Belästigungen 09/2021: Hurra, wir leugnen das Klima!

Na, funktioniert der Beißreflex noch, der sofort zuschnappt, wenn das L-Wort ins Spiel kommt? Wahrscheinlich eher nicht, denn während es relativ leicht fällt, „Corona“ zu leugnen („Virus? Was man nicht sieht, gibt es nicht! Maßnahmen? Was für Maßnahmen? Ist doch gar kein echter Lockdown! Great Reset? Solln das sein?“), geht das mit dem Klima auf Anhieb schon um einiges schwerer. Weil es nun mal da ist und auch dann nicht weggeht, wenn man sich in freiwilligen Quarantäne-Hausarrest sperrt oder mit Staubschutzfilter durch den Perlacher Forst radelt.

Daß sich das Klima auf der Erde verändert, ist ebenfalls nicht zu leugnen. Das tut es im Grunde schon immer – die Klimata (oder Klimen?), die über neunzig Prozent der Erdgeschichte herrschten, hätte zum Beispiel ein Markus Söder auch mit vierlagiger Plastikasbestmaske höchstens ein paar Minuten überlebt. Aber wer meint, die rasanten Veränderungen der letzten Jahrzehnte hätten nichts mit dem Menschen und seiner wahnhaften Sucht nach Wirtschaftswachstum, Energieverbrauch, Technikfortschritt und karnickeliger Vermehrung zu tun, der muß schon mindestens so wirr argumentieren wie Lauterbach und Drosten zusammen an einem besonders guten Tag.

Andererseits sollen wir, wenn wir „Corona“ in einer weltweiten Heldenleistung endlich niedergerungen haben, als nächstes das Klima niederringen. Nein: „retten“ sollen wir es! oder „schützen“! Weil Facebook und das World Economic Forum das sagen, und die wissen nun mal, was wichtig ist!

Das Klima ist, grob gesagt: ein chaotischer Wirrwarr aus Milliarden und Abermilliarden von Vorgängen, Wechselwirkungen, Erscheinungen, Auswirkungen und Auswirkungen von Auswirkungen, unendlich klein bis unendlich groß, der sich ständig und überall verändert und sich trotzdem periodisch ähnelt, wobei sich aber auch die Perioden und die Ähnlichkeiten verändern. Auf lange Sicht verändert sich so gut wie alles, minimal bis fundamental, und in ein paar Millionen Jahren wird das Klima auf der Erde insgesamt  ziemlich ungemütlich für so ziemlich alle Lebewesen, die wir heute kennen: ungefähr so wie auf der Venus nämlich. Das interessiert aber höchstens Klaus Schwab, Bill Gates und die übrige Clique der Transhumanisten, die zur Zeit das Bruttosozialprodukt der ganzen Welt abzapfen, um sich in unsterbliche Digitalandroiden verwandeln zu lassen.

Irgendwann platzt sowieso die Sonne, und ob man das, was dann passiert, noch als „Klima“ bezeichnen kann, mögen selbige Transhumanisten diskutieren, falls sie ihren geschmolzenen Blechkisten vor der Verpuffung noch ein paar elektrische Impulse entlocken können.

Dieses Klima kann man freilich leugnen und behaupten, das Klima sei in Wirklichkeit ein Trupp freundlicher Heinzelmännchen, von der guten Mutter Erde geschickt, damit es der Mensch auf der Erde wohlig hat und in alle Ewigkeit wirtschaftswachsen und gedeihen und den Kapitalismus vorantreiben kann, „grün“ selbstverständlich und „nachhaltig“. Und damit das nicht irgendwann plötzlich „stockt“ oder „in Schieflage“ gerät, muß man die Heinzelmännchen „schützen“ oder notfalls „retten“.

Der Wahn, das Klima „schützen“ und „retten“ zu wollen, ist als pseudoreligiöser Kult nicht unbedingt dumm oder verrückt, sondern vor allem infantil: Das Kind, dem seine Lieblingstasse aus der Hand fällt und zerbricht, will sie selbstverständlich wieder ganz haben, und die Einsicht, daß das nicht geht (und sei’s nur weil die gemeinen Eltern nicht wollen), ist eine traurige Erfahrung, aus der das Kind (mindestens) zwei Dinge lernt: erstens daß Sachen kaputtgehen, wenn man Pech hat oder nicht aufpaßt, zweitens das nächste Mal besser aufzupassen.

Ein erwachsener Mensch, der das Klima, das er gewohnt war, „schützen“ oder „retten“ will, ist also infantil. Wenn er sich einbildet, er wolle das nicht nur, sondern könne es auch, ist er größenwahnsinnig und gemeingefährlich. Das gliche dem Versuch, die zerbrochene Tasse zu „retten“, indem man mit ungeheurem Aufwand eine Maschine baut, die zunächst die Millionen einzelnen Schritte des Zerbrechens rekonstruiert und sie dann sozusagen rückwärts gegen das Naturgesetz der Entropie wiederholt. Möglich wäre das vielleicht sogar, aber der Einsatz an Energie, Zeit, Rohstoffen und geistiger Arbeit ließe sich auch dafür nutzen, entweder Millionen neuer, schönerer Tassen herzustellen oder fast alle anderen gegenwärtig wichtigen Probleme auf einen Schlag zu lösen.

(Oder sagen wir so: Jemand zündet aus Versehen sein Haus an, steht drei Tage später vor der dampfenden Ruine und glaubt, das ganze Malheur locker rückgängig machen zu können, wenn er das Rauchen aufhört.)

Es geht aber noch schlimmer: Man kann offenbar so verrückt werden, daß man absolut keine Zusammenhänge und zeitlichen Abfolgen mehr begreift, und wenn dann noch der technokratische Irrwitz ins Spiel kommt, ist es ganz vorbei mit jeglicher Zurechnungsfähigkeit. Dann sieht man zum Beispiel, daß der Meeresspiegel steigt, weil das Eis an den Polen schmilzt, daß deswegen Küsten und Inseln unbewohnbar werden, und schließt messerscharf: Na gut! Dann bauen wir zweihundert Millionen Elektroautos, und schon sinkt der Meeresspiegel wieder! Weil dann das Eis wieder fest wird und wir es zurück zu den Polen schaufeln können!

Wenn man Leuten mit solchen Wahnvorstellungen ein bißchen was über das Klima erklärt, über seine Komplexität, seinen dauerhaften Wandel, seine Unwägbarkeiten, dann fangen sie sofort das Leugnen an und behaupten, das sei alles vom „wissenschaftlichen Konsens“ widerlegt und falsch. Vielmehr sei „das Klima“ ein Idealzustand, den man „schützen“, „retten“, modellieren und „engineeren“ könne, um mit „künstlicher Intelligenz“ und ein paar „Maßnahmen“ ein ewiges Paradies zu schaffen.

Mitten in dem derzeit überschwemmten Altenahr, das laut Mainstream-„Experten“ ein solches Hochwasser „seit Jahrhunderten nicht erlebt“ hat, steht eine kleine Kapelle, die die Flut unbeschadet überstanden hat. Früher, vor fast tausend Jahren stand diese Kapelle auch schon – ein Stück entfernt, die Stelle hatte man wegen diverser ähnlicher Fluten in der früheren Vergangenheit ausgewählt. Beim gewaltigen Hochwasser im Juli 1804 (das ganze Berge abrutschen ließ) wurde sie jedoch weggeschwemmt. Drum dachte und rechnete man noch mal nach und baute sie wieder auf. Und siehe da: Die folgenden Fluten (es waren dutzende, besonders schlimm 1859, 1882, 1910, 1920, 1926, 1970, 1983, 1988, 1993, 1995) konnten dem Kirchlein nichts anhaben. Im Krieg wurde es zerbombt und mußte die „Jahrhundertflut“ von 1955 nicht  miterleben. Erst 1962 baute man es wieder auf, und zwar „hochwassersicher“.

Vielleicht wäre es gescheiter, aus der Geschichte dieser Kapelle etwas zu lernen – und seien es nur Demut und praktische Klugheit – statt den missionarischen Klimaleugnern, die sich aufgrund ihres Reichtums und ihrer Macht für Gott halten, hinterherzulaufen (oder im E-Auto hinterherzufahren) und ihre größenwahnsinnigen Ideen nachzuplappern oder gar zu versuchen, sie in praktische „Projekte“ mit unabsehbaren Katastrophenfolgen umzusetzen? Sondern sie zu stoppen – und mit ihnen gleich den ganzen Wachstumswahn, die Reichtumsanhäufung, den technokratischen Murks und die militärische Mordmaschine?

Dann könnten wir auf diesem Planeten nämlich noch ein paar tausend Jahre recht gemütlich leben.

Die Kolumne „Belästigungen“ erschien bis April 2020 alle vierzehn Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN. Dann konnte das Heft aufgrund der von Bundesregierung und bayerischer Staatsregierung verfügten „Corona“-Sanktionen nicht erscheinen, weil kulturelle Veranstaltungen und Vergnügungen verboten waren. Inzwischen sind einige unter strengen Auflagen wieder erlaubt, und das Heft erscheint vorläufig monatlich. Diese Folge erschien in der August-Ausgabe.

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