Neulich bin ich von einer Biene gestochen worden und dabei auf einen interessanten Gedanken gekommen. Das ist ungewöhnlich. Ich werde oft von Bienen gestochen, weil ich im Sommer den ganzen Tag barfuß unterwegs bin, meistens in Wiesen, komme dabei aber selten auf andere Gedanken als „Aua!“ oder „Scheißdreck!“ Normalerweise nämlich sehe ich die Biene unter meinem nackten Fuß rechtzeitig, bevor ich drauftreten kann, vollführe dann eine meistens sehr ungeschickt stolpernde Ausweichbewegung, werde gestochen und denke „Aua!“ oder „Scheißdreck!“. Weil ich aber offenbar eine recht zarte Haut an den Füßen habe, zieht die Biene ihren Stachel wieder raus, fliegt davon, und wir sind beide froh, sie wohl mehr als ich, aber ich auch, weil ich nicht gerne irgendwas umbringe.
Diesmal blieb der Stachel stecken, und die Biene war tot. Ich zog den Stachel also selber raus und warf ihn in die Wiese. Oder vielmehr dachte ich, ich hätte ihn in die Wiese geworfen; er blieb aber an meinem rechten Mittelfinger kleben, was ich erst bemerkte, als ich kurz darauf ein zweites Mal gestochen wurde – von dem Stachel, ganz ohne die dazugehörige Biene.
Da dachte ich: Wie kann es sein, daß ein – noch dazu winziger – Teil der Biene mich sticht, wenn die Biene selbst tot ist? Hat dieser Teil ein Eigenleben? Ist die Biene am Ende gar kein wirkliches Lebewesen, sondern ein Konglomerat aus autonomen, für sich lebenden Teilen, die sich lediglich zu einer Art Kommune zusammengetan haben, weil das Vorteile für alle bringt? Zum Beispiel weil der Stachel allein nichts sieht und sich nur unter größten Schwierigkeiten ernähren kann, der Magen hingegen ohne Stachel schneller gefressen würde, als er sich – und damit auch den Stachel – sättigen könnte, und die Augen den Freßfeind zwar sähen, aber eben nur das. Wehren könnten sie sich nicht. Von Fühlern, Zehennägeln und Brusthaaren wollen wir lieber schweigen, da wird die Sache richtig mitleiderregend.
Nächster Gedanke: Gilt das gleiche vielleicht auch für mich? Bin ich ebenfalls bloß eine Art zelluläre Fußballmannschaft, in der zum Beispiel das linke Auge, die Leber und ein beliebiges rotes Blutkörperchen nur deshalb mitspielen, weil sich das Auge ohne seinen Kumpel auf der rechten Seite keine dritte Dimension einbilden kann, weil die Leber ohne Mund kein Bier zum Verarbeiten kriegt und das Blutkörperchen insgesamt recht hilflos ist, zum Beispiel beim Einkaufen im Obstladen?
Die Vorstellung, ein rotes Blutkörperchen in die weite Welt hinauszuschicken, erheiterte mich eine Weile – „Du bist jetzt alt genug, um für dich selbst zu sorgen!“ –, dann spann ich den oder spann sich der Gedanke weiter: Woher weiß ich denn, daß das gleiche Prinzip sozusagen solidarischer Körpereinheit nicht auch nach oben weitergeht? Wenn die Biene keine Biene ist, sondern eine inklusive, idealsozialistische Gemeinschaft von Zellen, die vollkommen gleichberechtigt sind, ihre individuellen Talente, Interessen und Fähigkeiten zum Zwecke des Gemeinwohls einbringen und dadurch mehr als die Summe der einzelnen Teile werden – ist dann vielleicht weder die Zelle (die ja auch bloß aus Einzelteilen besteht) noch die Biene der eigentliche Organismus, sondern der Bienenstaat als ganzer? Und gilt das auch für eine CSU-Versammlung im Bierzelt, die aus der Ferne betrachtet ja auch nicht wie eine Ansammlung individueller geistbegabter Menschen wirkt, sondern wie ein einziger humaner Leberkäs mit einem ziemlich lauten Kopf?
Wir sind es aufgrund frühkinderbuchlicher Prägung gewöhnt, Tieren Namen zu geben und die Biene zum Beispiel Maja zu nennen. Wäre es vielleicht gescheiter, das ganze Bienenvolk Alfons oder Anneliese oder zwecks Geschlechterneutralität Josef Maria zu nennen?
Und was ist dann mit dem Menschen, diesem wandelnden Zellhaufen, der bekanntermaßen auch noch zu einem gewissen Teil – zwei bis drei Kilo! – aus (angeblich!) körperfremden Trittbrettfahrern und Symbionten wie Bakterien, Viren, Pilzen und allen möglichen anderen Untermietern besteht und als isoliertes Einzelwesen weder sprechen lernt (mit wem auch?) noch irgendwas von der Welt versteht und wohl auch gar nicht lange überlebt? Ist dessen vermeintliche „Ich bin der Größte!“-Individualität auch nur eine der vielen typisch menschlichen Illusionen und Dummheiten, auf die eine Biene niemals käme, weil sie schlauer ist, weil es sie schon wesentlich länger gibt als uns?
Da lauern gefährliche Gedanken, die mir höchst verdächtig sind. Ist nicht die nationalsozialistische Volksgemeinschaft, der vielbeschworene „Volkskörper“, der in letzter Zeit als von wilden Virenhorden und rechten Verschwörungsideologen bedrohte „Solidargemeinschaft“ oder „Zivilgesellschaft“ fröhliche Auferstehung feiert, auch so eine Art Bienenvolk und somit ein zumindest anzustrebendes Ideal von Ordnung, Reinheit, Hygiene und Verteidigungsbereitschaft, ja unbedingtem Kampfwillen? Sollen wir ihn Alfons nennen, den deutschen Volk?
Nein, irgendwie ganz bestimmt nicht. Da gibt es ja erstens tatsächlich die Idee der Individualität, die einem staats- und parteitreuen Chinesen möglicherweise aus kulturhistorischen Gründen nicht ganz so vertraut ist wie einem Schwabinger Anarchisten, die aber trotzdem nicht durch Leugnen oder stetig aktualisierte Infektionsschutzgesetze (nur zum Beispiel) aus der Welt zu schaffen ist. Und die Idee oder vielmehr Ideologie von Nationalstaaten hat sich längst als historischer Irrtum erwiesen – zumal in ihrer nach dem ersten Weltkrieg eingeführten verfeinerten oder eher verwässerten Form auf Grundlage sogenannter Ethnien, die zu einem Jahrhundert von Bürgerkriegen und Völkermorden geführt hat und eigentlich längst vollumfänglich diskreditiert sein sollte, aber irgendwie immer noch nicht auszurotten ist.
Die Biene – als Staat und als Stachel – ist ja auch nur ein Beispiel, das Verfechtern einer angeblichen „nationalen Identität“ sehr zupaß kommt. Was aber ist zum Beispiel mit der Stubenfliege? Bildet die auch Staaten? Eher wohl nicht, obwohl eine tausendköpfige Vollversammlung der grauen Surrviecher in einem Schweinestall durchaus diesen Eindruck erwecken mag – irgendeine Form von Arbeitsteilung, Aufgabenspezifizierung oder auch nur gemeinsamem Streben nach einem gemeinsamen Ziel ist da nicht festzustellen. Ist der moderne, zumindest der westliche Mensch also vielleicht eher Fliege als Biene, eher Käfer als Ameise, eher Baum als Moos? Ist es deshalb von vornherein sinnlos, ihn auf ameisenartiges Verhalten trainieren zu wollen, wie das unsere Herrscher – von World Economic Forum bis Gates-Stiftung und zurück – derzeit auf Teufel komm raus versuchen? Können Evolutionsbiologen hierzu etwas beitragen? Oder ist die Frage am Ende falsch gestellt? Gibt es in Wirklichkeit überhaupt keinen Organismus? Oder nur einen, gesamten?
Ich weiß schon, ich stelle mal wieder nur Fragen, von denen ich keine einzige beantworten kann. Allerdings habe ich den starken Verdacht, daß das ganze Leben, das ganze Universum eine einzige Frage ist und daß der Sinn des Lebens (und vielleicht auch des Universums) genau das ist: die richtige Frage oder alle möglichen Fragen zu stellen. Und nicht sie zu beantworten. Die Antwort ergibt sich ja normalerweise von selbst, und die letzte aller Fragen (die ich noch nicht kenne und deswegen auch nicht stellen kann) beantwortet sich vielleicht auch so: von selbst.
Lustigerweise übrigens muß ich gerade jetzt an meinen lieben alten Kunstlehrer denken, den Herrn Emmer, der zu sagen pflegte: „Wenn der Sailer einmal stirbt, müssen’s das Maul extra erschlagen, weil’s weiterredet, ohne daß das Hirn denkt.“ Das hat mit diesen Gedanken wahrscheinlich überhaupt nichts zu tun. Vielleicht aber irgendwie doch: Wenn ein Bienenstachel das kann, wieso dann nicht auch ein Anarchistenmundwerk?
Die Kolumne „Belästigungen“ erscheint seit Dezember 1996 und ist in derzeit sechs Bänden als Buch erhältlich. Zu hören ist sie jeden ersten Freitag im Monat auf Radio München.
Greetings….
I was also pondering similar subjects last week and found a piece from Alan Watts, which is interesting. He wrote, or said in one of his lectures:
…Buddhists do not believe in any particular conception of God, any particular idea because they feel that’s like trying to grasp water in your fingers or to catch space in a net. You can’t do it. Another analogy would be trying to bite your own teeth.
We say: I came into this world. We did nothing of the kind. We came out of this world, just the same way a baby comes out of a womb or an apple comes out of the tree and the apple therefore shows something about the nature of the tree. So, the human being likewise shows something of the nature of the universe. The universe is doing us…
So, I kind of thought: Well the birds don’t sit and discuss why they migrate, they just do! Trees don’t tell each other: My leaves are greener than yours, therefore I am the superior tree.
We can never be like the river just being a river or the frog just being a frog. Although we derive from a tadpole like structure we are nothing like tadpoles.
All of the animals, the universe just seems to get on with it, with no fuss, no hassle, nothing tells it to, or does it?
So, we come along, with the biggest brains and the upright gait. We believe everything has to complicated, so we invent things like philosophy and science and words and here we are!
Thanks for the tip with the radio station, will have a listen.
All the best…
Für mich ist absolut sicher, dass wir Menschen eine Tiergattung sind, deshalb sind deine Vergleiche zulässig. Obwohl wir uns in Worten abstrakt austauschen können, hebt es uns hierarchisch nicht über andere Tiere.
Alles sind Organismen, sie haben alle ökonomische Gemeinsamkeiten: Elektronen, Moleküle, Bakterien, Tiere und Pflanzen, Planeten, Sterne, Galaxien, das Universum usw. Die Gemeinsamkeiten liegen z.B. in einer Geburt, einer Lebenszeit, und dem Tod. Auch darin, dass es von allen Organismen stets eine Vielzahl gibt, die trotz der Gemeinsamkeiten höchst individuelles Verhalten zeigen. Also auch viele Nachbaruniversen. Und der Urknall war natürlich die Geburt, die durch Umwandlungsprozesse aus etwas anderem vorher entstanden ist.
Jeder Organismus kann ein mehr egozentrisches oder mehr nachhaltiges Verhalten zeigen. Der Übergang zwischen beiden ist fließend. Die Egozentriker sind kurzlebig und akkumulierend, die nachhaltigen Organismen sind ausgleichend und langlebig. Das Elektron empfängt Lichtwellen, und sendet sie wieder aus, es ist ausgleichend und langlebig. Ich nehme an, das Partnerteilchen, das Positron, ist extrem im Ego, akkumuliert die empfangenen Lichtquanten, und stirbt so einen frühen Tod wegen Fettleibigkeit (was noch zu beweisen wäre).
Der Mensch kann als Tier sein Großhirn missbrauchen, dann verhält er sich ähnlich zu einem gefräßigen Heuschreckenschwarm. Der Hang zum Tod ist dann einfach erzwungener Naturschutz, eine Selbstregulation der Natur. Das würde jeder Tiergattung bei krasser Vermehrung oder Resoucenverbrauch genauso widerfahren.
Links ist das 100% Ego/ICH, rechts 100% Altruismus/IHR:
Homo Deus/Terminator, Homo Curvatus/Narzisst, Homo Oeconomicus/der sich wissend gebende, Homo Amans/der Ahnungslose und Ausgleichende, Homo Stupido/der sich verschenkende
Human sind rechts Homo Amans und Homo Stupido, die einem neugierigen naiven Kleinkind ähneln. Der Homo Amans hat ein immerhin kleines Ego, damit kann er sich verteidigen. Nach links wird das Ego immer größer. Menschen, die stets glauben, zu wenig zu wissen, um eine Situation korrekt beurteilen zu können, sind deeskalierende Menschen. Die führen keinen Krieg, weil sie nicht zwischen gut und böse oder richtig und falsch unterscheiden können. Die Regelwerke des Homo Amans und des Homo Curvatus stehen orthogonal aufeinander, können also nicht gleichzeitig an der gleichen Stelle existieren. Sie annihilieren, wenn sie sich zu nahe kommen. Rutschen wir als Menschen zu weit nach links zum Homo Oeconomicus und darüber hinaus, dann kommen wir in ein Verhalten, dass sich selbst verstärkt, es ist eskalierend. Z.B. die Überzeugung, mit Härte, Schnelligkeit, Lautstärke, Dominanz, Manipulation, Leistung, Krediten u.a. sein Ziel erreichen zu können. Es führt in die Selbstzerstörung, darunter auch Krieg.
Die Organe eines Menschen sind für mich also Organismen. Und zwar Egozentriker, das bedeutet Soldaten in einer Seilschaft. Jeweils mit Spezialaufgaben. Die besonders wichtigen Organe sind redundant ausgelegt.
Ich sehe es wie du, dass z.B. der Bienenschwarm oder Ameisenhaufen in seiner Gesamtheit einen Organismus darstellt. Einen nachhaltigen Organismus. Dagegen stellt die einzelne Ameise ein krabbelndes Organ bzw. einen Soldaten dar. Alle Soldaten bilden eine Seilschaft.
Die Ameisen- oder Bienenkönigin dürfte nicht allein darüber bestimmen, wie es weiter geht. Ich vermute eine große Abhängigkeit der Königinnen von ihrem Volk. Bei den Menschen heißt der passende Spruch „die Politiker hängen ihr Fähnchen in den Wind“. Ich behaupte, unsere Politiker sind Mitläufer, bzw. Getriebene. Das gilt ausnahmslos, also auch für Hitler. Was passiert, bestimmt das Volk, und was sich in den Gehirnen an vorgeblichem Wissen ansammelt.
Je mehr sich das Ego-Programm in den Köpfen der Menschen manifestiert, desto mehr werden sie zu Soldaten. Diese Seilschaften versuchen, anders denkende Fremdkörper abzustoßen. Während ein humanes Volk aus Überzeugung auf Vielfalt und Meinungsfreiheit besteht, und jeder Mensch einen unabhängigen Organismus darstellt, wandelt es sich bei zunehmender Egozentrik in ein Heer, bei dem die Teilnehmer gleichgeschaltete Individuen (Organe) sind. Das Heer selbst ist der Organismus, wie bei einem Ameisenhaufen. Das Gewissen der Individuen ist deaktiviert, Befehl und Gehorsam und Hierachien regieren.
Die krasseste Gleichschaltung unserer Gehirne erfolgt derzeit über das Internet, es wird uns schwer auf die Füße fallen. Die Folgen sieht man bei Corona, bei der weltweit ein ähnliches Verhalten an den Tag gelegt wurde.
Absolute Ordnung gehört zum ICH, absolutes Chaos gehört zum IHR. Ein Heer wird in Ordnung gehalten, auch gedanklich. Allerdings verschlingt Ordnung eine Menge Energie, um so mehr, je extremer die Ordnung ist. Chaos entsteht ohne Energiezufuhr von selbst.
Im Extremfall ist ein Mensch ein Terminator (100% ICH), der nur auf Aufträge wartet, ansonsten bleibt er stehen. Da es dieses theoretische Extrem unter Menschen vermutlich nicht gibt, führen wir gerade Algorithem ein (auch gekünstelte Intelligenz). Solche Algorithem mimen den Terminator, denn sie sind absolut gewissenlos. Sie finden sich bereits in Kampfdrohnen, weil Kampfpiloten noch zu viel Zweifel (Humanität) zeigen könnten. Algorithmen werden bald bestimmen, wer noch ein Konto oder eine Wohnung bekommt. Das hängt von der Unterwerfung bzw. erfolgreicher Gehirnwäsche ab.
Von der Natur wird nur die Vielfalt nachhaltig unterstützt. Wenn also durch das WEF oder andere Mächte eine Gleichschaltung der Gehirne versucht wird, und das (vorübergehend) erfolgreich ist, dann wird das ganze zu einem Monopol, und zu einem gemeinsamen großen gleichgeschalteten Organismus. Und alle Monopole zerfallen zwangsläufig, weil der Energieaufwand zu ihrer Aufrechterhaltung zu groß wird. Vor dem Zerfall des Monopols wird es zu unfassbaren Brutalitäten kommen, die wir aus den Geschichtsbüchern kennen.
Mit jeder Frage, die gelöst scheint, entstehen tausend neue. Wir werden auf alle Ewigkeiten ahnungslose Deppen bleiben, das gilt ohne Ausnahme. Wenn man das akzepiert, wird es besser.
Greetings Hugo,
Wow, so much to think about… You blow my mind!
I will definitely consider what you talk about in more detail.
Thank you!
I’ve had a book for a while now from Josef Haid called, ‚Zeitalter der Freude‘ (Denken und handeln im Einklang mit der Evolution) which I must get out again.
The themes are much like what you describe.
Similar to Markus Aurelius ‚meditations‘, Mr Haid’s little book also has passages to meditate on and gives some thoughtful insight on the primordial forces.
Michael, I read some of your older posts and wanted to thank you for introducing me to the band mammut. Watched them on KEXP. Great!
Have a lovely weekend
Thanks a lot for reading my stuff – actually you’re only the second person aside from myself that ever talked (to me) about Mammut …
…Your welcome! I’m always listening to new music.
By the way, love your T-Shirt collection.