Dem Hitler, so hört man, sind die Zähne ja förmlich aus dem Mund gefault; seine erste Geliebte Geli Rauball soll sich nach einem Kuß des Bildchenmalers vor Ekel das Leben genommen haben. Das erinnert uns daran, daß es früher ein Brauch war, Kindern den Mund mit Seife auszuwaschen, wenn sie Sauereien hineingenommen und wieder herausgesprochen hatten, »Scheiße« zum Beispiel. Für die Scheiße, die der deutsche Großführer dreißig Jahre lang in den Mund genommen hat, gab es in ganz Europa nicht genügend Seife (und vor allem niemanden, der sie ihm hineingesteckt und kräftig geschrubbt hätte). Kein Wunder also, daß Hitlers Mund schon vor seinem Tod so ähnlich aussah wie sein restlicher Körper ein paar Stunden danach. Und wie Europa, nachdem es der gangräne Brüllaffe mit seinem kriegerischen Lebenswerk überzogen hatte.
Daß ein Krieg dem Geisteszustand seiner Führer (!) nicht sehr zuträglich ist, ahnten wir schon länger, konnten es bisher nur kaum beweisen, weil die gängigen Vorführkriegführer (Wilhelm II, Hitler, Nixon etc.) schon vor Aufnahme ihrer Bemühungen um Zerstörung und Ausrottung nicht zu den sympathischsten Zeitgenossen und größten Denkern des Jahrhunderts gezählt werden konnten. Das gilt natürlich für unsere derzeitige Regierung strenggenommen auch, dennoch ist es schon auffallend, geradezu »frappierend«, was SPD- und Grüne Politiker so von sich geben, seit Oskar Lafontaine vor einem knappen Jahr seinen Rücktritt bekanntgab. Vom »Deserteur« war da die Rede; Kamerad Müntefering verdeutschte die angebliche Beleidigung zur »Fahnenflucht«, nach der man anderem Munde zufolge nun »die Truppe zusammenhalten« müsse. Daß ein Zusammenhang mit der von deutschem Boden ausgehenden Zusammenbombardierung jugoslawischer Teilvölker besteht, zeigte sich aber am deutlichsten an den Worten des Außenministers Josef Fischer: »Wenn sich der kommandierende General im entscheidenden Augenblick, wenn es bleihaltig wird in der Schlacht, vom Acker macht und Ihnen hinterher erzählt, wie Sie den Krieg hätten gewinnen können, ist das doch seltsam, oder?« diktierte der keineswegs durch die Gnade der frühen Geburt zum eisern bekreuzten Veteranen geadelte Ex-Pazifist der Süddeutschen Zeitung in die kaum noch erstaunten Mikrophone. Daß sich die kurzzeitig als eine Art Helden ins Gespräch gebrachten Deserteure des zweiten Weltkriegs derzeit keine besonderen Hoffnungen auf nachträgliche Amnestie oder wenigstens Entkriminalisierung machen brauchen, ist bei einem solchen Sprachstand wohl jedem klar.
In Bayern, wo eine besonders gut bestückte Vereinigung verhornter Holzköpfe regiert, pflegt man neben der ebenfalls in Fleisch und Blut und Boden verwachsenen Kriegsmetapher noch ein zweites Rede-Genre, dessen Beliebtheit daher rührt, daß sich die CSU gerne mit dem auf anderem Gebiet ähnlich arbeitenden FC Bayern identifiziert. Das führt nicht nur dazu, daß ihr Boß Edi »Hooligan« Stoiber bei jeder denkbaren und nicht auszudenkenden Gelegenheit von einer »Steilvorlage« spricht (und seine Leberkäs-Schergen und Schranzen ihm dies mangels eigenem Wortschatz blindwütig nachbrabbeln), sondern auch dahin, daß in Bayern Politik überhaupt so betrieben wird, als ginge es in erster Linie darum, einen mühsam herausgebolzten Vorsprung über die Zeit zu bringen, um sodann mit den Sponsoren in Verhandlung zu treten, wessen Schriftzug man in der nächsten Saison auf dem Trikot zu tragen hat. Doping, im Fußball ein heikles Thema, ist dabei natürlich kein Tabu: Ein CSU-Spieler, der auf einer freistaatlichen Landstraße mit 350 km/h gegen einen Brückenpfeiler donnert oder das minderwertige Automobil eines gegnerischen Verkehrsteilnehmers in Kompaktschrott verwandelt und dabei einen Alkoholgehalt von weniger als zwei Promille aufweist, gilt als verhaltensgestört. Derartige Auswüchse von Abstinenz riechen doch allzu deutlich nach Eigentor oder zumindest einer Steilvorlage für die Opposition, die daraufhin die Dauertrunkenheit der Restmannschaft um so süffisanter anprangern kann: Na also, was ein guter CSU-Mann ist, der kann seinen verkehrspolitischen Verpflichtungen auch ohne Einnahme von sieben bis fünfzehn Weißbier nachkommen!
Andererseits hat es kaum Sinn und Aussicht auf Erfolg, wenn Angehörige weniger breitärschiger Erfolgsmonopolvereine auf fußballerische Redewendungen zurückgreifen. Die, so denkt der Volksmund, wissen doch gar nicht, von was sie da reden! Oskar Lafontaine bekam dies schmerzlich zu spüren, als er nach seinem Regierungsabtritt ein »schlechtes Mannschaftsspiel« beklagte. Ja meine Herren, schauen Sie sich doch an, wo der 1. FC Saarbrücken herumkrebst! und Hannover 96! und der Bonner SC, haha! Letzterer machte vor einiger Zeit sogar dadurch von sich reden, daß er plante, die gesamte kubanische Nationalmannschaft für den deutschen Spielbetrieb zu verpflichten – da haben wir’s ja! Der bayerische Fußballverstand (außen Leder, innen Luft) kapiert sofort: Wenn Bonn nur noch über links kommt, kommen wir rechts nicht mehr durch, Mist! Ein Glück, daß Bayern längst in der euro-elitären Champions-League kickt. Deren Spielbetrieb ist zwar in etwa so interessant wie die Sitzungen des Europaparlaments, aber wenigstens hat man seine Ruhe vor den Umtrieben in irr gewordenen Bezirksligen.
Ich weiß, es gibt (zumal in der Winterpause) nichts Langweiligeres und Peinlicheres als die seit Jahrzehnten mit beharrlicher Penetranz betriebenen Zwangsanalogien zwischen Fußball und Politik nach dem Motto Adenauer/Herberger, Brandt/Schön, Kohl/Vogts usw. Deshalb wollen wir es nach einem kurzen Seitenblick auf das schöne historische Doppelportrait von Franz Josef Strauß und Dettmar Cramer dabei bewenden lassen.
Man kann – Achtung, es folgt eine Binsenweisheit! – auch ungehobelten Müll daherreden, ohne sich eine Landseruniform oder das verwaiste Matthäus-Trikot umzuhängen. Das kann zum Beispiel der ausgiebig verkalkte Möchtegern-»Genießer« Walter Scheel. Scheel? Das ist der, der vor Jahren in einem Münchner Lokal bei einem Gelage mit Milliardärsspezln ein Brathendl bestellte und darauf bestand, das Ding müsse vergoldet sein, worauf ein großer Aufschrei durch die Boulevardpresse ging, die sich sonst für keine »augenzwinkernde« Verherrlichung der Bussi-Bussi-Nichtsnutze zu schade ist. Stimmt ja auch, schließlich hätte der frühere Bundespräsident das Gold auch einer vierkinderigen Sozialhilfeempfängerin schenken können, statt es umstandslos und unverdaut nach ein paar Stunden oder Tagen wieder auszuscheißen und damit nur die Binsenweisheit zu belegen, daß man Gold im Dreck findet.
Kürzlich mal wieder (vermutlich gegen ein horrendes Honorar) vor eine TV-Kamera geladen, gab Scheel kund, daß an den »Problemen« in Deutschland vor allem das Gerede von der sozialen Gerechtigkeit schuld sei. Und dann wisse keiner der Beschwerdeträger zu sagen, was soziale Gerechtigkeit eigentlich ist. Mag sein, daß dem sozial höchst ungerecht behandelten Pfeffersack Scheel inzwischen auch die Ohren soweit verhornt sind, daß er Argumenten schon akustisch nicht mehr zugänglich ist; immerhin hat er noch genügend Chuzpe, um gleich darauf wieder mal jenen Blödspruch in die Kamera zu rülpsen, den wir uns in den Jahren nach Helmut Kohls Machtübernahme solange anhören mußten, bis er von der Realität endgültig widerlegt war: Soziale Gerechtigkeit ist nach Scheel, wenn man zuläßt, daß die Überschüsse entstehen, die nötig sind, damit es allen gut gehen kann. Das müsse man doch mal sagen! Daß die anderen immer ärmer werden, wenn wenige immer reicher werden, ist schon seit sovielen Jahrhunderten bekannt und bewiesen, daß man über Scheels Dreistigkeit schon wirklich nur noch staunen kann. Soziale Gerechtigkeit heißt also, daß endlich der Neid aufhört und man den Superreichen und Mega-Kapitalisten wenigstens ihre Ruhe läßt, wenn man sie schon nicht hofiert und ihnen Girlanden windet, wie das in Deutschland die Regel ist. Und schließlich, so Scheel, herrscht in Deutschland Chancengleichheit! Stimmt: was ist schon dabei, 500 Millionen Mark zu erben? Das kann doch jeder!
So bleibt am Ende nur eine Frage offen: Wieso schaffen es die Angehörigen der Scheelschen Turbokapitalismus-Sekte FDP bei ihren ubiquitären Propaganda-Auftritten im deutschen Fernsehen immer noch, so penetrant zu grinsen, wo ihnen doch eigentlich längst die Zähne herausgefault sein müßten? Um diese Frage zu beantworten, sollten wir uns die neoliberalen Pappkameraden mal der Reihe nach eingehend anschauen. So viele sind es nämlich gar nicht mehr: Im Grunde besteht die Ein-Prozent-Partei, die nur bei Bundestagswahlen auf unerklärlichen Wegen immer wieder über die Fünf-Prozent-Hürde kommt (und damit verhindert, daß Hans-Olaf Henkel einen Putsch befiehlt) nur noch aus dem letzten Yuppie Westerwelle und dem mechanisch vor sich hin plärrenden Grußaugust Gerhardt, abgesehen vielleicht von Frau Schnarrenheuser-Sowieso (die ab und zu in eine WDR-Kamera hinein ihrem »Liberalismus« hinterherweinen darf), Hans-Dietrich »Meine Ohren sind so groß, weil ich durch die Nase seit dreißig Jahren nicht mehr atmen kann« Genschman und Otto Lambsdorff, der nur deswegen nicht im Gefängnis sitzt, weil er jede zweite Woche im Phrasen-Circus der blondierten Heuschrecke Sabine »Ich bin blond, bitte helfen Sie mir ins Gespräch!« Christiansen auftreten muß. Und natürlich Scheel selbst, der seine oben zitierten Äußerungen selbstverständlich in derselben Fernsehsendung tätigen durfte, wo überhaupt die gesamte FDP Stammgast ist.
Der Reihe nach: Westerwelle sieht zwar inzwischen aus wie jemand, der gerade zum sechsunddreißigsten Mal durchs Abitur gerasselt ist, ist aber trotzdem noch zu jung, um die dentalen Folgen seiner Blödquatscherei schon zu spüren. Gerhardts Zähne sind wie bei allen Robotern aus Hartplastik; die Dame lächelt nie, Genscher auch nicht, und Lambsdorff natürlich sowieso nicht. Und Scheel? Der hat sich die Beißer vermutlich vergolden lassen.
Anmerkung: Dieser Text, auf den ich mich in meiner aktuellen Kolumne beziehe, erschien Ende Januar 2000 als Februar-Folge der „Belästigungen“ und wurde nicht nachträglich bearbeitet. Auf Papier lesen kann man ihn in dem Buch „Eure Armut kotzt mich an. Belästigungen 1-100“. Manche der erwähnten Personen werden heutigen Lesern völlig unbekannt sein; das sollte man als Gnade verstehen und nicht zu beheben versuchen. (Das Bild ist nicht gänzlich passend: Es stammt aus dem Februar 2002.)
Westerwelle hat dafür gesorgt, daß sich die Bundesregierung für den Abzug der Atomwaffen in Büchel einsetzt (Koalitionsvertrag anno dazumal). Er starb zu jung. R.I.P. Guido. auch wenn ich nicht viel sonst über ihn weiß, lernte ich, die Welt ist nicht schwarz weiß.
Realität: Millionen Euro in Aufrüstung und moderne Kampfjets neue Startbahn gesichert mit doppelt sicher NATO Draht, neue Kampfjets. Im Moment herrscht trügerische Ruhe im Luftraum hier. Zum Ostermarsch in Büchel kamen paar und hundert, wenig mehr, wo die grüne Jugend erstmals auftrat und so was wie: „wir müssen den Klimawandel bekämpfen, weil man stelle sich vor, was gewesen wäre, wenn die Atomwaffen im Ahrtal gelegen hätten, von sich gaben“. (na ja die Jugend, unsicher und leise…ich könnte ja wohlgesonnen sein, und mich freuen, daß sie da waren…autsch)
Westerwelle wurde um 2011 zuegig von einschlägiger einheimischer Seite als „schlechtester dt. Außenminister aller Zeiten“ verglimpft, u. a. weil er Vorbehalte gg. ein zünftiges dotsches Mitbomben in Libyen anmeldete (u. wohl auch weg. seiner, heute gradezu weißtaubig / oder vor dem Rrussn kapitulierbreit / anmutenden Abrüstungs Haltung).
Was ihn andrerseits wieder nicht hinderte, gg. Ende 2013 als abzuwickelndes BReg Mitglied noch auf der Tribuene zu Kiev, äh Kyiv aufzutauchen &/den gelbblau ockerfarbnen Protoganisten der Revoluzion der Wuerde die Unterstützung der doitschen (und EU Seite), also der Frein Welt, zuzusprechen.
Es ist u. bleibt schwierig.