Belästigungen 17/2015: Erst fällt ein Schild, dann schrumpft die Stadt, und keiner weiß, was los ist

Eine Stadt ist ein ganz schön gewaltiges Konglomerat von Zeugs. Da kann schon mal was verlorengehen, ohne daß einer was merkt. Zum Beispiel ist mir vor vielen Jahren mal fast ein Straßenschild auf den Kopf gefallen, als ich an einer Kreuzung stand und auf Grün wartete. Es hing da so, als hätte es ein paar Maß zuviel getrunken und im Überschwang der rauschigen Lust eine Mutprobe unternommen, die typisch peinlich damit endete, daß es eben so rumhing und ächzte und mir bei einer vorsichtigen Berührung – pleng! – vor die Füße fiel.

Ich beschloß, dem Schild ein neues Zuhause zu geben. Vielleicht konnte man es (die Achtziger!) als originelle Salatschüssel oder ähnlich verwenden, und sowieso ist der Mensch nun mal ein Sammler. Seitdem steht das Schild im Keller. „Belästigungen 17/2015: Erst fällt ein Schild, dann schrumpft die Stadt, und keiner weiß, was los ist“ weiterlesen

Frisch gepreßt #345: The Legends „It’s Love“

Das ist nicht nur im Sommer so, aber da besonders: daß einem das sogenannte Leben, sobald man sich den Adern und Organen der Stadt und der Welt nähert, mit metallischer, säurescharfer, grell blendender Härte entgegenknallt und einen anpeitscht, als wäre es und alles ein globaler Wettbewerb im Brüllen, Schlagen, Brettern. Als ginge es darum, mit allen Mitteln und einem sämtliche Sinne betäubenden Feuerwerk eine Sehnsucht zu betäuben, die im Grunde jedem und allem innewohnt, die aber offenbar irgendwie nicht hineinpaßt in den verbissenen Mechanismus, dem sich angeblich alles einpassen muß: „Frisch gepreßt #345: The Legends „It’s Love““ weiterlesen

Frisch gepreßt #344: Pete Townshend „Truancy – The Very Best“

Ach, ist sie nicht schön, die Zeit der Schafskälte, in der man, während es draußen stürmt und schüttet und die Wolkenspedition ihre Tiefladerflotte aus ozeanischem Dunkelgrau in einem gewaltigen Stauchaos von Küste zu Küste tuckern lässt, müßig dasitzen kann und ohne schlechtes Gewissen gegenüber Fräulein Sonne (i. A.) in virtuellen Plattenkisten wühlen, dies und das herausziehen, über dieses und jenes stolpern, von dessen Existenz man das alte Männlein im Hinterstüberl des Zufallsgedächtnisses munkeln gehört hat? Ist sie. „Frisch gepreßt #344: Pete Townshend „Truancy – The Very Best““ weiterlesen

Belästigungen 16/2015: Was Wohnen ist, was es kostet und was es nicht kosten darf

In einem Sommer wie dem, der nun langsam zu Ende geht, fällt es schwer, sich mit dem Thema „Wohnen“ zu befassen, weil man Wohnungen in solchen Zeiten ja höchstens zwischendurch aufsucht, ein paar Stunden lang zum Schlafen oder so. Ansonsten ergeht bzw. erliegt oder -sitzt man sich an Seen und Isarstränden, in Bier- und anderen Gärten, auf Wiesen und Festen. Anders Geneigte reihen sich in Staus auf Autobahnen ein, um mal wieder ausgiebig Bayern drei hören und überprüfen zu können, welche der fünfzig Standardplatten aus den Achtzigern immer noch nicht ganz durchgenudelt sind, oder sammeln sich an „Hipster“-Sammelstellen, lassen sich von Freiluftreklame beplärren und schütten sich Zuckerplörre in den Diekmann-Bart. „Belästigungen 16/2015: Was Wohnen ist, was es kostet und was es nicht kosten darf“ weiterlesen

Belästigungen 15/2015: Haltet ein, ihr Gerechten! Blumen und Liebe für Wolfgang Schäuble!

Ich werde durchschnittlich zwei- bis viermal pro Woche von Wespen gestochen, die die fauligen Restkirschen unter meinem Baum zusammenlutschen und auf die ich mangels Augen an den Zehen zwangsläufig trete. Das ist (für mich) nicht weiter tragisch: Wespenstiche regen den Kreislauf an, eine Blutvergiftung ist angesichts der ausschließlichen Ernährung der Hautflüglerrabauken von Steinfrüchten kaum zu befürchten, und weitere Folgen wie Schwellungen und tagelanges Jucken lassen sich mit einer kurzen Wärmebehandlung verhindern.

Wahrscheinlich aber enthalten die vergorenen Kirschen doch einiges an Alkohol, der die Viecher übermütig macht, ihre Rachsucht anstachelt (!) und sie nach Vergeltung dürsten läßt. Gestern nämlich habe ich einen ihrer wieder mal ziemlich unkoordiniert in Bodennähe herumtorkelnden Kameraden höchstens (wenn überhaupt) leicht touchiert. „Belästigungen 15/2015: Haltet ein, ihr Gerechten! Blumen und Liebe für Wolfgang Schäuble!“ weiterlesen

Aus dem Archiv (2004): Dynastiendämmerung – The Fall of the House of Strauß

Es ist von enormem Vorteil, daß die meisten Menschen in München, Wolfratshausen, Unterhaching, in ganz Bayern, überhaupt in den diversen Wertschöpfungseinheiten der je nach Gesichtskreis stotternden oder brummenden „Deutschland AG“ immer nur kurz verweilen dürfen, um sodann weiterverhartzt zu werden oder im extremen Durchmodernisierungsfall auch freiwillig von genormtem Ort zu genormtem Ort ziehen, um im Takt der Wirtschaft „weiterzukommen“ und für kurze Zeit „vorne“ zu sein. „Aus dem Archiv (2004): Dynastiendämmerung – The Fall of the House of Strauß“ weiterlesen

Frisch gepreßt #343: Giorgio Moroder „Deja-vu“

 

Eine liebe Freundin hat ein großes Faible für die … hm, Discokultur. Zumindest dachte ich das, denn mit einer entsprechenden Playlist kann man fast jederzeit zuverlässig ihr Herz in (diskrete) Jauchzlaune versetzen: „MacArthur Park“, „Son Of My Father“, „Hot Stuff“, „No 1 in Heaven“, „Call Me“, „Life in Tokyo“, „I Feel Love“ könnten dabei sein, und wir können uns die Aufzählung der Interpreten eigentlich sparen; es genügt, den Mann dahinter zu … hm, kennen (Erklärung folgt). „Frisch gepreßt #343: Giorgio Moroder „Deja-vu““ weiterlesen

Frisch gepreßt #342: The Rolling Stones „Sticky Fingers“

Das Schöne an der Vielfalt ist die AUSWAHL. Eine Binsenweisheit. Wer mag, kann sich diese, letzte, nächste Woche mit neuen Alben dermaßen weiträumig, -läufig und grenzenlos zudröhnen/beschäftigen/die Zeit vertreiben, daß es nur so schillert: von Ash bis The Darkness, von den Prinzen bis Helloween; er kann sich auch 14 CDs mit sieben kompletten Yes-Konzerten von 1972 „reinziehen“, in Schlagerquark baden, mit Hardcore das Haus abreißen, den Kopf mit Reimen über bitches, dudes und dies und das vollstopfen … es ist alles da, modellgerecht und handwerklich top gefertigt.

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Belästigungen 13/2011: Kunst, Regime, Kommerz und Krampf: O weh und Ach und Ai Weiwei!

Die Kapazitäten des menschlichen Gehirns sind begrenzt. Das wissen wir nicht erst von dem ehemaligen, nunmehr laut Hofberichterstattung (i. e. Wirtschaftsjournalismus) unter Mitnahme einer zweistelligen Millionensumme „gefallenen“ Bertelsmann-Manager Thomas Middelhoff, der neulich mal wieder vor Gericht mußte und dabei die Frage nach seinem Alter erst im dritten Versuch – 53, nein, Jahrgang 53, also … 54 … (Gelächter und Gemurmel im Publikum) … ähem, 58 – richtig beantworten konnte.

Nein, daß in unser Hirn nicht alles hineinpaßt, zumindest nicht ohne querzustehen, anzustoßen oder irgendwas anderes umzustoßen, das erfahren wir meist dann am eindrücklichsten, wenn es um Kunst oder genauer gesagt: um die Frage geht, was Kunst sei, für was sie gut sein soll und ob sie überhaupt „gut“ ist. Zum Beispiel stehen in dem Teich vor der Blutenburg in Obermenzing seit 2005 drei grün bemalte Dinger herum, die „sich aufrichtende Halme“ darstellen sollen (ohne sich in irgendeiner Weise zu bewegen oder gar aufzurichten), von denen auf den ersten – oder überhaupt einen Blick – niemand so recht zu sagen wüßte, was sie da sollen. „Belästigungen 13/2011: Kunst, Regime, Kommerz und Krampf: O weh und Ach und Ai Weiwei!“ weiterlesen

Belästigungen 14/2015: Wenn die Krähen eine Idee haben … haben die Menschen wohl auch eine Idee gehabt

Soweit ich weiß, sind Krähen und Menschen die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, die ab und zu Ideen haben. Andere Viecher lösen ihre Probleme anders: Hunde bellen sie so lange an, bis sie weggehen oder durch etwas Eßbares ersetzt werden; Katzen legen sich daneben, schlafen ein und haben beim Aufwachen vergessen, was das Problem war (und alles andere auch). Ameisen tragen einfach alles weg oder fressen es zusammen. Hasen haben keine Probleme, solange irgendwo was Grünes wächst, und wenn sie doch mal ein Problem haben, merken sie’s erst, wenn es zu spät ist.

Der Unterschied zwischen Menschen und Krähen ist, daß die Ideen der Rabenvögel meistens recht pfiffig und elegant sind, während die Sachen, auf die der Mensch so kommt, im Normalfall ziemlich ausarten. „Belästigungen 14/2015: Wenn die Krähen eine Idee haben … haben die Menschen wohl auch eine Idee gehabt“ weiterlesen

Frisch gepreßt #341: Palma Violets „Danger In The Club“

Einen Urknall erkennt man manchmal nicht unbedingt daran, was plötzlich alles da ist, sondern vielmehr an dem, was plötzlich nicht mehr da oder zumindest nicht mehr sicht- und unterscheidbar ist.

Zum Beispiel war die gesamte Popmusik vor ungefähr zweieinhalb Jahren, als die erste Single der Londoner Band Palma Violets erschien, mit einem Schlag ziemlich leer: Da surrten und bifften im riesigen Nichts lediglich ein paar belanglose, weitgehend identische Elementarteilchen herum, während der gesamte gerade scheinbar noch so bunt wimmelnde Kosmos überstrahlt und erleuchtet war vom tiefblauen Licht, von der dunkel wogenden Energie einer Band, mit der niemand im Traum gerechnet hatte.
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Belästigungen 13/2015: Von der umgekehrten Kompatibilität des Krenweiberls (eine erzkonservative Tirade)

Ein guter Freund hatte neulich ein Computerproblem, das relativ typisch ist: Er lud sich ein paar Programme runter und stellte nach kurzer Zeit fest, daß diese Programme „Updates“ verlangten, die mit seinem „alten“ Betriebssystem nicht kompatibel waren, sondern nur mit einem mindestens mittelalten, am besten aber neuen. Neue Betriebssysteme funktionieren grundsätzlich selten, und wenn doch, legen sie nicht mehr ganz neue Computer zuverlässig so lahm, daß deren Benutzer täglich ungefähr so viel Zeit damit zubringen, lustig animierte Eieruhren und Brummkreisel anzuglotzen, wie man früher damit zubrachte, Bücher zu lesen, Gespräche zu führen, zum Baden zu fahren, im Wald spazieren zu gehen, Eis zu essen und Sex zu haben. „Belästigungen 13/2015: Von der umgekehrten Kompatibilität des Krenweiberls (eine erzkonservative Tirade)“ weiterlesen

Belästigungen 12/2015: Eine Marginalie, freilich, aber so fängt es doch immer an (oder auch nicht)

In den letzten Jahren ist viel von Demokratie, Bürgerrechten und Zivilcourage die Rede – vor allem in der Auslandsberichterstattung, wo es darum geht, dem deutschen Bürger schmackhaft zu machen, daß zwecks Erlangung dieser „Werte“ in anderen Ländern Umstürze, Staatsstreiche und Militäreinsätze unabdingbar sind. Wie gut, salbadern dann stets die Kommentatoren, daß es bei uns eine Verfassung gibt, die die Grundrechte schützt.

Jawohl, gut so, und daß die bayerische Verfassung kaum noch einer kennt, ist ja wurst, solange wohlmeinende Behörden und Beamte dafür sorgen, daß sie weiterhin getreu umgesetzt wird. Verfassungen allerdings gibt es anderswo auch; da steht indes möglicherweise nicht überall etwas von der Zugänglichkeit und Allgemeinverfügbarkeit des öffentlichen Raums drin. „Belästigungen 12/2015: Eine Marginalie, freilich, aber so fängt es doch immer an (oder auch nicht)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #340: Blur „The Magic Whip“

Wie unfaßbar bedeutend und absurd depptrottelig lächerlich zugleich Popmusik sein kann, zeigt kaum ein Casus so beispielhaft wie die legendäre „Rivalität“ zwischen Blur und Oasis in der Goldenen Ära des Britpop vor zwanzig Jahren. Da scherte sich eine ganze (internationale) Nation ein paar Wochen und Monate lang um kaum etwas als die Hin-und-Her-Schimpferei zweier Popgruppen bzw. ihrer Hauptprotagonisten, Mitarbeiter und Fans. „Frisch gepreßt #340: Blur „The Magic Whip““ weiterlesen

Belästigungen 11/2015: Schleichende Demütigung zwischen Panzerbolidenampeln und sündigem Bauch

Einer der fiesesten Tricks moderner Herrschaft ist die schleichende Demütigung. Die sieht man zum Beispiel an Ampeln: Weil sich München aus Gründen der Propaganda als Stadt der Fußgänger und Radfahrer aufführen muß (um nicht am Ende „lebensunwert“ zu werden), weist man zum Beispiel unsere Straße als „Fahrradstraße“ aus. Das heißt, man klebt entsprechende Beschriftungen aus Plastikteer auf die Fahrbahn, die, wenn bei Temperaturen über null Grad Autos drüberfahren, nach ein paar Tagen unlesbar verschmiert sind, und stellt hier und da noch mehr Schilder auf, als sowieso schon herumstehen.

Ansonsten hat das Ganze keinerlei Wirkung. Die Autofahrer mit ihren Panzerboliden brettern mit dem Telephon am Ohr hindurch wie eh und je und stellen ihre Panzerboliden in die wegen den immer fetter werdenden Panzerboliden nötigen Querparkplätze so hinein, daß die auf den Bürgersteig flüchtenden Radler garantiert nicht mehr durchkommen (ebensowenig wie die Fußgänger, aber die haben ja in einer „Fahrradstraße“ sowieso nichts verloren), „Belästigungen 11/2015: Schleichende Demütigung zwischen Panzerbolidenampeln und sündigem Bauch“ weiterlesen