(periphere Notate): Warnung! Empfehlung! Wachstum!

Die jüdische Religion, die von gestern auf heute Rosch ha-Schana (Neujahr) feierte, hegt ein gesundes Mißtrauen gegenüber Bildern und dem Gesichtssinn überhaupt, dem sie das Hören vorzieht. Noch in der christlichen Kirche ist es geboten, sich kein Bild von Gott zu machen, dafür dem Wort zu lauschen. Und nicht nur dem Wort, sondern allgemein dem Klang, der das Geheimnis der Welt öffnet und dem Menschen Erkenntnisse ins Herz zu pflanzen vermag.

Ich weiß so gut wie nichts über die israelische Politik und Gesellschaft und habe daher auch keine Ahnung, ob und wie dort die Propaganda um die kaum noch zu überbietende Absurdität der „vierten Welle“ tatsächlich verfängt. Man hört gelegentlich, es werde fleißig „geimpft“ und nach der dritten nun bereits die vierte Spritzung dringendst empfohlen. Daß die fünfte vermutlich im Januar, die sechste ab Mai folgen wird (und so weiter), ist absehbar, das Geschwätz über die „Ausrottung des Virus“, das derweil in immer neuen, immer harmloseren Varianten Gespritzte wie Ungespritzte ohne Unterschied angeblich befällt, höchstens noch unter Ultraradikalen zu hören, vorsichtig. Aber was die Bevölkerung von dem irrwitzigen Theater hält, weiß ich nicht.

Hierzulande trötet die „Freiimpfen“-Kampagne, das Gebrüll um die „Pandemie der Ungeimpften“ aus allen Leitmedien, und je mehr sich das ohne Unterlaß verbreitete Textgewäsch dazu selbst für völlig Kritiklose als bizarre Mischung aus Mißverständnissen, Ausblendungen, Ignoranz und Lügen herausstellt, desto lauter wird es. Als Begleitung gibt es einen unablässigen Strom von Bildern: Spritzen in Armen, noch mehr Spritzen in Armen, lächelnde Gesichter, als Gegenvision Beatmungsgeräte, anonyme Intensivstationen, drohende Kurven, dann wieder Spritzen in Armen, in U-Bahnen, Bierzelten, Einkaufszentren, am Straßenrand. Hin und wieder darf jemand begeistert äußern, wie befreiend es sich anfühle, „in die Freiheit geimpft“ zu sein.

All dies ist eine religiöse Perversion, wie sie alle paar Jahrhunderte wohl vorkommt, wenn die Erinnerung an die letzte Geißlerbewegung oder Tanzwut oder die letzten Pogrome oder Hexenverbrennungen so sehr verflogen ist, daß sie nur noch in Geschichtsbüchern aufbewahrt wird, die in „Bitte mitnehmen!“-Kisten vor den Wohnbehausungen der Vergeßlichen stehen.

Daß die Experimentalstudie einer Verabreichung gentechnischer Substanzen an die (gewünschte) Gesamtbevölkerung ursprünglich mit medizinischen Argumenten begründet werden sollte, ist ebenfalls längst vergessen. Die „Impfstoffe“, das darf inzwischen als Grundwissen gelten, haben so gut wie keine prophylaktische Wirkung gegen körperliche Erkrankung; wenn „Geimpfte“ sich weniger häufig „infizieren“, dann deshalb, weil man sie nicht testet. Wenn sie seltener krank werden, dann deshalb, weil sie im Falle einer Erkrankung automatisch ungeimpft sind.

Es dient ja auch der Impfstoff hochoffiziell und amtlich nur dazu, „Freiheiten“ zu erlangen. Ein einmaliger Fall in der Medizingeschichte. (Aus der Geschichte der religiösen Sekten ist ähnliches jedoch bekannt.)

Daß es absolut widersinnig ist, sich durch Gehorsam „Freiheiten“ erkaufen zu wollen, weil Freiheit Gehorsam von vornherein ausschließt und Gehorsam die Freiheit vernichtet, wissen heute nur noch ein paar graubärtige Kriegsdienstverweigerer. Die könnten auch erzählen, wie das mit der Erkaufung der „Freiheit“ durch Gehorsam stets zuverlässig weitergeht: mit dem gehorsamen Marsch in die absolute Unfreiheit. Dann folgt der Zusammenbruch des Gehorsamsregimes, ein kurzer Moment gefühlter Freiheit, die Konsolidierung der Macht und der zunächst zaghafte, dann zielstrebige Marsch in das nächste Gehorsamsregime. Ist vielleicht die Natur des Menschen, wer weiß.

Den Gehörsinn unterscheidet vom Gesichtssinn, daß man ihn nicht abschalten kann. Die Augen lassen sich schließen, die Ohren nicht. Umgekehrt fehlt dem Gesichtssinn (zumindest weitgehend) die Kritikfähigkeit des Gehörs: Man sieht Karl Lauterbach nicht an, daß das, was aus seinem Mund dringt, dummes und unhaltbares Geschwätz ist. Man sieht auch einem Beatmungsgerät nicht an, was es mit dem dazu ertönenden Geschwätz von steigenden „Inzidenzen“ zu tun haben könnte. Da muß man hinhören.

In diesem Sinne wäre es gut und hilfreich, die manipulativen Illustrationen, die den Text und die enthaltenen Botschaften wie Vektorviren ins Hirn transportieren, wegzulassen oder als Konsument wenigstens die Augen zu schließen, um den Unsinn leichter als solchen erkennen zu können. Dazu wäre es aber weiterhin hilfreich, Gegenargumente und abweichende Meinungen erfahren zu dürfen. Man möchte meinen, das sei früher üblich gewesen und habe sich Journalismus genannt. Indes genügt ein kurzer Blick in die Geschichte der „Bild-Zeitung“ oder (zufällige Beispiele) in die Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Medien über die Studentenrevolte, den Widerstand gegen die Atomindustrie oder den Einzug der (damals noch leidlich grünen) „Grünen“ in deutsche Parlemente, um zu erkennen, daß das schon früher nicht gängig und bisweilen sogar ein seltener Glücksfall war.

Wie radikal, ungerührt, borniert und brutal, bisweilen über jede Schmerzgrenze hinaus dreist, dumm und gewissenlos die Propaganda der Herrschenden heute durchgesetzt wird, ist aber seit dem zweiten Weltkrieg ohne Beispiel; selbst die Hetzkampagne der Springerpresse gegen Rudi Dutschke wirkt dagegen wie Geplänkel, zumal es ja hier und da Gegenstimmen gab und sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk dem gefürchteten Staatsfeind (und nicht nur ihm) Gelegenheit zum Interview gab. Wer sich heute vorstellen kann, auch nur im Nachtprogramm ein ausführliches Gespräch eines Nachfolgers von Günther Gaus (den es sowieso nicht gibt) etwa mit Jebsen, Hockertz, Homburg, Füllmich, Fischer, Köhnlein, Kaiser, Wodarg oder auch nur der vorsichtigsten abweichenden Stimme zu sehen, lebt in einer parallelen Traumwelt. (Da muß Kekulé als Surrogat herhalten.)

Der Bundestag hat gestern übrigens den „Datenschutz“ und die Versammlungsfreiheit abgeschafft, einen Impfzwang für (zunächst) bestimmte Berufe ermöglicht, „3G“ als Grundlage des gesamten gesellschaftlichen Lebens gesetzlich verankert, ein Einreiseverbot für Testverweigerer ermöglicht und die „epidemische Lage“ per Umdefinition zur bloßen Möglichkeit und Verlagerung auf Länderebene auf ewig gestellt. Falls es jemand nicht gehört (oder gesehen) hat: Dieser epochale politische Umbruch war mal wieder in einem „Omnibusgesetz“ (auch „Trojanisches Pferd“, „U-Boot“ oder „Osterei“ genannt) versteckt, das vorgeblich Hochwasserschäden betrifft. Ein ziemlich unverschämter und dummer Betrug, aber wen kümmert das, wenn der Staatsstreich funktioniert?

„Wachstum ist das Entscheidende!“ sagt ein SPD-Kanzlerkandidat im Jahr 2021, gut fünfzig Jahre nach den „Grenzen des Wachstums“. Falls jemand ihn wählen wollte, könnte man das berücksichtigen. Aber dito: Wen kümmert so was noch?

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