Frisch gepreßt #415: Die Nerven „Fake“

Der Widersinn ist dem Leben des Menschen als Grundprinzip und -bedingung eingepflanzt. Zum Beispiel A und K: Zwei Jahre lang galten sie in ihrem Kreis als Vorzeige- und Idealpaar, schätzten und liebten und kümmerten sich umeinander, lächelten ein Lächeln und lebten ein Leben, mit ein paar zwistigen Entsöhnungen hier und da und dann, die stets zuverlässig in noch mehr Versöhnung mündeten. Dann beschloß A, sie fühle sich eingeengt und es müsse auf der Welt noch mehr geben als Zufriedenheit, intellektuell-emotionalen Einklang und perfekten Sex. „Frisch gepreßt #415: Die Nerven „Fake““ weiterlesen

Frisch gepreßt #409: Olli Schulz „Scheiß Leben, gut erzählt“

Wie der Ratzingerplatz Mitte der 70er ausgeschaut hat und wie romantisch das war: Erzähl das doch dem Olli, der macht ein Lied draus. Menschen haben seltsame Gewohnheiten, erleben seltsame Sachen und tun komische Dinge, von denen sie manchmal selber nicht so genau wissen, warum sie sie eigentlich tun. Solange niemand daherkommt und Zusammenhänge aufzeigt. Also Olli Schulz. „Das Essen bei meiner Oma war immer etwas sonderbar. Das wurde mir leider viel zu spät erst klar“, singt der dann zum Beispiel. Und stellt fest, daß nicht nur Omis Erbsensuppe „schmeckt, wie Pisse riecht“, sondern „Frisch gepreßt #409: Olli Schulz „Scheiß Leben, gut erzählt““ weiterlesen

Frisch gepreßt #408: Fleetwood Mac „Fleetwood Mac“ (Expanded Edition)

Wie Gewalt zwischen Menschen funktioniert, privat: das fragen Sie am besten (oder zweit-, dritt-, fünftbesten) mal Stevie Nicks.
Wir vernehmen ein leises Grummeln: Stevie wer? etwa die von Fleetwood Mac, diesem weichgespülten Schlagerpop-Dinosaurier aus Kalifornien, der mit seinen aufdringlichen Honigbomben „Go Your Own Way“ und „Don’t Stop“ seit vier Jahrzehnten das Autoradio verstopft und dafür sorgt, daß die auf dem Rücksitz kauernden Kinder die „Rockmusik“ erst zerschlagen, dann ganz neu erfinden, dann verbrennen und schließlich gar nichts mehr davon wissen „Frisch gepreßt #408: Fleetwood Mac „Fleetwood Mac“ (Expanded Edition)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #405: Icarus The Owl „Rearm Circuit“

Schallplatten sind rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.

„Schallplatten? Wovon redet er denn jetzt wieder?“

Zudem ist diese nicht nur rund, sondern offiziell gesprochen: „coke bottle clear“, also minimal blaugrün schattiert, aber durchblickdurchsichtig. Man kann sie rotierend vor die Welt stellen, auf Dinge legen und den erstaunlichen Effekt erleben, durch die Welt hindurch und hinter die Dinge blicken zu können, die dabei in anderem Licht erscheinen. Veränderte Wahrnehmung induziert Einsicht in kosmische Relationen. „Frisch gepreßt #405: Icarus The Owl „Rearm Circuit““ weiterlesen

Frisch gepreßt #401: The Darkness „Pinewood Smile“

Mein Horoskop sagt: „Offenheit bringt Sie weiter! Zeigen Sie sich Ihren Liebsten, wie Sie wirklich sind!“ Nun, meine Liebsten, dann sei’s gesagt: Ich LIEBE The Darkness.

Habt ihr auch mal getan, vor vierzehn Jahren einen halben Sommer lang und halbironisch? Ja, das ist der Unterschied: ich nicht. Wenn sämtliche Spatzen etwas von den Dächern zwitschern, tritt mein natürlicher Verweigerungsmechanismus in Kraft und läßt mich das Bezwitscherte mindestens mißtrauisch beäugen. Damals: habe ich gar nicht richtig hingehört. „Frisch gepreßt #401: The Darkness „Pinewood Smile““ weiterlesen

Frisch gepreßt #400: Slade „Alive!“

Es soll auf diesem Planeten Menschen geben, die dieses Album nicht besitzen, obwohl es nun schon zum (gefühlt und in diversesten Ausgaben) 45. Mal erscheint, 45 Jahre nach dem ersten Erscheinen, mit dem damals eine Manie-Lawine losbrach, wie sie die Welt seit den ganz frühen Tagen der Beatles nicht mehr erlebt hatte.

Es soll Leute geben, die Slade überhaupt nicht kennen. Oder höchstens von einem Weihnachtsparty-Ungetüm namens „My Oh My“, das … nein, von dem wir heute mal einfach nicht sprechen wollen. Nachhilfe: Slade (Noddy Holder, „Frisch gepreßt #400: Slade „Alive!““ weiterlesen

Frisch gepreßt #399: Sparks „Hippopotamus“

Darf ich einleitend erwähnen, daß ich momentan (Donnerstag, kurz vor Mitternacht) in einem mindestens zehn Jahre alten Morrissey-T-Shirt (die „Formel-eins“-Kollektion) eineinhalb Meter neben meinem Lieblingszapfhahn sitze (Hintergrundmusik: „Centerfold“ von der J. Geils Band)? Doch, das spielt eine Rolle (das in Klammern nicht).

Weil: es gibt da eine Geschichte. Da ist Morrissey (ohne Zweifel der stil- und geschmackssicherste, belesenste und behörteste, nerdmäßig gebildetste und möglicherweise eloquenteste Populärmusiker des 20. und 21. Jahrhunderts; „Frisch gepreßt #399: Sparks „Hippopotamus““ weiterlesen

Frisch gepreßt #395: Mammút „Kinder Versions“

Herzlich willkommen im Museum der großen, der unvergänglichen Kunstpop-Damen! Wie Sie sehen, ist unser Haus von bescheidener Größe, aber sie werden sich aus dem Chemieunterricht erinnern, daß ein kleines Stück Gold durchaus mehr Gewichtigkeit vorweisen kann als ein ebensolches aus Pappendeckel. Und sehen Sie, wir sind relativ streng, was unsere Aufnahmekriterien betrifft, und dann ist es ja auch so, daß Frauen im Kunstpop generell unterrepräsentiert sind. „Frisch gepreßt #395: Mammút „Kinder Versions““ weiterlesen

Frisch gepreßt #394: The Popguns „Sugar Kisses“

Manchmal stößt man sehr unverhofft auf Sachen, die man längst kennen sollte. Zum Beispiel der Musikchronist, der seiner Pflicht nachgeht und sich alles, was man aktuell kennen sollte, tapfer und eisern anhört. Dem können sommerbedingt auch mal die Nerven reißen, wenn er an einem mit juniendetypischer Frische lockenden Traumtag im Alphabet bei „Lo“ anfängt und nach einer langen Stunde mit London Grammar und Lorde mal wieder ernüchtert feststellt, wie betrüblich, öde, lähmend und die Fantasie mit plastikschaumgefüllten Kissen im Halbschlaf stickmeuchelnd das alles ist, was ihm die Trendindustrie als führend, wichtig und prägend andrehen möchte. „Frisch gepreßt #394: The Popguns „Sugar Kisses““ weiterlesen

Frisch gepreßt 392: Dan Auerbach „Waiting On A Song“

„Wir brauchen wasserdichte Kopfhörer!“

Der Ruf der euphorisierten Begleiterin bleibt (wg. Unterwasser) zunächst ungehört, wird wiederholt, als sie sich weigert, den Wasserfall aufzusuchen, wie sich das in diesen Zeiten gehört, weil sie lieber weiter lauschen, sich euphorisieren lassen möchte von den Klängen, die ihren Lauschmuscheln entdringen und insektenschwarmartig die schwüle Luft durchcircen.

„Gibt es nicht, vermutlich.“ „Frisch gepreßt 392: Dan Auerbach „Waiting On A Song““ weiterlesen

Frisch gepreßt #389: Liann „Goldjunge“

Sagt dies den (frisch) Verlassenen dieser Erde: Musik hilft!
Oder so: Wenn alljährlich zwischen der Aprilmitte und den Eisheiligen der Winter noch einmal sein graukrauses Haupt erhebt, es vor die Sonne reckt und deren Strahlen mit klirrendem Froststurm und flockendem Schneegeschmeiß unterbindet, stellt sich bei Menschen, deren mindestens sonnenhaft strahlender Glückstraum aus dem Spätmärzsommer im Zweitwinter auf einem verwehten Abstellgleis langsam zu Stein gefriert, eine seltsame nostalgische Mixtur ein. Die Erinnerung an die jüngste Bauchlandung „Frisch gepreßt #389: Liann „Goldjunge““ weiterlesen

Frisch gepreßt #391: The Beatles „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (Super Deluxe Edition)“

„What’s so funny about peace, love and understanding?“ fragten Nick Lowe und Elvis Costello in einer Zeit, als es gerade sehr modisch war, derlei Kram nicht mal mehr lustig, sondern höchstens peinlich zu finden. Das heißt: in der Popkultur. Die übrige Welt hatte sich nicht verändert seit 1967, als die Beatles so ziemlich alles lustig fanden: Da herrschte Krieg, je nach Gegend heiß oder kalt, getragen und untermauert vom universellen Klassenkrieg, gefiedert mit sozialen Spannungen, Terrorismus, aufgewiegelten „Rassenunruhen“ und all den Dingen, die der Mensch so anrichtet, wenn man ihn läßt. „Frisch gepreßt #391: The Beatles „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (Super Deluxe Edition)““ weiterlesen

Frisch gepreßt #390: Diana Krall „Turn Up The Quiet“

Wenn es im Jazz um Liebe geht, dämmert am rosa Horizont meist ein verwandtes Genre heran, das der Fachmann als „Kazz“ kennt, gerne auch verbrämt als „Quitch“ oder „Shmaltz“. Da blüht die Geige, wabert der Nebel, trocknet der Martiniring unter dem längst abgeräumten Glas zu honigener Klebrigkeit, und die alten blauen Augen schimmern verzöglich im Halbdunkel der endlosen Winzigstunden, gräulich bald und erinnerungsschwanger.

Da herrscht Verläßlichkeit, wie sie das in toten Genres oft und unumschränkt tut: Die Akkorde perlen vertraut und blue, die Drahtbesen behauchen Becken „Frisch gepreßt #390: Diana Krall „Turn Up The Quiet““ weiterlesen

Belästigungen 10/2017: Hurra, wir retten die Wissenschaft! (es fragt sich nur, welche)

Kein Tag ohne Schreckensmeldung von Le Frisur im Weißen Haus. Neuerdings, so hört man, ist die Wissenschaft in Gefahr. Und zwar nicht weil weltweit die Mächtigen seit langer Zeit und mit Erfolg alles dafür tun, aus Universitäten und Forschungsinstituten marktkonforme Modulfabriken zu machen, die oben innovative (meist: Militär-)Technik und unten effektiv gedrillte Billigarbeitssklaven ausspucken.

Nein, das stört ja niemanden, schließlich ist es gut für das Wachstum und sowieso alternativlos wegen so Sachzwängen, „Fachkräftemangel“ oder „Bildungsoffensive“ oder wie die Quatschparole halt grad lautet, was soll’s. Aber jetzt kommt der Donald daher und „schätzt“, so heißt es, statt Wissenschaftlern „Ideologen“, die zum Beispiel nicht an die Evolution und die „Belästigungen 10/2017: Hurra, wir retten die Wissenschaft! (es fragt sich nur, welche)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #386: Dear Reader „Day Fever“

Das letzte Lied ist immer das schönste. Das gilt freilich nicht für jedes Album. Es galt im seligen LP-Zeitalter, als die Popmusik neu, stürmisch und horizonterweiternd war, zumindest für viele Platten, auf denen nach dem vierten Stück auf Seite zwei scheinbar alles gesagt war und man sich abschließend noch dem wesentlichen widmen konnte.

Aber es gilt für jeden Abend. Wenn das Geknalle, Gerappe, Gerocke und Gerumpel verklungen ist und der Kopf mit leichtem Schwurbelschwindel die Dinge neu ordnet oder das zumindest versucht, wenn der Zapfhahn die letzten „Frisch gepreßt #386: Dear Reader „Day Fever““ weiterlesen