(periphere Notate): Weniger Eier für die Richter von Bernd Schreyer!

In einer aufgeklärten Gesellschaft ist Vernunft individuell. Historische Schuld und Verantwortung hingegen liegen beim Kollektiv beziehungsweise (je nach Staats- und Gesellschaftsform) bei dessen Führern. Derzeit erleben wir, wie sich dieses Verhältnis radikal umkehrt: Historische Schuld/Verantwortung liegt bei jedem einzelnen, der Putin hassen, den Iran hassen und so weiter und alles in seiner Kraft Stehende tun muß, um den Endsieg der Dämokratie herbeizuführen. Von der Vernunft hingegen hat er die Finger zu lassen: Die haben die Führer des Kollektivs von Gottes Gnaden erhalten und werden ihm die zu ihrer Umsetzung nötigen Befehle schon erteilen. Befolgt er die nicht, macht er sich wiederum vor Volksgemeinschaft, Geschichte und Gott schuldig.

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(periphere Notate): Himmel, Arsch und Atomkiesewetter!

Die Welle der Massenaufmärsche und Fackelzüge „gegen rechts“ eskaliert weiterhin ungebremst. 300 000 eiserne AfD-Hasser wollen sich am vergangenen Sonntag auf der Theresienwiese versammelt haben, um ihren hysterischen Haß in ein bedrohliches „Lichtermeer“ zu gießen und damit den „Nazis“ Angst zu machen, damit sie ihre Gesinnung aufgeben, abschwören und sich „unterhaken“ – oder halt ins Ausland flüchten, bis der Spuk vorbei ist. Optisch gemessen an den weitaus weniger verbissenen und aggressiv-düsteren Demonstrationen vor dreieinhalb Jahren in Berlin waren es zwar eher 10 000 (laut Polizei immerhin 75 000), aber über Zahlen soll man nicht streiten. (Wobei es in diesem Fall den fanatischen Mitläufern um nichts anderes als „die Zahlen“ geht, mal wieder; als könnten Zahlen etwas „beweisen“ außer „Wir sind mehr!“)

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(periphere Notate): Mensch, empfange das göttliche Wiel!

Die Schafskälte ist eine seltsame Jahreszeit. Die etwa eine Woche anhaltende Belästigung mit fliehenden Bleiwolken, periodischen Regengüssen und kaltem Wind, die früher Anfang Juni, heute eher Ende Mai dafür sorgt, daß die frisch geschorenen Namensgeber fröstelzitternd in der Landschaft standen und sich noch enger als sonst zusammenkuschelten, steigert die Sehnsucht auf den gerade begonnenen und plötzlich wieder abgebrochenen Sommer schon wegen des Wiederholungseffekts noch wirksamer als die Eisheiligen. Zugleich bekommt man eine wehmütige Vorahnung vom Herbst, den man nach den ersten Kopfsprüngen in glitzernde Flüsse vergessen hat.

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(periphere Notate): Pickt eine Seite!

Vor zwei Jahren an diesem Tag … saßen wir nachts in der Kneipe und besprachen oder belallten das kaum registrierte Problem, daß der Neoliberalismus und die jahrzehntelang galoppierende Enteignung und Umschaufelung sämtlicher gesellschaftlicher Besitztümer von unten nach oben, von den vielen zu den wenigen, schließlich den einzigen, doch eigentlich schon am Ende sei: Es habe ja keiner mehr was außer „denen“. Was solle da noch draufgelegt oder vielmehr: weggenommen werden?

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(periphere Notate): Warnung! Empfehlung! Wachstum!

Die jüdische Religion, die von gestern auf heute Rosch ha-Schana (Neujahr) feierte, hegt ein gesundes Mißtrauen gegenüber Bildern und dem Gesichtssinn überhaupt, dem sie das Hören vorzieht. Noch in der christlichen Kirche ist es geboten, sich kein Bild von Gott zu machen, dafür dem Wort zu lauschen. Und nicht nur dem Wort, sondern allgemein dem Klang, der das Geheimnis der Welt öffnet und dem Menschen Erkenntnisse ins Herz zu pflanzen vermag.

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(periphere Notate): Wir sind auf einem guten Weg

In Jules Romains‘ ziemlich hübschem Drama Knock oder der Triumph der Medizin kommt ein neuer Arzt in ein Bergdorf, in dem offenbar niemand krank ist. Könnte ein geruhsames Leben werden. Sein Leitspruch indes lautet: „Jeder gesunde Mensch ist ein Kranker, der es noch nicht weiß.“ Nachdem er gewisse Gerüchte über die Gefährlichkeit von Kleinstlebewesen gestreut hat, „(periphere Notate): Wir sind auf einem guten Weg“ weiterlesen

(Aus dem tiefen Archiv:) Belästigungen 26/2009: Ein Vorschlag zur Güte an die protestierenden Studenten (und ihre Gegner)

Eine Frau Wintermantel, die so etwas wie die oberste Verwaltungsverwalterin der deutschen Universitäten ist, hat erklärt: „Auf den Arbeitsmärkten wächst die Akzeptanz der Bachelor- und Masterabsolventen.“ Das, meint sie, sei ein Erfolg.

Ja, es ist ein Erfolg, und zwar für die Bemühungen um Durchsetzung einer vollkommenen geistigen Verwirrung in bezug auf das, was man in Europa unter „Bildung“ versteht. „Bildung“ ist für Leute wie Wintermantel nichts anderes und nicht mehr als ein Arsenal von Techniken und Fertigkeiten, die der Mensch braucht, um als Arbeitskraft eingesetzt werden zu können. „(Aus dem tiefen Archiv:) Belästigungen 26/2009: Ein Vorschlag zur Güte an die protestierenden Studenten (und ihre Gegner)“ weiterlesen

Belästigungen 19/2020: Revolution? Ja mei … (Herzlich willkommen in der neuen Steinzeit!)

In letzter Zeit hört man viel Gemunkel: „Lange geht das nicht mehr! Die lassen sich das nicht mehr gefallen! Wir auch nicht! Da gibt es Widerstand! Revolten! Aufstände!“

Gemeint ist mit dem, was „die“ (und dann angeblich auch „wir“) sich nicht mehr gefallen lassen, selbstverständlich die „Corona-Maßnahmen“, die ein halbes Jahr nach dem Ende der Grippewelle weiterhin gelten und weiterhin verschärft werden, sich aber für jeden anders darstellen:

Dem einen tut die Abschaffung diverser Grundrechte und der demokratischen Gewaltenteilung moralisch weh, der zweite beklagt das Ende der bayerischen Wirtshauskultur, der dritte findet überhaupt keine Kultur mehr. Der vierte ist selber „Kulturschaffender“ (also prekärer Künstler) und seit Monaten ohne jegliches Einkommen, dem fünften schwillt der Nazißmuskamm, weil er seit Monaten sein hübsches Gesicht nicht mal mehr dem One-Night-Stand zeigen darf. „Belästigungen 19/2020: Revolution? Ja mei … (Herzlich willkommen in der neuen Steinzeit!)“ weiterlesen

Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Jesus und Heroin – ein Interview mit Nick Cave (1997)

Ich hab ein paar von deinen letzten Interviews gelesen. Sieht so aus, als würdest du es nicht besonders mögen, interviewt zu werden.

Nein, mag ich nicht.

Ist das, weil du denkst, Musik sollte für sich selbst sprechen?

Well, ich fühle mich meiner Plattenfirma gegenüber verpflichtet, ein paar Interviews zu geben. Ich verdanke ihr viel. Ich bin gerne bei dieser Firma, sie erlauben mir zu tun, was immer ich will, und unterstützen mich total. Ich weiß, daß sie mich nicht rauswerfen werden, egal was ich ihnen liefere. Ein Weg, ihnen etwas zurückzuzahlen, ist, ein paar Interviews zu geben. Also tu ich’s. „Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Jesus und Heroin – ein Interview mit Nick Cave (1997)“ weiterlesen

Belästigungen 03/2015: Was Hänschen nicht lernt, glaubt Hans dann erst recht nicht (und umgekehrt)

Es ist in diesen Tagen so viel von Religion die Rede, daß man nicht umhin kommt, bisweilen darüber zu sinnieren, ganz automatisch, weil das Thema sozusagen von jedem Glockenturm schallt. Ich kann mich dem als Mensch mit Augen und Ohren und einem Gedächtnis kaum entziehen, und da ist mir zum Beispiel eingefallen, daß wir einst einen sehr liebenswerten, leider auch ziemlich cholerischen und bisweilen slapstickmäßig handgreiflichen Religionslehrer hatten, und weil mir der nette Mensch wieder eingefallen ist, habe ich darüber sinniert, was wir bei ihm eigentlich so gelernt haben.

Zum Beispiel hat er uns beigebracht, daß und warum die erwähnten Glockentürme sonntags um zwölf zum „Engel des Herrn“ läuten (ich weiß es nicht mehr) und daß eine Harnröhrenoperation (der er sich damals unterziehen mußte) enorm schmerzhaft und wünschensunwert ist. „Belästigungen 03/2015: Was Hänschen nicht lernt, glaubt Hans dann erst recht nicht (und umgekehrt)“ weiterlesen