Belästigungen #433: Über rinks und lechz und manches, was man (nicht mehr) velwechsert

Nazis haben es nicht leicht. Das liegt (sorry, banal) daran, daß sie Rechte sind. Linke nämlich, das hat meine gesegnete Generation von ihren Schullehrern gelernt, sind verwahrloste, moralisch zerlumpte Gestalten, die grundsätzlich gegen alles sind, was Deutschland voranbringt, keinerlei Autorität achten und nichts im Sinn haben als zweifelhaft-zwielichtige Vergnügungen, qualmige Bewußtseinserweiterung, zügellose Triebbefriedigung, kindlich-kindische Ignoranz gegenüber sämtlichen Autoritäten und randalierende Mißachtung gesellschaftlicher Eigentumsverhältnisse – auf deutsch: Linke knallen sich die Birne zu, pimpern auch tagsüber, reden schlau daher und machen alles kaputt, was nicht ihnen gehört. Also: alles. Weil Linken sowieso nie was gehört, weil sie vor lauter Faulenzen, Pimpern, Aufmucken und Qualmen nicht zum Arbeiten kommen und deswegen als besitzlose Vagabunden durch die Welt strolchen.

Vor allem: lachen sie, kichern, gackern, grinsen, höhnen und spotten über alles, was dem aufrechten Deutschbürger mit Besenstiel im Hintern heilig ist. Hierin liegt das entscheidende Symptom, das nicht nur das Entstehen eines „rechten“ Kabaretts ausschließt und linke von rechter Musik unterscheidet (man höre zur Verdeutlichung The Clash und die Böhsen Onkelz nacheinander und versuche in beiden Fällen positiv-euphorischen Frohsinn zu empfinden), sondern z. B. auch die derzeit auf dem Medienmarkt hegemonial herumrüpelnden Wird-man-wohl-noch-sagen-dürfen-Giftzwerge und ihre maulschaumigen Tiraden gegen alles, was weibisch, schwul, „politisch korrekt“, muselmanisch oder sonstwie nicht stählern deutsch und gehorsam-strebsam ist, von linken Kapitalismusbeschimpfungen.

Der Rechte kennt keinen Witz, sondern höchstens in Ausnahmefällen einen „Humor“, der sich in den freien Minuten zwischen Drill, Aufmarsch und Fahnenweihe beim Zwangsschnapsgelage mit den „Kameraden“ in hämischem Har-Har-Har (zur Verdeutlichung gerne mit Doppel-r schreiben) über Mißgeschick und Mißhandlung von Schwächeren und Andersartigen entlädt.

In den letzten Jahr(zehnt)en hat sich hier einiges verwischt und verschoben. Spätestens seit Nazis in Che-Guevara-T-Shirts herumlaufen und autonomen Aktionismus üben, seit ehemalige Anarchisten flammende Reden für die Erweiterung der NATO bis an die russische Grenze schwingen und vermeintliche Freidenker Freundschaften kündigen, weil jemand aus Versehen „Neger“ sagt, kann man sich einer gewissen Verunsicherung nicht erwehren und möchte meinen, die hierzuländische Gesamtgesellschaft sei infolge von Verschwörung, Viruserkrankung oder historisch-genetisch bedingter Hirnerweichung so weit nach rechts marschiert, daß plötzlich Franz Josef Strauß in seiner ganzen Rüpelmonströsität und (traditionell ebenfalls rechten) Raffgier links wieder herausflutscht, weil er wenigstens das ab und zu konnte: herzhaft lachen über die bornierte Blödigkeit der Spießer, die ihn trotzdem unverdrossen wählten.

Mag sein, daß wir zum Beispiel auf das Theater der „Grünen“ nie hereingefallen sind und hinter der rauschebärtigen Stricklieslfassade von Anfang an den gelackten protestantischen Mittelschichtkarrierismus vermutet haben, der heute als energiegewendeter Wachstumsfanatismus die FDP ersetzt. Mag auch sein, daß in Sachen politisch-mentaler Verortung in Deutschland sowieso schon lange vieles durcheinander purzelt, weil es da schließlich bis vor einem Vierteljahrhundert einen ganzen Staat gab, den manch Vollverwirrter „links“ wähnte (was ein Staat von Haus aus nie sein kann, aber diese Debatte wollen wir uns heute ersparen).

Um so schöner, wenn die Fronten mal wieder geradegerückt werden, und das verdanken wir ausgerechnet der NPD, die neuerdings bemüht ist, sich durch Distanzierung von allzu offensichtlich „nationalsozialistisch“ ausgerichteten Mitgliedern als „nationaldemokratisch“ zu inszenieren, weil ersteres verboten und zweiteres bloß ein Schmarrn ist (dem zudem große Teile von CDU/CSU, FDP und anderen Parteien ebenfalls anhängen).

Ausgerechnet einem Mann mit dem Nachnamen Marx verdanken wir, daß zumindest in anderer Hinsicht einiges wieder klarer wird: Der heißt vornamentlich Peter, war viele Jahre (wegen Wahlbetrug verurteilter) NPD-Generalsekretär und ließ sich unlängst auf einer Party photographieren – in Gesellschaft einer Torte in Penisform und einer ehemaligen Pornodarstellerin (die nach ihrer, ähem, „schlüpfrigen“ Berufslaufbahn unter dem Motto „Ich prostituiere mich wieder! Der Escortservice heißt Deutschland!“ für die NPD tätig wurde). Und mußte daraufhin zurücktreten. Nazis haben es, wie gesagt, halt nicht leicht, das kann der ebenfalls ehemalige Bundesvorsitzende der NPD bestätigen, der wegen seines „Sprachfehlers“ für untauglich erklärt und nach einem homosexuellen „Übergriff“ gegen einen „jungen Kameraden“ (an den er „alkoholbedingt keine Erinnerung“ hatte) aus der Partei geschmuddelt wurde.

Es mag müßig sein, über die Zusammenhänge von Prallsuff, Witzlosigkeit, sexueller Biederverklemmung (mit entsprechenden Ventilationen, notfalls in Har-Har-Har-Kuchenform) und rechter „Gesinnung“ zu diskutieren. Deutlich ist aber nun endlich wieder, daß der Unterschied zwischen links und rechts ein ziemlich grundlegender ist, der damit zu tun hat, ob es einem gelingt, über alles und notfalls auch sich selbst zu lachen. Und ob man es (deswegen) insgesamt doch verhältnismäßig leicht hat.

Die Kolumne „Belästigungen“ erscheint alle 14 Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.

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