Belästigungen 4/2023: „Vom Einzelschuß zur Feuerwalze“ – über das „Leben“ in der Apokalypse

Ich habe in den Neunzigern einige Jahre als Buchhändler gearbeitet, in einer schönen Buchhandlung mit einem erfreulich breiten Sortiment weit über die üblichen Bestseller hinaus, die schon damals durch die Feuilletons gedreht, von sogenannten Kritikern behudelt, preisgekrönt und nach drei Wochen vergessen wurden. Neben diesem Druckmüll, der in regelmäßigen Wellen von Kistenbergen hereinflutete, von den feinfühligen und hochanständigen Kolleginnen mit spitzen Fingern gestapelt wurde und den Laden am Laufen und Leben hielt, und den Perlen, die kluge Menschen aus dem Schlamm zupften, gab es sogenannte „Steadyseller“, die über die Jahre hinweg immer wieder nachbestellt wurden, weil sich immer mal wieder jemand fand, der sie kaufen wollte.

Darunter waren sehr spezielle Bücher, die Buchhändler selbst im Lager, wo kein Kunde hinkam, verschämt in Ecken verräumten, weil sie irgendwie anrüchig, widerwärtig, degoutant waren – eine Art Pornographie ohne Haut, zumindest nicht in der Form von Serviervorschlägen, wie man sie von Sexbildern kennt.

Das war die sogenannte militärische Fachliteratur – Bücher über Panzer, Schußwaffen, Bombenflugzeuge und anderes Tötungsgerät, über Strategie und Taktik der Menschenvernichtung, von denen wir uns fragten, wer so etwas bitte schön lesen mag. Ein solches Buch, das sich mir ins Gedächtnis brannte, trug auf dem passend Reichskriegs-schwarz-weiß-roten Umschlag den Titel „Vom Einzelschuß zur Feuerwalze“. Es handelte vom „Wettlauf zwischen Technik und Taktik im ersten Weltkrieg“.

Ich habe dieses Buch nie gelesen, aber es weckte in mir den Gedanken, der Krieg sei ein Phänomen, das im Laufe seiner Geschichte seinen Erfinder (den Menschen) eingeholt und überholt habe und seine Fähigkeit, Dinge zu begreifen, seit langer Zeit und immer mehr, heute gar vollkommen überfordere. Der Mensch – diesen Gedanken fand ich in anderer Form später bei Günter Anders wieder – entfesselt Entwicklungen und Gewalten, die er weder beherrschen noch überhaupt auch nur im Ansatz verstehen kann.

Kriege gibt es wohl, seit es Menschen gibt. Schon in der Steinzeit schlug man sich hordenweise die Schädel ein, um anderen etwas wegzunehmen. Später brachte man Organisation in die Sache und veranstaltete Schlachten, bei denen es ganz im Sinne des Wortes darum ging, Angehörige anderer Stämme oder Völker oder Bünde zu schlachten. Man verabredete sich dazu an gewissen Orten, und wenn sich nach einiger Zeit des Metzelns herausstellte, wer der mutmaßlich Stärkere war, blies man ins Horn, brach das Morden ab und trat in Verhandlungen ein.

Oft gab es dabei sogenannte Helden. Das waren einzelne Kämpfer, die ihre angeborene Furcht vor Schmerz, Verletzung und Tod sowie ihre natürliche Hemmung, Artgenossen umzubringen, in außergewöhnlicher Verwegenheit überwanden und besonders viele Gegner töteten oder unterwarfen, dabei manchmal noch großes Geschick und einen vermeintlichen Edelmut an den Tag legten und dafür verehrt, gefeiert und in Stein gemeißelt wurden.

Mit Einführung der Schußwaffen erledigte sich das langsam, aber sicher. Nun marschierte man reihenweise auf Befehl und unter Zwang ins Geschoßfeuer des Feindes hinein und hoffte, daß am Ende dieses organisierten Tötens die vorab per Arithmetik prognostizierte Zahl lebender Männer übrigblieb. Vereinzelt mag es noch welche gegeben haben, die besonders gut zielen oder ausweichen konnten, aber die eigentlichen Helden fanden sich nicht im Kanonenfutter, das sich unter Zwang und auf Befehl systematisch totballern ließ, sondern bei denen, die sich diesem Wahnsinn widersetzten und dafür aber nicht mehr verehrt und gefeiert, sondern als Verweigerer und Deserteure beschimpft und bestraft wurden.

Im neunzehnten Jahrhundert wurde der Wahnsinn durch die zunehmende Maschinisierung und Industrialisierung auch des Krieges zur Methode, und der US-amerikanische Bürgerkrieg brachte der Menschheit ein böses Erwachen – in einen Alptraum hinein, den sie selbst herbeigeführt hatte. Man tötete nun maschinell, massenweise und mit solcher Gleichgültigkeit, daß Sterben oder (vorläufiges) Überleben zu einer reinen Frage von Wahrscheinlichkeit und Modellrechnung, der einzelne Mensch seiner Würde restlos entledigt und zum unwesentlichen Teil eines Dreckhaufens wurde und selbst die Herren des Krieges – die immer zugleich seine (einzigen) Profiteure waren – einsahen, daß es so nicht weitergehen konnte und man ein paar Regeln brauchte, um den mörderischen Irrwitz einzuhegen. Daß das nicht gelingen konnte, daß der Krieg längst seine eigene apokalyptische Logik geboren hatte, ahnten die Erfinder der Haager Landkriegsordnung noch nicht.

Im ersten Weltkrieg, der diese Eskalation in vordem undenkbare Abgründe der Grausigkeit weitertrieb, schien ihnen das momentweise zu dämmern. Spätestens 1916 war klar, daß eine Entscheidung in zumutbarem Rahmen nicht mehr möglich war, daß es bei den weiteren Konvulsionen der Kriegsmaschine nur noch darum gehen konnte, möglichst viele Menschen zu vernichten, ohne daß dabei mehr herauskäme als Hekatomben von sinnlos zerfetzten Leibern, endzeitliche Verwüstung, millionenfaches Leid und Profit für ein paar Waffenhersteller. Die Einsicht setzte sich aber nicht durch. Längst war der Krieg zur besagten Maschine geworden, die wie ein entarteter Rasenmäher alles zerstört, solange sie mit Treibstoff – Menschen, Geräten, Munition – betankt wird. In einer frühen Form des Wahns heutiger Regierungspolitiker glaubte man, man könne den Rasenmäher nur zum Stillstand bringen, indem man immer mehr Benzin in seinen mörderischen Motor hineinpumpt.

Der Krieg endete so, wie ein Krieg in der Moderne folglich nur noch enden kann: durch völlige Erschöpfung. Dabei trat ein organisatorisches Defizit zu Tage, dessen Beseitigung als wesentliche Voraussetzung weiteren Massenschlachtens in der Zukunft erkannt wurde: die Trennung zwischen Militär- und Zivilbevölkerung. Vor allem wurde den Herrschenden bewußt, daß ihre Herrschaft in der über die Jahrhunderte bewährten Form nicht mehr ausreichte, um Menschen in genügend großer Zahl in den Tod befehlen und zwingen zu können. Es kam zu Aufständen und Revolutionen, etwa in Rußland und Deutschland, die beziehungsweise deren Niederschlagung in gegensätzlicher und doch irgendwie gleicher Weise dem Totalitarismus den Boden bereiteten.

Wie der Totalitarismus den Krieg braucht, um wenigstens für einige Zeit bestehen zu können, ehe er an sich selbst verfault, brauchte der moderne Krieg den Totalitarismus, um überhaupt stattfinden zu können: Ein Volk, das nicht zum „Volkskörper“ verschmolzen und mit Drohung und Gewalt komplett zur Unterwerfung gezwungen wurde, hätte einen zweiten industriellen Krieg – diesmal samt ebenfalls industriell organisiertem Völkermord – niemals auch nur beginnen können, geschweige denn durchstehen bis an die Grenze der Selbstvernichtung (und teilweise darüber hinaus: die Welle der Selbstmorde in der deutschen Bevölkerung ab Mai 1945 ist ein gerne unter den historiographischen Teppich geschobenes Phänomen).

Und so wurde auch der Krieg endgültig total: Er beschränkte sich nicht mehr auf Schlachten, unter denen die Zivilbevölkerung zwar schon früher indirekt gelitten hatte, ohne aber unmittelbar beteiligt zu sein. Nun gab es keine Grenzen mehr; man bombardierte ganze Städte, ermordete Menschen tausenderweise, machte gesamte Landstriche und Gegenden für lange Zeit unbewohnbar, vernichtete in blindwütiger Entfesselung einfach alles, was es gab. Daß hinterher tatsächlich noch verhandelt wurde, war dem zufälligen Umstand zu verdanken, daß überhaupt jemand überlebt hatte – und daß es den Deutschen nicht gelungen war, jene atomaren Bomben zu bauen, mit denen die USA im Atomkrieg gegen Japan das Verhältnis von aufgewandter Zeit zur Zahl der Getöteten auf ein Maß hochschraubten, das jegliches Vorstellungsvermögen endgültig und für alle Zeiten sprengte.

In Hiroshima und Nagasaki, aber auch in Auschwitz und in anderen Mordfabriken wurde der schicksalhafte „Einzelschuß“ tatsächlich zur „Feuerwalze“, die ein menschliches Leben, wie man es vor 1939, vor 1914 oder zumindest vor 1850 gekannt hatte, von vornherein und generell unmöglich machte. Danach schien es viele Jahre lang so, als wollte der Mensch ein neues Losbrechen dieser Feuerwalze verhindern, als wollte er die aufgrund seines eigenen Wirkens unausweichliche Selbstvernichtung zumindest so lange wie möglich aufschieben in eine Zukunft, die dadurch zwangsläufig zur Hölle verdüstert war. Als Ende der Siebziger junge Leute ihr Leben und Erleben der Welt mit dem Slogan „No Future“ treffend beschrieben, hatte sich das längst geändert, hatte die Profitlogik der Todesindustrie erneut triumphiert, die Welt mit einem unablässigen Dauerkrieg gegen jeden, der sich ihr in den Weg stellte, überzogen und sie mit Tötungsmaschinen in einem Ausmaß vollgepumpt, das sich selbst das perverse Hirn eines Adolf Hitler nie vorstellen konnte. Die intellektuelle Perversität, mit der behauptet wurde, man bereite die Schlachtung der Gesamtmenschheit und des Planeten vor, um sie zu verhindern, war und ist nicht zu überbieten.

Vor allem aber ist seitdem auch die Erinnerung an die Schrecken des letzten Krieges zwangsläufig mit der Generation, die ihn erlitten und überlebt hat, gestorben und verweht. Geblieben sind die Profiteure und ihre Erben, die Kriegs- und Massenmordindustrie, die mit ihren gehorsamen Erfüllungsgehilfen heute fast alle Regierungen zumindest der westlichen Welt „penetriert“ (Klaus Schwab), den Totalitarismus durch einen nie dagewesenem Aufwand an Propaganda und Massenverblödung zur maschinell-suizidalen Freiwilligkeit perfektioniert und hirnlose Trottel wie Baerbock, Scholz, Selenskyj, Pistorius, Nuland, Kagan, Hofreiter, Melnyk, Sullivan, Biden und wie sie alle heißen als Marionetten in entscheidenden Ämtern herumhampeln und blödsinniges Geschwätz absondern läßt von „Heldentum“, „Verteidigung“, „Sieg“ und Waffen, die „Menschenleben retten“.

Der Rasenmäher, den sie mit Menschen, Gerät und Munition betanken, hat zwei Auswurföffnungen: Aus der einen quillt menschliches Hackfleisch, aus der anderen Geld. Und immer noch glaubt eine vermeintliche Mehrheit, er ließe sich nur stoppen und zum Stillstand bringen, indem man noch viel mehr Benzin hineinpumpt. Weil – und da bin ich wieder bei dem Gedanken, den das eigenartige Buch einst in mir geweckt hat – der Mensch den Krieg nicht (mehr) begreifen kann, weil er ihn auch verstehen höchstens dann kann, wenn er ihm zum sinnlosen Opfer fällt. Und dann ist es für jede Erkenntnis zu spät.

Ich habe mit diesem Buchtitel – „Vom Einzelschuß zur Feuerwalze“ – übrigens bereits einmal eine Kolumne überschrieben, vor 23 Jahren. Damals, im Februar 2000, ging es um verbale Entgleisungen deutscher Regierungsmitglieder und eine allgemeine Verrohung der Sprache, die sich im Windschatten des Rücktritts von Oskar Lafontaine als Bundesfinanzminister entladen hatte. Zur Erinnerung: Der vormalige Kanzlerkandidat, Ministerpräsident und SPD-Vorsitzende hatte sein Amt hingeschmissen, kurz bevor die frisch gewählte SPD/Grün-Regierung im März 1999 einen brutalen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien entfesselte und das Land, insbesondere die Hauptstadt Belgrad, zehn Wochen lang zu Schutt und Asche zerbombte. Den Vorwand für den völkerrechtswidrigen Überfall lieferte ein geheimgehaltenes Zusatzprotokoll zum Vertragsentwurf von Rambouillet, das für so gut wie jede Regierung dieser Welt inakzeptabel gewesen wäre, also auch für die jugoslawische, und das selbst deutschen Regierungsmitgliedern erst im nachhinein bekannt wurde. Hinzu kam die „Hufeisen“-Verschwörungslüge der Herren Scharping und Fischer.

Von „Fahnenflucht“ schwadronierte damals der SPD-Lautsprecher Müntefering und schwor, künftig „die Truppe zusammenzuhalten“. Man schimpfte Lafontaine einen „Deserteur“, und der amtierende Außenminister Josef Fischer – ein „Grüner“, wie in Zeiten deutscher Kriege üblich – plapperte in eine „führende“ Zeitung hinein: „Wenn sich der kommandierende General im entscheidenden Augenblick, wenn es bleihaltig wird in der Schlacht, vom Acker macht und Ihnen hinterher erzählt, wie Sie den Krieg hätten gewinnen können, ist das doch seltsam, oder?“

Nicht die impertinente Verlogenheit solcher Verbaldurchfälle hat mich damals sozusagen frappiert, sondern – ein gutes halbes Jahrhundert nach Auschwitz, Stalingrad, Dresden, Hiroshima und Nagasaki – die ungehemmte Militarisierung der Amtssprache, die uns bezeichnenderweise heute gar nicht mehr auffällt. Wenn jetzt im „Stern“, der schon vor zwei Jahren in historisch einmalig peinlicher Selbstentblößung die mRNA-Spritzung wider jedes Wissen zum „Akt der Nächstenliebe“ aufschwurbelte, – wenn in diesem Blatt ein sogenannter „Militärexperte“ namens Gustav Gressel (ein Rekrut der faschistoid-bellizistischen Kaderorganisation „European Council on Foreign Relations“) „mehr Waffen für die Ukraine“ fordert, weil sonst „die Russen auch in Deutschland einmarschieren“, wenn derselbe Herrenmensch bellt: „In den Führungsriegen sitzen Hosenscheißer“, weil die Damen und Herren einen Atomkrieg mit Milliarden verdampften, versafteten und totgestrahlten „Zivilisten“ noch immer nicht einfach so befehlen mögen, dann gähnen wir höchstens noch, so sehr haben wir uns an die – ja, sagen wir’s ruhig: – Nazikläfferei in einem Vierteljahrhundert Dauerkrieg mit deutscher Beteiligung am Massentöten gewöhnt.

Die zentrale Frage, die sich heute manch ein kritischer Mensch (ehemals Bürger) stellt: „Wie sind wir nur hierhergeraten?“ führt zwangslauflogisch zurück zur entscheidenden Frage: „Wo sind wir denn hergekommen?“

Und da landen wir Deutschen immer wieder irgendwo zwischen 1930 und 1945.

Es mag sein, daß der Krieg aus der Welt nicht mehr hinauszuschaffen ist. Daß er zwangsläufig immer wieder losbricht, solange es eine Herrschaft von Menschen über Menschen gibt, und so lange, bis er endlich alles vernichtet hat. Möglich, daß es nicht gelingen kann, seine Profiteure ihrer Macht zu entledigen, ihre Marionetten unschädlich zu machen, die Strukturen zu beseitigen, die ihn solche Profiteure und Marionetten immer wieder aufs Neue gebären läßt.

Es ist aber undenkbar, es nicht zu versuchen. Die Alternative ist eine Welt, deren Herandämmern wir derzeit mal wieder erleben: eine Welt, in der ein menschliches Leben nicht möglich und nicht vorstellbar ist.

Die Kolumne „Belästigungen“ erscheint seit Dezember 1996 und ist in derzeit sechs Bänden als Buch erhältlich. Zu hören ist sie jeden ersten Freitag im Monat auf Radio München.

8 Antworten auf „Belästigungen 4/2023: „Vom Einzelschuß zur Feuerwalze“ – über das „Leben“ in der Apokalypse“

  1. Danke der Erinnerung, im bw verbundenen Fachverlag Bernard + Graefe erschienen dereinst. Dies Werk: Hans Linnenkohl „Vom Einzelschusz zur Feuerwalze“, das ist militär. Fachlitratur, speziell zum Artillerie-Einsatz, geschichtlich dargestellt insbes. anhand WK 1 dort, ewig geltende militärphysikalisch-ballistisch-wissenschaftl. Grundsätze zitierend und emphasierend. / Deren meisterhafter Handhabung sich grade gegenwärtig dr Rrusse & seine Fuersprecher beruehmen (gell Klaus B.) von wegen „Ami hat noch nie so einen Kriech wie wir jetzt führen, gführt, zumindest seit 1950, Korea, oder so, geschweige denn gewonnen (incl. stolze Verweise auf das Blood Bath, dass insbes. russ. Artllerie an den angebl. ukr. vulgo blaugelb russ. Bruedan anzurichten imstande ist). Egal, was da nun draus werden oder kommen mag betr. das Künftige Bruederliche Verhältnisz.

    Aber nun ja, fachwissenschaftl. untermauerte Unterrichtung über die gekonnte Verfleischwolfung von Menschenfleisch durch Metallsplitter u. dgl. dürft heut auch & grade unter rotgrünen Bildzeitungsaffinen Regional- und Globalstrategen dt. Provenienz en vog sein, oder wie man da sagt. Prosit !

    Sollte man auch bedenken.

  2. Eine sehr simple und naiv klingende Frage, die ich mir seit langem und schon vielen Leuten gestellt habe: warum machen wir das eigentlich alles mit? Eine nicht beschämende Antwort habe ich darauf noch nicht bekommen, meist lautete, was man eine nennen könnte mit wenig Variationen so: so lange die Leute mit ihrem Fernsehprogramm versorgt und unterhalten werden und billiges Fressen kaufen können wird sich nichts ändern, werden sie ihren Arsch nicht hoch bekommen und sich alles andere auch weiter gefallen lassen. Man entschuldige mir bitte den etwas rustikalen Sprachgebrauch, ist selten meiner, ich zitiere nur. Die häufigste Antwort aber lautet: weiß ich auch nicht. Und dann, du wieder, weiter arbeiten, wir müßen hier fertig werden, ändern können wir doch eh nichts.

    1. ich habe schon vor zehn, zwölf Jahren bei diversen Rückkehren von Touren den Eindruck gehabt, daß Deutschland wie ein Affenkäfig mit Mikrowellenbestrahlung sei, ein Experiment von höheren Stellen aus durchgeführt. Das könnte zumindest ein Erklärungsmodell für die Apathie sein, mehr als ein empörtes „Määhhh!“ von einigen Restbewußten ist nicht mehr drin

  3. „Man verabredete sich dazu an gewissen Orten, und wenn sich nach einiger Zeit des Metzelns herausstellte, wer der mutmaßlich Stärkere war, blies man ins Horn, brach das Morden ab und trat in Verhandlungen ein“
    lieber Michael, es fehlt in deinem wirklich wunderbar sprachschönen und wirkmächtigen Beitrag, zumindest mir, ein Aspekt. Nämlich der, daß auch in vorindustrieller Zeit das Auslöschen der Feindes durchaus gängige Praxis war. Dschingis Khan hat alle Menschen von Bagdad ausgelöscht, die Katholiken im 30jährigen Krieg Magdeburg ausgerottet, und so weiter und so fort. Hätten sich die Russen nicht so heftig gegen den Adolf und seine Armee gewehrt, wären all die slawischen Untermenschen, welche dort hausten, „Sumpf-Menschen hatte der Führer sie mal genannt, durch Arbeit und Hunger vernichtet worden. Es gibt einige Facetten mehr.
    Herzliche Grüße, blauen Himmel ohne Streifen wünschend

  4. Lieber Michael Sailer,
    nicht, daß ich mich für einen sonderlich kritischen Menschen halte, aber; „Wie sind wir nur hierhergeraten?“ führt zwangslauflogisch zurück zur entscheidenden Frage: „Wo sind wir denn hergekommen?“, das sind schon auch Fragen, denen ich nachgehe und nachdenke. Und nicht nur, um mir schlaflose Nächte abzukürzen oder mir einen gelegentlichen Mittagschlaf zu versüßen. Aus dem Brillat-Savarin, 1825 publiziert, 1865 (da war der in Frankreich bereits ein „Klassiker“) ins Deutsche übersetzt:

    Ueber das Ende der Welt
    Unwiderlegbare Denkmale beweisen uns, dass der Erdball schon mehr durchgreifende Veränderungen erlitten hat, deren jede „der Welt Ende“ war; und ein gewisser Instinkt sagt uns, dass noch andere Umwälzungen folgen werden.
    Schon mehrmals glaubte man der Welt Ende nahe, und Viele leben noch, die von dem wässerigen Kometen des guten Hieronymus Lalande in die Beichte getrieben wurden.
    Man ist ganz geneigt, nach dem was uns gesagt wurde, diese Katastrophe mit Rachegeistern, Vernichtungs-Engeln, Posaunen und anderem nicht weniger schrecklichem Beiwerk auszustatten.
    Ach Gott! Es bedarf keines so grossen Spectakels, um uns auszurotten; wir sind so vielen Pompes nicht werth, und wenn der Herr uns vernichten will, so kann er ohne grosse Anstrengung die Oberfläche der Erde ändern.
    Nehmen wir einmal an, einer jener Irrsterne, deren Weg und Aufgabe niemand kennt, und deren Erscheinung stets seit ältester Zeit die Menschen mit herkömmlichem Schrecken erfüllte – nehmen wir an, ein Komet streife nahe genug an der Sonne vorbei, um hinlänglich Wärmestoff aufznehmen und käme uns dann nahe genug, um während 6 Monaten auf der Erde einen allgemeinen Wärmezustand von 30 Graden Réaumur zu unterhalten (noch einmal mehr als der Komet von 1811).
    Am Ende dieser Todesepoche wird Alles, was auf der Erde lebt oder vegetirt, untergegangen sein; die Erde wird geräuschlos weiter rollen, bis andere Verhältnisse andere Keime entwickeln und nichtsdestoweniger wird die Ursache dieser Verwüstung im weiten Weltraum versteckt und uns kaum auf einige Millionen Meilen nahe gekommen sein.
    Ein solches Ereignis, das ebenso gut als ein anderes möglich ist, hat mir immer ein vortrefflicher Gegenstand zum Träumen geschienen und ich habe oft darüber nachgedacht.
    Es ist interessant, über diese zunehmende Wärme nachzudenken, ihre Wirkungen, Entwicklung und Resultate vorauszusehen und sich zu fragen:
    Quid während des ersten Tages, des zweiten und so fort bis zum letzten?
    Quid über die Luft, die Erde, das Wasser, die Bildung, Mischung und Explosion der Gase.
    Quid über die Menschen in Beziehung auf Alter, Geschlecht, Kraft oder Schwäche?
    Quid über die Unterordnung unter die Gesetze, den Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, die Unantastbarkeit der Personen und des Eigenthums?
    Quid über die Mittel und Versuche, der Gefahr zu entgehen?
    Quid über die Bande der Liebe, Freundschaft, Verwandtschaft, über Egoismus und Aufopferung?
    Quid über die religiösen Gefühle, den Glauben, die Ergebung, die Hoffnung etc. etc.?
    Die Geschichte kann über die moralischen Einflüsse einige Angaben liefern; denn das Ende der Welt wurde schon mehrmals, sogar für einen bestimmten Tag prophezeit.
    Ich bedaure wirklich, meinen Lesern nicht sagen zu können, wie ich dies Alles in meiner Weisheit geregelt habe; ich will sie des Vergnügens nicht berauben, sich selbst damit zu beschäftigen. Es kann dies einige schlaflose Nächte abkürzen und einige Mittagsschläfchen unterhalten.

    Frohe Ostern

  5. OT: Mein Aufenthalt in einer Buch- und Schallplattenhandlung in der Leopoldstrasse 23 hat mir seinerzeit nicht nur die militärischen Fachzeitschriften regelmässig unter die Augen und auf die Abhakliste der anderen 3.000 Zeitungen und Zeitschriften gebracht, sondern Martin, mein sehr schlagfertiger schwuler Kollege musste dann auch immer an der Kasse lauthals zu mir „nach hinten“ nach dem Preis rufen, dabei die laut scheppernde Roxy Music übertönend: „Hallo Josi, kannst Du mal nachschauen, was der Hustler, die Monsterbusen heute kostet?“. Dann schrie ich zurück: „Die Monsterbusen? Oder die Sonder-Ausgabe mit den schwarzen Haaren an den Beinen?“. Und ja, die Militaria-Kunden sahen immer alle aus wie Derrick. Als von Pink Floyd „The Wall“ erschienen ist und sich lange Schlangen vor unserem Laden gebildet hatten, haben wir mit besonderer Freude dann „Susi Sorglos und der Fön von Otto“ aufgelegt und „The Wall“ völlig unbeeindruckt stapelweise verkauft. Lungerte gar ein Promi bei uns herum (an der Pressewand standen sie immer alle) tat man so als erkenne man sie nicht, sondern griff gnadenlos durch sie hindurch, um die Zeitschriften zu ordnen: „Mannonmann, wie das hier wieder stinkt, warum die immer alle furzen müssen beim Lesen?!“ und nahm ihnen die Zeitschriften aus der Hand….Später soll dann mal Tina Turner gesagt haben, was sie so an München lieben würde, wäre, daß sie keiner erkennen würde: Hahaha. Da war etwas dran, aber ehrlicherweise war das in München nur so bis Aids riesige Schneisen in diese ebenso rotzfreche wie leichtfüssige Szene geschlagen hat, danach war München nicht mehr dieses München. Schöne Ostern noch. Josi

Kommentar verfassen