Belästigungen 21/2016: Wer holt den Donald da raus, bevor es zu spät ist?

Ich kann mich an keine Sekunde in meinem ganzen Leben erinnern, in der ich Lust gehabt hätte, mich mit Donald Trump zu beschäftigen.

Was ich in meinen Jahren als Fernseh- und Zeitungskonsument ungefragt über den Kerl vorgesetzt bekam, genügte bei weitem: rassistische Tiraden, frauenfeindliches Gewäsch, zwielichtiges bis kriminelles Milliardengescheffel, kapitalistischer Größenwahn, offensiv zur Schau getragene Vollidiotie und impertinente Großmaulerei, Misswahlengeschwiemel, Verblödungs-TV, allgemein und insgesamt mangelnder Anstand, absichtlich herbeigeführte Unansehnlichkeit bei gleichzeitiger maximaler Medienpräsenz, und dann ist er auch noch Nichtraucher und trinkt keinen Alkohol.

Nein, für so was ist die fadeste Zeit zu schade; da versucht man lieber, Semmelbrösel an die Wand zu nageln. Aber es hilft ja nichts – wenn die Medien erst mal entschieden haben, daß uns etwas zu interessieren hat, kommen wir dem nicht aus. Und seit der Enkelsohn der deutschen Familie Drumpf nach 2000 zum zweiten Mal beschlossen hat, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, die man auch hierzulande so stur als „Amerika“ bezeichnet, als hätte es Argentinien, Brasilien, Kuba, Ecuador, Kolumbien, Kanada, Kuba, Paraguay, Panama, Guatemala und ein paar andere Länder nie gegeben, entkommt man ihm buchstäblich keine Sekunde mehr. Kein zufällig aufgeschnapptes Straßengespräch, in dem es nicht um ihn geht, keine zehn Zentimeter Facebook ohne ihn.

Klar, möchte man meinen, schließlich ist Wahlkampf, oder nicht? Schon, aber ein solcher fand dieses Jahr auch in Portugal, Uganda, Siribati, der Slowakei, Benin, Kongo, Südkorea, Sambia, Gabun, Estland, Peru, Island, Australien, Japan usw. usf. statt, und wer von sich behaupten kann, auch nur die wichtigsten Kandidaten aufsagen zu können, der sollte sich beruflich in Richtung Kreuzworträtsel orientieren. Und auch wenn man konzedieren muß, daß die USA für uns von größerer Bedeutung sind als die Zentralafrikanische Republik – schon weil letztere weder McDonald’s noch Pepsi erfunden und nie vorhatte, in Europa einen Atomkrieg zu führen –, erscheint der Rummel doch ein bißchen übertrieben.

Wenn man genauer hinschaut, kriegt die sturmflutartige Vehemenz, mit der gewisse Medien insbesondere in den letzten Wochen gegen den Kandidaten Trump kämpfen und agitieren, einen unguten Schimmer, und wenn man auch nur peripher verfolgt, wie der Mann mit geradezu heroischem Eifer in jedes noch so unwahrscheinliche Fettnäpfchen hinein trumpt, fragt man sich unwillkürlich, was der eigentlich vorhat.

Es wäre nicht das erste Mal, daß die USA von Narren und Trotteln regiert werden. Andererseits sind, sagen wir mal: mächtige Kreise schon seit vielen Jahren emsig bemüht, endlich Hillary Clinton zur Präsidentin zu machen, um die ihrer Ansicht nach unter Barack Obama geringfügig ins Stocken geratene Expansions- und Kriegsmaschinerie wieder so richtig losrasseln zu lassen. Schließlich hat Clinton als Außenministerin am Exempel Libyen schon mal gezeigt, wie man einen ganzen Erdteil ins lukrative Chaos stürzt, und deutlich gemacht, daß sie einer „Auslöschung“ des Irans und einem Krieg gegen Rußland und China nicht im Weg stehen wird.

Pech für die mächtigen Kreise, daß Hillary Clinton aufgrund von Gründen noch vor Gundel Gaukeley so ziemlich die unbeliebteste Frau der ganzen Welt und speziell der USA ist. So was, lautet der Konsens, kann man höchstens zähneknirschend als „kleineres Übel“ wählen, um ein schlimmeres Übel zu verhindern (was absolut widersinnig, völliger Quatsch und trotzdem nicht nur in den USA üblich ist: Wer kann sich noch erinnern, wann oder ob er irgendwann mal etwas gewählt hat, was nicht nur das „kleinere Übel“ war?).

Also mußte ein Gegenkandidat her, der Clinton als „kleineres Übel“ erscheinen ließ. Ideal wäre ein kaputter Regenschirm, ein zwanzig Jahre alter Cheeseburger oder Adolf Hitler gewesen, aber die standen leider nicht zur Verfügung, und beim Hitler wäre die Kiste nicht mal richtig sicher gewesen.

Und hier kommt Donald Trump ins Spiel, alter Freund und ehemaliger Parteigenosse der Familie Clinton, den sein Kumpel und Golfpartner Bill kurz nach Bekanntgabe von Hillarys Kandidatur anrief und ermunterte, sich doch ein bißchen mehr bei den Republikanern zu engagieren. Der Tip kam Donald gerade recht, schließlich war er sowieso der Meinung, daß man ihm für seine windigen TV-Shows viel zu wenig Millionen in den Hintern butterte, und brauchte, um den Produzenten gegenüber effektiver auftrumpfen zu können, ordentlich Medienpräsenz. Zimperlich war er nie, und so schien es ihm die pfundigste Idee, mal so nebenbei zu verkünden, er werde der nächste oberste Führer der mächtigsten Nation des Universums.

Freilich hatte Trump weder ein Wahlkampfteam noch die nötige Infrastruktur, geschweige denn Redenschreiber oder überhaupt ein Manuskript und eine Ahnung von irgendwas. Aber das war ihm offenkundig wurst, schließlich wollte er ja nur mal wieder von Millionen bewundert und mit Milliarden beworfen werden und so richtig geil die Klappe aufreißen. Also plärrte er los, und Kameras und Schlagzeilengeneratoren konnten gar nicht genug kriegen von dem Veitstanz, den er seit letztem Sommer aufführte. Man kringelte sich vor Verblüffung und Lachen, kicherte über seine außerirdische Explosionsfrisur und den blühenden Bullshit, den der unbeherrschbare Polterer in die Welt setzte, ohne sich darum zu scheren, daß er sich mit jedem zweiten Satz selber widersprach.

Die mächtigen Kreise konnten sich derweil beruhigt zurücklehnen. Den innerparteilichen Widersacher Bernie Sanders würde man mit den üblichen Methoden aus dem Weg räumen, und da sie ebenso gut wie Trump selbst wußten, daß ein dermaßen wirrer Wüstling niemals gewählt werden konnte, schien der Weg frei für die Wunschkandidatin des militärisch-industriellen Komplexes zwischen Wall Street und Pentagon.

Allerdings wurden aus der blasierten Siegesgewißheit sehr bald kalte Füße und noch kälteres Entsetzen, als die vermeintliche Schießbudenfigur in den Vorwahlen einen Triumphzug hinlegte und zum meistgesendeten Promidummi der Fernsehgeschichte wurde, weil sich mit einem Schuß Trump noch der fadeste Vormittagsmüll zum Blockbuster aufblasen ließ. Der frisch gekürte Kandidat badete im Narzißmus und pfiff auf seine ursprüngliche Absicht, aus den Sendern ein bißchen mehr Geld für seine Shows herauszuleiern – schließlich war er jetzt Sonnenkönig Donald I. und der umjubelte Superstar jeder Fernsehshow des gesamten Planeten!

Bis ihm eines Tages (genauer gesagt: am 7. Juni) klarwurde, daß die Sache einen Haken hat: Es schien nun nämlich durchaus möglich, daß er die Wahl tatsächlich gewinnen würde. Dann wären erstens Hillary und ihre mächtigen Kreise mächtig sauer, und außerdem müßte er dann zumindest nach außen hin so tun, als beschäftigte er sich mit einer Art Politik, – und für vier Jahre in diese windige alte Bruchbude im Ghetto von Washington ziehen!

Und seitdem macht Donald Trump alles falsch, was man falschmachen kann, legt sich mit jedem an, der ihm einfällt – zuletzt besonders intensiv mit der eigenen Partei. Ein nicht zu überhörender Hilferuf: „Holt mich hier raus! Stoppt diesen Wahnsinn! Und tut es vor der Wahl, damit ich nicht am Ende als Verlierer in die Geschichte eingehe, sondern mich mit gestrecktem Mittelfinger und einem kernigen ‚Fuck you!‘ verzupfen kann!“

Warten wir mal ab, ob das Establishment dieser durch und durch verfaulten Partei genügend transatlantische „Qualitätsmedien“ liest, um rechtzeitig ein Einsehen zu haben und die Notbremse zu ziehen. Andererseits ist äußerst zweifelhaft, daß Hillary Clinton wirklich das „kleinere Übel“ darstellt, und wenn ich mich recht erinnere, habe ich noch in keiner Sekunde meines ganzen Lebens Lust gehabt, mich mit ihr zu beschäftigen. Aber wenn sie endlich erfolgreich ins Weiße Haus hineingepreßt ist, muß man das ja auch nicht mehr – zumindest bis der Krieg losgeht.

Die Kolumne „Belästigungen“ erscheint alle vierzehn Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.

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