Belästigungen 15/2016: Ferien sind zum Lernen da (es kommt nur darauf an, was)!

Daß der Mensch was lernen muß, hat schon meine Oma hin und wieder betont, wenn die zügellose Kinderschar lieber in einer Gebirgslandschaft aus Donald-Duck-Heften, Knabberzeugs und Blubberlutsch kampierte als sich lateinischen Vokabeln und mathematischen Formeln zu widmen. Andererseits lernt der Mensch bekanntlich gerade dann besonders gut und nachhaltig, wenn er es aus reiner Lust und Laune tut und gar nicht merkt.

So haben ganze Generationen aus der Lektüre der Entengeschichten von Carl Barks die tief im Bewußtsein verankerte Erkenntnis davongetragen, daß Arbeit etwas Lästiges ist, dem man am besten weiträumig aus dem Weg geht, und daß einem viel Geld nur dann was nützt, wenn man Spaß daran hat, darin herumzukraulen. Und so hat ein überwiegender Teil der Weltbevölkerung durch fröhliches Mitträllern eines reichlich doofen Liedchens gelernt, daß in München ein Hofbräuhaus steht, in das man einmal im Leben hineinmuß, um dort das zu tun, was man auch im Stehausschank in Louisiana, Reykjavik oder Hintertupfing tun könnte (Bier trinken).

Daß das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland einen „Bildungsauftrag“ hat, erscheint im Licht dieser Erkenntnis nachvollziehbar. Zwar wird dort, was Nachrichten, Informationen, Zusammenhänge etc. betrifft, größtenteils der krudeste Blödsinn verzapft, den man sich nur vorstellen kann. Aber das ist ja auch nur die eine Seite, der Frontalunterricht sozusagen: das Gebüffel der ideologischen Grundlinien und Glaubenssätze von Wirtschaftsfaschismus, Rußlandschmähung, sogenannter Weltpolitik und diesem ganzen Kram. Das funktioniert immer schlechter, weil das hierfür zuständige Paukpersonal von Hans-Werner Sinn bis Sigmar Gabriel inzwischen geistig-moralisch derart verwahrlost, pädagogisch unfähig und durch Vorgänger wie Sabine Christiansen, Wolfgang Clement, Friedrich Merz und Oswald Metzger diskreditiert ist, daß man es durch einen beliebigen Pegida-Krakeeler ersetzen könnte.

Um den nachhaltigen Lernerfolg nicht zu gefährden, kommt daher die „Unterhaltung“ zum Zug: das Gewölle aus „Dramen“, Schnulzen, Schmonzetten und Seifenopern, in denen alles immer gleich abläuft. Da rödeln junge, fitaussehende Menschenfiguren in „kreativen“ Berufen herum oder streben solche an und widmen sich in ihrer „Freizeit“ neben der seriellen Anbahnung monogamer Für-immer-Kleinfamilien dem Konsumieren nach den Richtlinien von Mode und Trend. Für die älteren Zuschauer kommt gerne noch ein Sortiment von geld- oder blutadeligem Kroppzeug dazu, das in Villen, Schlössern, schimmernden Glas-Blech-Bürotürmen und Luxusautos west und seine popeligen Herzschmerz- und sonstigen Problemchen löst, indem es sich ebenso wie die jungen Streber unablässig optimiert, bewährt, an sich arbeitet und wettbewirbt.

Daß diese Art der Massenpädagogik wirkt, merkt man daran, daß es die „Gesellschaft“, die da gezeigt wird, zu Beginn der Ausstrahlung solchen Mülls (vor der neoliberalen Revolution der mittleren 80er) noch gar nicht gab, daß sich daran aber niemand mehr erinnert und es diese „Gesellschaft“ heute eben doch gibt. Und zwar nicht etwa als Folge von Zwang, sondern vollkommen „freiwillig“. Wer glaubt, dies sei Zufall oder einer sozusagen natürlichen Entwicklung geschuldet, muß sich fragen lassen, ob die offenbare Verstümmelung seines Gehirns ebenfalls natürlich oder zufällig und nicht doch durch die Propaganda von Kampfbünden wie der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ entstanden ist.

Das ist übrigens keine dieser vielgeschmähten Verschwörungstheorien: Es ist erwiesen, belegt und dokumentiert, daß selbige INSM es sich Geld hat kosten lassen, die Drehbücher (unter anderem) der Serie „Marienhof“ so zu gestalten, daß ihre zentralen Botschaften (Sklavenarbeit ist supi! Eigeninitiative top! Steuern runter! Sozialleistungen und Löhne kürzen! Deregulieren! Privatisieren!) indirekt und direkt in die Köpfe der Konsumenten hineingehämmert werden. Es war nicht viel Geld – ein fünfstelliger Betrag insgesamt, was ahnen läßt, daß es nicht viel Widerstand von seiten der zuständigen „Bildungsbeauftragten“ gab.

Nun könnte man fragen, ob und warum die INSM so etwas eigentlich darf. Man könnte fragen, wieso es überhaupt eine INSM geben darf, da es sich dabei doch zumindest mutmaßlich um eine kriminelle Vereinigung im Sinne von §129 Stgb handelt. Man könnte vieles fragen, aber dazu müßte man erst einmal in der Lage sein, Fragen zu formulieren, und das kann man nur, wenn man informiert wird, durch Schulunterricht und Medien zum Beispiel. Leider (und logischerweise) sind eben dies die Bereiche, in denen die INSM ihre Wirkungsmacht ganz besonders intensiv entfaltet, indem sie etwa Journalisten besticht, kauft, manipuliert, bedroht, anschwärzt, unter Druck setzt, ihre tumbe Propaganda als „Meldung“ in Zeitungen und Fernsehnachrichten verbreiten läßt und Lehrern als kostenloses „Unterrichtsmaterial“ zur Verfügung stellt.

Und weil der Mensch nicht nur was lernen muß, sondern das auch bereitwillig tut, wenn man ihm gewisse Botschaften ausdauernd genug von allen Seiten in die Birne hämmert, weiß heute jeder Absolvent einer beliebigen Schule, jeder brave Zeitungs- und Fernsehkonsument sehr genau, daß so Sachen wie Gewerkschaften, Mindestlohn, Vermögens- und Erbschaftssteuer, staatliche Rente und überhaupt so ziemlich alles, was der hemmungslosen Profitanraffung im Wege steht, böse, buh und igitt ist.

Drum ein Vorschlag zur Güte, liebe Kinder: Nutzt die anstehenden Sommerferien zum Lernen. Macht die Glotze aus, schmeißt die Zeitung und das Schulbuch weg, packt Knabberzeug, Blubberlutsch und Berge von Donald-Duck-Heften in den Tornister, kampiert an Seen, Flüssen und Bächen, in Wiesen und Wäldern und büffelt aus purer Lust und Laune die zentralen Lehrsätze des Lebens: Arbeit ist etwas Lästiges, dem man am besten aus dem Weg geht. Viel Geld nützt einem nur etwas, wenn man gern darin herumkrault. Und die INSM ist keine lustige Panzerknackerbande, sondern böse, buh und igitt.

Die Kolumne „Belästigungen“ erscheint alle vierzehn Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.

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