Frisch gepreßt #341: Palma Violets „Danger In The Club“

Einen Urknall erkennt man manchmal nicht unbedingt daran, was plötzlich alles da ist, sondern vielmehr an dem, was plötzlich nicht mehr da oder zumindest nicht mehr sicht- und unterscheidbar ist.

Zum Beispiel war die gesamte Popmusik vor ungefähr zweieinhalb Jahren, als die erste Single der Londoner Band Palma Violets erschien, mit einem Schlag ziemlich leer: Da surrten und bifften im riesigen Nichts lediglich ein paar belanglose, weitgehend identische Elementarteilchen herum, während der gesamte gerade scheinbar noch so bunt wimmelnde Kosmos überstrahlt und erleuchtet war vom tiefblauen Licht, von der dunkel wogenden Energie einer Band, mit der niemand im Traum gerechnet hatte.
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Belästigungen 13/2015: Von der umgekehrten Kompatibilität des Krenweiberls (eine erzkonservative Tirade)

Ein guter Freund hatte neulich ein Computerproblem, das relativ typisch ist: Er lud sich ein paar Programme runter und stellte nach kurzer Zeit fest, daß diese Programme „Updates“ verlangten, die mit seinem „alten“ Betriebssystem nicht kompatibel waren, sondern nur mit einem mindestens mittelalten, am besten aber neuen. Neue Betriebssysteme funktionieren grundsätzlich selten, und wenn doch, legen sie nicht mehr ganz neue Computer zuverlässig so lahm, daß deren Benutzer täglich ungefähr so viel Zeit damit zubringen, lustig animierte Eieruhren und Brummkreisel anzuglotzen, wie man früher damit zubrachte, Bücher zu lesen, Gespräche zu führen, zum Baden zu fahren, im Wald spazieren zu gehen, Eis zu essen und Sex zu haben. „Belästigungen 13/2015: Von der umgekehrten Kompatibilität des Krenweiberls (eine erzkonservative Tirade)“ weiterlesen

Belästigungen 12/2015: Eine Marginalie, freilich, aber so fängt es doch immer an (oder auch nicht)

In den letzten Jahren ist viel von Demokratie, Bürgerrechten und Zivilcourage die Rede – vor allem in der Auslandsberichterstattung, wo es darum geht, dem deutschen Bürger schmackhaft zu machen, daß zwecks Erlangung dieser „Werte“ in anderen Ländern Umstürze, Staatsstreiche und Militäreinsätze unabdingbar sind. Wie gut, salbadern dann stets die Kommentatoren, daß es bei uns eine Verfassung gibt, die die Grundrechte schützt.

Jawohl, gut so, und daß die bayerische Verfassung kaum noch einer kennt, ist ja wurst, solange wohlmeinende Behörden und Beamte dafür sorgen, daß sie weiterhin getreu umgesetzt wird. Verfassungen allerdings gibt es anderswo auch; da steht indes möglicherweise nicht überall etwas von der Zugänglichkeit und Allgemeinverfügbarkeit des öffentlichen Raums drin. „Belästigungen 12/2015: Eine Marginalie, freilich, aber so fängt es doch immer an (oder auch nicht)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #340: Blur „The Magic Whip“

Wie unfaßbar bedeutend und absurd depptrottelig lächerlich zugleich Popmusik sein kann, zeigt kaum ein Casus so beispielhaft wie die legendäre „Rivalität“ zwischen Blur und Oasis in der Goldenen Ära des Britpop vor zwanzig Jahren. Da scherte sich eine ganze (internationale) Nation ein paar Wochen und Monate lang um kaum etwas als die Hin-und-Her-Schimpferei zweier Popgruppen bzw. ihrer Hauptprotagonisten, Mitarbeiter und Fans. „Frisch gepreßt #340: Blur „The Magic Whip““ weiterlesen

Belästigungen 11/2015: Schleichende Demütigung zwischen Panzerbolidenampeln und sündigem Bauch

Einer der fiesesten Tricks moderner Herrschaft ist die schleichende Demütigung. Die sieht man zum Beispiel an Ampeln: Weil sich München aus Gründen der Propaganda als Stadt der Fußgänger und Radfahrer aufführen muß (um nicht am Ende „lebensunwert“ zu werden), weist man zum Beispiel unsere Straße als „Fahrradstraße“ aus. Das heißt, man klebt entsprechende Beschriftungen aus Plastikteer auf die Fahrbahn, die, wenn bei Temperaturen über null Grad Autos drüberfahren, nach ein paar Tagen unlesbar verschmiert sind, und stellt hier und da noch mehr Schilder auf, als sowieso schon herumstehen.

Ansonsten hat das Ganze keinerlei Wirkung. Die Autofahrer mit ihren Panzerboliden brettern mit dem Telephon am Ohr hindurch wie eh und je und stellen ihre Panzerboliden in die wegen den immer fetter werdenden Panzerboliden nötigen Querparkplätze so hinein, daß die auf den Bürgersteig flüchtenden Radler garantiert nicht mehr durchkommen (ebensowenig wie die Fußgänger, aber die haben ja in einer „Fahrradstraße“ sowieso nichts verloren), „Belästigungen 11/2015: Schleichende Demütigung zwischen Panzerbolidenampeln und sündigem Bauch“ weiterlesen

Frisch gepreßt #339: Vierkanttretlager „Krieg & Krieg“

Unser Rezensent hat ein ernstes Problem mit Bezugsdeppen. Bezugsdeppen, das sind Menschen, die, statt eine Sache zu würdigen, einen Bezug zu einer anderen Sache herstellen und sie damit abtun. Also zum Beispiel findet jemand eine wunderschöne Glasperle im Dreck an der Bushaltestelle, zeigt sie dem Bezugsdeppen, und der Bezugsdepp sagt: „Na ja, eine Perle halt. Sieht bißchen so aus wie die, die ich letztes Jahr im Wald gefunden habe. Hab ich weggeworfen, weil ich schon eine zu Hause hatte.“ „Frisch gepreßt #339: Vierkanttretlager „Krieg & Krieg““ weiterlesen

Belästigungen 10/2015: Ich und die Krakenschwester bei der Toten Armee (inkl. Farbeinspritzung und DNA-Kneifzange)

Die Finger sind manchmal kaum mehr als ein Werkzeug, das das Unterbewußtsein (oder das Überbewußtsein? Wer weiß so was schon!) einsetzt, um seinem Protest gegen die Zumutungen des Alltags ein Ventil zu verschaffen, das ordentlich zischt.

Das zeigt sich bei der Haupttätigkeit des modernen Tätigkeitlers: dem Drauftippen auf Tasten, wodurch angeblich sinnvolle „Informationen“ erzeugt werden, die man dann hinaussenden kann in die Welt, damit die Menschen zu informierten Menschen werden und ihre Lebensqualität ein Ausmaß erreicht, das vor dem Informationszeitalter ungeahnt war – also etwa im Garten Eden, dessen Bewohner über keinerlei Information verfügten, abgesehen von einem vagen botanisch-disziplinarischen Hinweis (und übrigens auch keinerlei Tätigkeit nachgingen). „Belästigungen 10/2015: Ich und die Krakenschwester bei der Toten Armee (inkl. Farbeinspritzung und DNA-Kneifzange)“ weiterlesen

Belästigungen 09/2015: Vom Kirschbaum, den Liebenden und der Frage, was passiert, wenn alle das Richtige tun

Der Mensch ist so versessen auf Sensation und Neuklimbim, daß ihm bisweilen aus dem Hirn rutscht, wie wunderbar wundersam und glückbringend die und ausschließlich die Dinge sind, die immer (fast) gleich wiederkehren (und die einem im täglichen Geplümpel der Gesellschaftsdampfmaschine deswegen ebenfalls aus dem Hirn flutschen).

Oder so: Wenn der Kirschbaum blüht und man mit dem Lieblingsmenschen unter dem leuchtend weiß beschäumten und beflockten, vom Vogelvolk mit Tirili umwobenen Geäst im Gras liegt, tut, was Liebende seit Jahrmillionen tun, „Belästigungen 09/2015: Vom Kirschbaum, den Liebenden und der Frage, was passiert, wenn alle das Richtige tun“ weiterlesen

Belästigungen 08/2015: Als wir da da waren, war da kein da da (oder: Das Schwarze Phantom und die Pizzakartons)

Ich konsumiere sehr selten Stoffe, die nicht zwingend legal sind. Also sagen wir: nur wenn ich nüchtern und ungestört bin, also circa alle zwanzig Jahre. Dann aber schon. Neulich zum Beispiel, da dachte ich: Oh, ich bin ja nüchtern und ungestört! Und habe überhaupt keine Lust mehr, mich damit zu beschäftigen, welche deutsche Herrenrassenkarikatur heute wieder in die Welt bellt, irgendein Grieche müsse seine Hausaufgaben machen und Hitler sei der neue Putin pi pa po. Da werde ich jetzt doch am besten mal das XY rausholen, das mir XY vor drei Jahren geschenkt hat, und das … ähem, na ja. Was ich damit tun wollte, darf ich ja nicht sagen, weil das eine Selbstanzeige wäre.

Tat ich aber. Zehn Minuten später, während ich grade herauszufinden versuchte, ob ich was spüre, klingelt es an der Tür. Draußen steht das Schwarze Phantom. „Belästigungen 08/2015: Als wir da da waren, war da kein da da (oder: Das Schwarze Phantom und die Pizzakartons)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #338: Roland Hefter „I dad’s macha“

Es gibt so Menschen, an denen kommt man nicht vorbei, ohne ihnen wenigstens ein Lächeln entgegenzubringen und sich ein bisserl klein und unangemessen zu fühlen, weil sie so dermaßen sonnige Gemüter, patente Kerle und unwiderstehlich fröhliche Naturen sind, dabei aber marmoriert von der sanften Melancholie des Wissens um die Übel der Welt und einer grundanständigen Bescheidenheit, die sich auswächst zum Verständnis für die Geplagten und Verängstigten, denen sie ohne Protz und Trara zum Vorbild oder zumindest Mutanreger werden. „Frisch gepreßt #338: Roland Hefter „I dad’s macha““ weiterlesen

Belästigungen 07/2015: Schab an der Tapete und rette die Welt (und hör nicht auf den Teebeutel)!

Mein Teebeutel hat heute früh zu mir gesagt: „Du musst für etwas leben, dass (sic!) größer ist als du.“ Normalerweise ist es mir herzlich egal, was mein Teebeutel so plappert, schließlich plärren heutzutage die meisten Gegenstände, die einem im Laufe eines Tages über den Weg laufen, irgendwelche Botschaften in die Welt. So was blende ich automatisch aus.

In diesem Fall bin ich hängengeblieben. Vielleicht war ich zu früh aufgestanden und im frühvormittäglichen Dunzelzustand der entsprechende Mechanismus in meinem Gehirn noch nicht aktiviert, vielleicht war es auch der heutzutage ameisenmäßig über den gesamten landesweiten Textausstoß verbreitete Neusprechblödsinnsfehler, der sich wie ein fieser Spreißel in meine Aufmerksamkeit gebohrt hat. „Belästigungen 07/2015: Schab an der Tapete und rette die Welt (und hör nicht auf den Teebeutel)!“ weiterlesen

Thunders, Johnny (ein Lexikoneintrag)

Trug die höchsten (ernstgemeinten) Absätze der Menschheitsgeschichte und den wunderbarsten Künstlernamen, den man sich für einen Popstar erträumen könnte; dabei hieß er schon in Wirklichkeit Johnny Genzale und sah nicht einfach nur gut aus, sondern strahlte mit seinem Gesicht solche Mengen an verdorbener Unschuld, Einsamkeit, Tragik, Rebellion und Sex-appeal in die Welt hinein, daß daneben ein Würstchen wie James Dean wie ein behaarter Salzstreuer wirken mußte. Johnny Thunders war schon Gott, bevor er auch nur einen Finger an die Saite legte. „Thunders, Johnny (ein Lexikoneintrag)“ weiterlesen

Belästigungen 06/2015: Das gibt es auch als Buch! (inkl. Nabokov, Fix & Foxi und Lagerfeuer)

Wenn im frühen Frühling der weiche Regen die Fenster wäscht, verkrieche ich mich gerne in die Welt der gedruckten Buchstaben. Dies ist eine extrem verniedlichende Umschreibung für ein schlimmes Problem: die galoppierende Büchersucht, an der ich leide, seit ich eines Tages von einem lieben Menschen sozusagen die Einstiegsräuberleiter hingehalten bekam. Wir hatten uns gemeinsam einen schönen Film angeschaut, und sie sagte, das gebe es „auch als Buch“.

Eine unverschämte Untertreibung. Es gab den Film nicht etwa als Buch, sondern es gab ein Buch, aus dem irgendwer ein Filmchen herausgewrungen hatte, so wie man aus einer jahrelangen Beziehung ein „Fazit“ herauswringt oder Witzchen über Sex macht, von denen man in verzweifelten Momenten zwischen Klo und Tresen meint, sie seien genauso gut wie Sex. „Belästigungen 06/2015: Das gibt es auch als Buch! (inkl. Nabokov, Fix & Foxi und Lagerfeuer)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #337: The Cribs „For All My Sisters“

Oft geht die Klage, es sei alles schon dagewesen und nichts neu. Vor allem aber sei alles nicht nur schon dagewesen, sondern ja immer noch da: 1964 zum Beispiel habe es den letzten Urknall (circa Elvis usw.) nur noch als ferne Erinnerung und auf ein paar zerkratzten Antiquitäten in Papas Kinderkoffer droben im Speicher gegeben – leichtes Spiel für Rolling Stones und Konsorten, denn mit so was läßt sich eine zünftige Teenagerrevolte nicht gestalten. „Frisch gepreßt #337: The Cribs „For All My Sisters““ weiterlesen