner Gericht verkündet die Urteile im Prozeß um die Befreiung des Kaufhausbrandstifters Andreas Baader. Die meisten Beteiligten, auch Baader selbst, bereiten derweil im Untergrund einen Guerillakrieg vor und haben einen Monat zuvor ihr Manifest „Das Konzept Stadtguerilla“ veröffentlicht. „Frisch gepreßt #369: Marvin Gaye „Volume Three – 1971-1981″“ weiterlesen

Frisch gepreßt #370: David Bowie „Hours“ (Remastered)

Wir müssen noch mal über David Bowie sprechen. Sollte man sowieso, da ist jeder Anlaß recht, auch der, daß zu seinem halbten Todestag oder halbten Siebzigsten jene drei Alben noch mal (man frage nicht, zum wievielten Mal) neu erscheinen, mit denen er nach dem abstinenzinduzierten Abstieg und dem Untergang mit Tin Machine ab Mitte der 90er künstlerischen Suizid beging und sich wiederfand.

Die 80er hatten den Mann, der im Jahrzehnt zuvor wie kein anderer aus tobendem Chaos triumphale Klarheit und hinreißende Schönheit geschöpft hatte, versehrt: 1990 gab es David Bowie nicht mehr. „Frisch gepreßt #370: David Bowie „Hours“ (Remastered)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #368: Barclay James Harvest „Everyone Is Everybody Else“

Die Erinnerung ist eine Trickdiebin: Fühlig zwitschernd gaukelt sie ihrem umgarnten Opfer Dinge vor, an die es sich vermeintlich – eben – erinnert, die als krauses Gewolke vor einem inneren Horizont erstehen und (weil wir Kinder unserer Zeit und Methoden sind) hollywoodmäßig vertont sind. Einwänden statistischer und archivalischer Natur entgegnet sie schlau lächelnd, es gebe dem zufällig vor zwei Jahren (vielleicht in diesem Sinne nicht) verstorbenen Physiker Hans-Peter Dürr zufolge weder Materie noch Energie, sondern nur etwas Verbindendes ohne materielle Grundlage, was man Geist nennen könnte. Also alles hinfällig, (gedachter) Punkt „Frisch gepreßt #368: Barclay James Harvest „Everyone Is Everybody Else““ weiterlesen

Frisch gepreßt #367: Annett Louisan „Berlin – Kapstadt – Prag“

In der geschlossenen Abteilung für schwere Fälle von Konsensverweigerung herrscht Unruhe, weil ein Langzeitpatient prominenten Besuch empfängt, dessen Zahl den bescheiden bemessenen Mediationsraum für Begegnungen von Drinnen und Draußen zu sprengen droht. Der zum Zwecke einer friedlichen Übereinkunftsanstrebung hinzugezogene Therapeut weist zunächst auf ein nicht unwesentliches Faktum hin:

„Geteilter Meinung zu sein, meine Damen und Herren, bedeutet nicht, wahllos bei Facebook geposteten Bullshit im Chor nachzuplärren.“ „Frisch gepreßt #367: Annett Louisan „Berlin – Kapstadt – Prag““ weiterlesen

Frisch gepreßt #366: Zuckerklub „Jeden Moment mit Myri am See“

Neulich saß ich mit Chio und Marlen in ziemlicher Seenähe in der Wiese, und während Rudi (auf dem Cover: 3. v. l.) wie eine plötzlich aus der Hege der Zivilisation herauserumpierende Verkörperung der wilden Natur durch die Gegend schoß, Hasen verbellte (oder begrüßte?) und sich in den sumpfigen Froschteich schleuderte, ratschten wir müßig über die Welt und fanden von München nach Berlin, landeten von Berlin wieder in München. „Frisch gepreßt #366: Zuckerklub „Jeden Moment mit Myri am See““ weiterlesen

Frisch gepreßt #365: Wire „Nocturnal Koreans“

Es gibt Gegenstände, die müßten, wenn sie mit der Post verschickt werden sollen, in ein unbemanntes Raumschiff gepackt und per Wurmloch durch 47 Dimensionen gejagt werden, wodurch ein elementarer Reinigungsprozeß in Gang gesetzt wird, der alles zerblippen läßt, was die reine Substanz verschleiert. Musik, etwa: Am Ende landete in zeitloser Ewigkeit das schimmernde UFO in ortlosen Räumen, bepackt mit einer kleinen Box mit ganz wenigen silbrigen Scheiben, die fast alle das Signet „Wire“ tragen. „Frisch gepreßt #365: Wire „Nocturnal Koreans““ weiterlesen