Belästigungen 17/2019: Vom schweren Los des Schlaraffenlandbewohners

Der Mensch ist vielleicht nicht des Menschen Wolf, auf jeden Fall aber sein Neidhammel. Das gilt fürs Essen: Lieber würgt der längst nicht mehr Hungrige die dritte Blutwurst auch noch in den Wanst, ehe er sie einem anderen gönnt. Das gilt aber auch für alle anderen Lebensbereiche. Richtig schlimm wird es, wenn es an die Arbeit geht. Da erreicht der Neid derer, die arbeiten müssen, auf jene, die wenig oder gar nichts wirtschaftlich Verwertbares zu tun haben, derartige Ausmaße, daß Gesetze und Hetzmedien das ganze Land mit einem paranoiden Parakrieg überziehen, damit die faulen Kerle ein schlechtes Gewissen kriegen. „Belästigungen 17/2019: Vom schweren Los des Schlaraffenlandbewohners“ weiterlesen

Belästigungen 18/2017: Wie man die Welt rettet, indem man sitzenbleibt

Zu den unterschätzten Tätigkeiten insbesondere des Spätsommers zählt das Sitzenbleiben. Damit meine ich nicht das, was Schülern im früheren Sommer früher gelegentlich unterlief, wenn sie die Verweigerung der Aufnahme angeblich nützlicher Wissensfakten und Rechenregeln allzu ausgiebig verweigerten, um statt dessen vernünftigerweise lieber zum Baden zu fahren oder auf Spielplatzbänken herumzuknutschen. Diese Form des Sitzenbleibens kommt kaum noch vor, seit Regierung und Wirtschaft beschlossen haben, Deutschland müsse dringend zukunftsfähig werden und zu diesem Zweck brauche möglichst jeder ein Abitur, das so schnell und früh wie irgend möglich abgelegt werden müsse, damit die sozusagen nürnbergisch betrichterten Bildungskinder umgehend in die Fabriken, Büros und Arbeitsagenturen hineinströmen und das Wachstum ankurbeln. „Belästigungen 18/2017: Wie man die Welt rettet, indem man sitzenbleibt“ weiterlesen

Belästigungen 19/2016: Ein paar grundlegende Fragen (und ein Ätschibätschi) für den goldenen Restsommer

Neulich war an dieser Stelle die Rede von den Ferien und ihrer Eignung, ja geradezu Prädestination zum Lernen – wobei es eben darauf ankomme, was man lerne und daß dies im Zweifelsfall zuallererst das Naturgesetz ist, daß Arbeit etwas Lästiges ist, dem man so weit wie nur möglich aus dem Weg gehen sollte.

Indes befürchte ich, daß vor allem ungeduldige Leser (d. h.: die jüngeren) über die Überschrift und ihre gerechte Empörung – „Bitte was? Lernen in den Ferien!? Blas mir den Schuh auf!“ – nicht hinausgekommen sind und grollend beschlossen haben, diese Seite hinkünftig zu überblättern, um nicht noch mehr solchen Schmarrn vorgesetzt zu kriegen. „Belästigungen 19/2016: Ein paar grundlegende Fragen (und ein Ätschibätschi) für den goldenen Restsommer“ weiterlesen

Belästigungen 09/2015: Vom Kirschbaum, den Liebenden und der Frage, was passiert, wenn alle das Richtige tun

Der Mensch ist so versessen auf Sensation und Neuklimbim, daß ihm bisweilen aus dem Hirn rutscht, wie wunderbar wundersam und glückbringend die und ausschließlich die Dinge sind, die immer (fast) gleich wiederkehren (und die einem im täglichen Geplümpel der Gesellschaftsdampfmaschine deswegen ebenfalls aus dem Hirn flutschen).

Oder so: Wenn der Kirschbaum blüht und man mit dem Lieblingsmenschen unter dem leuchtend weiß beschäumten und beflockten, vom Vogelvolk mit Tirili umwobenen Geäst im Gras liegt, tut, was Liebende seit Jahrmillionen tun, „Belästigungen 09/2015: Vom Kirschbaum, den Liebenden und der Frage, was passiert, wenn alle das Richtige tun“ weiterlesen

Belästigungen 16/2014: Von den Freuden des Kefirs, den die Muße küßt

Es gibt Zeiten, da bricht die Faulheit mit einer solchen Vehemenz über einen herein, daß es regelrecht beängstigend sein könnte (wenn man nicht viel zu faul wäre, um sich zu ängstigen). Da schafft sie es, den Menschen zu lähmen und in seinen Sessel hineinzulegen wie einen Liter Kefir, den man ohne größeren Aufwand nicht mehr aus den Polstern herauskriegt. Um solche Wirkungsmacht zu entfalten, bedient sich die Faulheit perfider Strategien und fieser Werkzeuge in der realen Außenwelt.

Zum Beispiel: hat man an einem beliebigen Tag das angeborene Programm an Prokrastinationsbemühungen (umständliches Kaffeekochen, sporadisches Geschirrspülen, ergebnisloses Aus-dem-Fenster-Starren, langwierige Verabschiedung der Übernachtungsgästin, zweckloses Herumzappen zwischen identischen Radiosendern, Herunterleiern tausender Witzbild- und Sinnsprucheinträge auf Facebook, Löschen einer knappen Million Spammails mit dem Betreff „Get slim fast!“ usw. usf.) einen ganzen Vormittag lang absolviert und sieht sich nun von diversen Abgabeterminen genötigt, doch mal eine einigermaßen aufrechte innere Haltung einzunehmen, um Buchstaben zu Wörtern und womöglich einem kompletten, druckbaren Text zusammenzukleben. „Belästigungen 16/2014: Von den Freuden des Kefirs, den die Muße küßt“ weiterlesen

Belästigungen: Das eine, einzige Leben, ertrunken in Rührei und Federn

Neulich saß ich mit einer lieben Freundin zusammen, die für den folgenden Tag ein Vorstellungsgespräch vereinbart hatte. Es ging um eine grundsätzlich sehr attraktive Stelle; dennoch meinte sie, am liebsten ginge sie gar nicht hin, weil sie sonst am Ende dort arbeiten müsse und sich nicht sicher sei, ob sie das überhaupt noch wolle, dieses Arbeiten.

Wir saßen unter einem Baum, die hellblaue Luft flirrte von der freudigen Erwärmung nach dreizehn oder fünfzehn Eisheiligen, im Krug schimmerte gülden das Malzgetränk, allenthalben herrschte Frohsinn, weil hier – abgesehen von den Biergartenangestellten, die müßig ratschend durch die Reihen schlurften und hie und da einen leeren Teller einsammelten – niemand arbeitete. „Belästigungen: Das eine, einzige Leben, ertrunken in Rührei und Federn“ weiterlesen

Belästigungen #416: Zwischen Weisheit und Inkonsequenz ist nur ein kleiner Riß

F hat mir erzählt, wie sie neulich über ihren Schatten gesprungen ist, der in diesem Fall allerdings weniger ihr eigener war als der einer kollektiven Verblödung, der wir alle manchmal verfallen. Sie habe eines ansonsten normalen Abends diesen Typen in der Kneipe gesehen und gespürt, wie ihr ganz seltsam wurde, und sofort seien die üblichen Gedanken durch ihr Hirn paradiert wie eine Schafherde über den Steg: Mal sehen, was er sagt/tut/ob er was sagt/tut. Ach, wie gerne würde ich. Wird sich schon ergeben, wenn/falls. Gerade noch rechtzeitig vor „wäre wahrscheinlich sowieso nicht“ habe sie die Bremse gezogen, sei einfach hingegangen und habe irgendwas absolut Saudummes gesagt, für das man sich im normalen Leben unter den Tisch und durch die Bodendielen hindurch in die Schwabinger Kanalisation hinunterschämen müßte. Was aber in diesem Fall – wie in jedem Fall – genau das Richtige war: Er sagte irgendwas noch Saudümmeres, und nach zwei Minuten war eines dieser Gespräche im Gang, aus denen die größten Popsongs aller Zeiten entstanden sind. „Belästigungen #416: Zwischen Weisheit und Inkonsequenz ist nur ein kleiner Riß“ weiterlesen