Wer von Armut und Reichtum redet, spricht – oft ohne es zu bemerken – von Arbeit. Eigenartigerweise nämlich hat sich die Menschheit, zumindest im sogenannten zivilisierten „Westen“ – der den „Osten“ mit umfaßt – im Laufe ihrer Geschichte (die man in dieser Hinsicht auch als Evolution bezeichnen darf) in zwei „Kasten“ aufgeteilt. Die eine besteht aus der weit überwiegenden Mehrheit der Menschen, die arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen – eine absurde Umschreibung, deren Absurdität deutlich wird, wenn man sie leicht umformuliert: Diese Menschen müssen arbeiten, um zu „verdienen“, daß sie auf Erden leben dürfen. „13 Thesen für asoziale Irre (revisited)“ weiterlesen
Belästigungen 17/2019: Vom schweren Los des Schlaraffenlandbewohners
Der Mensch ist vielleicht nicht des Menschen Wolf, auf jeden Fall aber sein Neidhammel. Das gilt fürs Essen: Lieber würgt der längst nicht mehr Hungrige die dritte Blutwurst auch noch in den Wanst, ehe er sie einem anderen gönnt. Das gilt aber auch für alle anderen Lebensbereiche. Richtig schlimm wird es, wenn es an die Arbeit geht. Da erreicht der Neid derer, die arbeiten müssen, auf jene, die wenig oder gar nichts wirtschaftlich Verwertbares zu tun haben, derartige Ausmaße, daß Gesetze und Hetzmedien das ganze Land mit einem paranoiden Parakrieg überziehen, damit die faulen Kerle ein schlechtes Gewissen kriegen. „Belästigungen 17/2019: Vom schweren Los des Schlaraffenlandbewohners“ weiterlesen
Belästigungen 5/2019: Wie der Mensch ins Getriebe kam und was er von Schwein, Rind und Taube lernen könnte
Arbeit ist (ich versuche das mal so zu paraphrasieren, daß man dieses Heft eventuell auch in eine Kirche mitnehmen kann, ohne die nächsten drei Wochen damit verbringen zu müssen, auf Erbsen kniend Avemarias herzubeten) Kot. Das liegt einerseits daran, daß die Arbeit, die auf diesem Planeten stattfindet, zu neunundneunzig Prozent vollkommen sinnlos ist und nur dem Zweck dient, Geldvermögen zu vergrößern, die sowieso schon viel zu groß sind. Und dabei so nebenbei die Lebensgrundlagen fast sämtlicher Lebewesen auf dem Planeten zu vernichten (abgesehen von den Ameisen, die die Arbeit möglicherweise erfunden haben).
Einerseits. Andererseits ist die Arbeit, die auf diesem Planeten stattfindet, auch noch so komplett idiotisch organisiert, daß selbst der sinnvolle Bruchteil keinen Spaß macht und zur Folter ausartet. „Belästigungen 5/2019: Wie der Mensch ins Getriebe kam und was er von Schwein, Rind und Taube lernen könnte“ weiterlesen
Belästigungen 24/2018: Achtung, hier kommt ein missionarischer Gedankenfluß! (und bricht rechtzeitig ab)
Der Winter ist eine paradoxe Veranstaltung. Massen von möpselnden, miefenden, murrigen und knurrigen Menschenwesen pressen sich zu Zeiten, in denen das Tageslicht noch nicht mal daran denkt, sich anzuschalten, in seuchige U-Bahn-Züge hinein, um sich an … na ja, nicht Orte, eher: Stellen schießen zu lassen, wo sie sich mit Massen von möpselnden, miefenden, murrigen und knurrigen Menschen in Gebäude hineinpressen können, um … Tätigkeiten zu verrichten, Gegenstände in die Hand zu nehmen und woanders wieder hinzustellen, Papier und Magnetspeicher mit Zeichen vollzukritzeln und zu -müllen, sich damit zu stressen, ihre Gestreßtheit zu demonstrieren, und zu stöhnen, wie gern sie jetzt und überhaupt ganz was anderes täten. „Belästigungen 24/2018: Achtung, hier kommt ein missionarischer Gedankenfluß! (und bricht rechtzeitig ab)“ weiterlesen
Belästigungen 19/2016: Ein paar grundlegende Fragen (und ein Ätschibätschi) für den goldenen Restsommer
Neulich war an dieser Stelle die Rede von den Ferien und ihrer Eignung, ja geradezu Prädestination zum Lernen – wobei es eben darauf ankomme, was man lerne und daß dies im Zweifelsfall zuallererst das Naturgesetz ist, daß Arbeit etwas Lästiges ist, dem man so weit wie nur möglich aus dem Weg gehen sollte.
Indes befürchte ich, daß vor allem ungeduldige Leser (d. h.: die jüngeren) über die Überschrift und ihre gerechte Empörung – „Bitte was? Lernen in den Ferien!? Blas mir den Schuh auf!“ – nicht hinausgekommen sind und grollend beschlossen haben, diese Seite hinkünftig zu überblättern, um nicht noch mehr solchen Schmarrn vorgesetzt zu kriegen. „Belästigungen 19/2016: Ein paar grundlegende Fragen (und ein Ätschibätschi) für den goldenen Restsommer“ weiterlesen
Belästigungen 20/2015: Schöne Sachen kaputt: na und! Schlimme Sachen weg: au weia! (eine anthropologische Studie)
Wenn der Herbst kommt und Menschen wie ich in Züge steigen, um kreuz und quer durch Deutschland zu fahren, Texte vorzulesen und mit lustigen Menschen Bier zu trinken, geraten diese Menschen irgendwann in einen leicht surrealen Gemütszustand. Nämlich reist man weitenteils mit dem Zug heutzutage nicht mehr durch Deutschland, sondern durch Tunnels, dunkle unterirdische und graugeblechte oberirdische aus Lärmschutzwällen.
Die eigentümlich melancholische Monotonie dieses Anblicks wird nur ganz hin und wieder unterbrochen von Vorführungen zeitgenössischer Architektur, mit der man jene Landschaften vollmüllt, wo die Menschen abgelagert werden, die sich noch keine Tunnels und/oder Lärmschutzwälle leisten können. „Belästigungen 20/2015: Schöne Sachen kaputt: na und! Schlimme Sachen weg: au weia! (eine anthropologische Studie)“ weiterlesen
Belästigungen: Das eine, einzige Leben, ertrunken in Rührei und Federn
Neulich saß ich mit einer lieben Freundin zusammen, die für den folgenden Tag ein Vorstellungsgespräch vereinbart hatte. Es ging um eine grundsätzlich sehr attraktive Stelle; dennoch meinte sie, am liebsten ginge sie gar nicht hin, weil sie sonst am Ende dort arbeiten müsse und sich nicht sicher sei, ob sie das überhaupt noch wolle, dieses Arbeiten.
Wir saßen unter einem Baum, die hellblaue Luft flirrte von der freudigen Erwärmung nach dreizehn oder fünfzehn Eisheiligen, im Krug schimmerte gülden das Malzgetränk, allenthalben herrschte Frohsinn, weil hier – abgesehen von den Biergartenangestellten, die müßig ratschend durch die Reihen schlurften und hie und da einen leeren Teller einsammelten – niemand arbeitete. „Belästigungen: Das eine, einzige Leben, ertrunken in Rührei und Federn“ weiterlesen
Belästigungen #418: Letzte Ausfahrt Palliativstation (bitte vorher abbiegen!)
Es zählt zum festen Repertoire meiner alljährlichen Sommervorsätze, so viele lustige, spannende, schöne, begeisternde, mindestens erfreuliche, bewußtseinserweiternde, hin-, mit- und umreißende Dinge wie nur möglich zu erleben, Tag und Nacht von wunderbaren Menschen umgeben zu sein, Sex zu haben, Bier zu trinken, Drogen zu nehmen, geile Musik zu hören, schöne Bücher zu lesen, in kristallperlenden Seen und Flüssen zu schwimmen, den blauen Himmel zu überstrahlen und in Gewitterschauern nackt auf der Straße zu tanzen. Deshalb entwickle ich in gewissen Momenten eine Art pädagogischer Radikalität: Wenn ich mit einer Ananas und einer Avocado in der Hand stundenlang an entwürdigenden Kassen herumstehen und zuschauen muß, wie brunzhäßliche Menschen tonnenweise Müll, Dreck und notfalls noch fünf Packungen Erfrischungsstäbchen aufs Rollband legen, dann möchte ich ihnen zurufen: Was ihr da tut, ist falsch! Es ist böse! Es wird euch noch unglücklicher und brunzhäßlicher machen, als ihr sowieso schon seid! „Belästigungen #418: Letzte Ausfahrt Palliativstation (bitte vorher abbiegen!)“ weiterlesen
Belästigungen #416: Zwischen Weisheit und Inkonsequenz ist nur ein kleiner Riß
F hat mir erzählt, wie sie neulich über ihren Schatten gesprungen ist, der in diesem Fall allerdings weniger ihr eigener war als der einer kollektiven Verblödung, der wir alle manchmal verfallen. Sie habe eines ansonsten normalen Abends diesen Typen in der Kneipe gesehen und gespürt, wie ihr ganz seltsam wurde, und sofort seien die üblichen Gedanken durch ihr Hirn paradiert wie eine Schafherde über den Steg: Mal sehen, was er sagt/tut/ob er was sagt/tut. Ach, wie gerne würde ich. Wird sich schon ergeben, wenn/falls. Gerade noch rechtzeitig vor „wäre wahrscheinlich sowieso nicht“ habe sie die Bremse gezogen, sei einfach hingegangen und habe irgendwas absolut Saudummes gesagt, für das man sich im normalen Leben unter den Tisch und durch die Bodendielen hindurch in die Schwabinger Kanalisation hinunterschämen müßte. Was aber in diesem Fall – wie in jedem Fall – genau das Richtige war: Er sagte irgendwas noch Saudümmeres, und nach zwei Minuten war eines dieser Gespräche im Gang, aus denen die größten Popsongs aller Zeiten entstanden sind. „Belästigungen #416: Zwischen Weisheit und Inkonsequenz ist nur ein kleiner Riß“ weiterlesen