Belästigungen 11/2016: Wie man mit einem Blatt Papier das Universum der düsteren Einsamkeit zum Platzen bringt

Daß das bestimmende Gefühl des modernen Lebens die Einsamkeit ist, wirkt auf den ersten Blick etwas paradox, schließlich gab es nie zuvor in der Menschheitsgeschichte ein solches Gerödel von angeblicher Kommunikation, von sogenannten Kontakten, trällernden Events und öffentlichem Rumsbums. Aber dann kommen zum Beispiel ein paar Eisheilige daher und schleudern einen in den Winter zurück, und man sitzt an schwarzgrauen Fenstern und starrt hinaus in eine Düsternis, die sich ins Unendliche zu dehnen scheint. Und man ist: einsam.

Daß der moderne Mensch so impertinent einsam sich zumindest fühlt, mag auch daran liegen, daß er kein samtiges, schützendes Himmelszelt mehr über sich weiß, unter dem sich die Welt und er als Mittelpunkt eines beschaulichen Weltenraums gemütlich dahindreht. „Belästigungen 11/2016: Wie man mit einem Blatt Papier das Universum der düsteren Einsamkeit zum Platzen bringt“ weiterlesen

Belästigungen #416: Zwischen Weisheit und Inkonsequenz ist nur ein kleiner Riß

F hat mir erzählt, wie sie neulich über ihren Schatten gesprungen ist, der in diesem Fall allerdings weniger ihr eigener war als der einer kollektiven Verblödung, der wir alle manchmal verfallen. Sie habe eines ansonsten normalen Abends diesen Typen in der Kneipe gesehen und gespürt, wie ihr ganz seltsam wurde, und sofort seien die üblichen Gedanken durch ihr Hirn paradiert wie eine Schafherde über den Steg: Mal sehen, was er sagt/tut/ob er was sagt/tut. Ach, wie gerne würde ich. Wird sich schon ergeben, wenn/falls. Gerade noch rechtzeitig vor „wäre wahrscheinlich sowieso nicht“ habe sie die Bremse gezogen, sei einfach hingegangen und habe irgendwas absolut Saudummes gesagt, für das man sich im normalen Leben unter den Tisch und durch die Bodendielen hindurch in die Schwabinger Kanalisation hinunterschämen müßte. Was aber in diesem Fall – wie in jedem Fall – genau das Richtige war: Er sagte irgendwas noch Saudümmeres, und nach zwei Minuten war eines dieser Gespräche im Gang, aus denen die größten Popsongs aller Zeiten entstanden sind. „Belästigungen #416: Zwischen Weisheit und Inkonsequenz ist nur ein kleiner Riß“ weiterlesen

Belästigungen #415: Vom „Single“ zum „Double“ und (endlich! wieder!) zurück

Das Wort „Single“ gab es schon, als ich ein Kind war und ansonsten kaum Anglizismen im Alltagssprech herumschwirrten. Damals bezeichnete es kleine, grellbunt verpackte Vinylscheiben, Zauberwerke der Popkultur, die alle paar Wochen einen neuen Wahnsinnshit meiner Glamrock-Helden Slade, T. Rex, Bowie, Sweet, Roxy und Alice Cooper ins Haus dröhnten und den Aspirinkonsum unter Eltern ankurbelten. Ein paar Jahre später, als die Springerpresse den Deutschen endlich ihr Solidaritätsgedusel ausgetrieben und die Lambsdorf-Kamarilla den Wirtschaftsfaschismus als neue Staats- und Gesellschaftsraison durchgepeitscht hatte, war „Single“ keine Platte mehr, sondern ein Mensch, der sich aus freien Stücken entschlossen haben wollte, ohne lästige Anhängsel wie Ehepartner und Bamsenbagage durch ein Leben der sensationellen Berufserfolge und Freizeitbelustigungen zu flanieren – ein Heros der neoliberalen Ära, frei und selbstbestimmt im globalen Supermarkt der Achtziger. „Belästigungen #415: Vom „Single“ zum „Double“ und (endlich! wieder!) zurück“ weiterlesen