(periphere Notate): Bier! Schweiß! Kunstsperma!

Das ist so billig, daß es als Komödie schon wieder nett ist: Man öffnet die Schulen und testet sämtliche Schüler zweimal die Woche. Dadurch geht die „Inzidenz“ zwangsläufig nach oben – bis man die Schulen wieder schließen muß und die Schüler nicht mehr zu testen braucht. Dadurch geht die „Inzidenz“ wieder runter. Dann stellt man sich hin und behauptet freudestrahlend, das liege am „Bundeslockdown“ und den Ausgangssperren. Daß Herr Wieler und Herr Spahn nicht kapieren, was für ein Schwachsinn das ist, mag man sich notfalls noch vorstellen können. Daß es gut ausgebildete, unabhängige und denkfähige Journalisten nicht kapieren, halte ich für ausgeschlossen.

Ich möchte mich nicht dazu äußern, was das über gewisse Journalisten sagt. Andererseits stelle ich in gewissen Kreisen eine gewisse Überheblichkeit fest. Denn für so superverblödet wie die SZ kann man seine Leser eigentlich gar nicht halten:

„Der Feigheit Quelle ist, daß sich die Menschen nicht vorstellen können, es könnte noch etwas Schlimmeres geben als das Schlimme.“ (István Örkény)

Es gab heute aber tatsächlich Leute, die auf Facebook jubelten: „Kanzlerin sagt, dritte Welle ist gebrochen!“ Auf mein Angebot einer Wette, daß in ziemlich genau einem Jahr die fünfte Welle brechen wird (und Anfang Mai 2023 dann die siebte), habe ich noch keine Antwort.

Nach vielen Monaten mal wieder „Sterbekurven“ anzuschauen, löst leicht ungute Erinnerungen an Zeiten aus, als man sich daran abarbeitete, diese Kurven den Fanatikern aufzudrängen, die sie einfach nicht anschauen wollten, um ihren Glauben zu bewahren. Das Bild ist das erwartete und gewohnte: Lockdown-Übersterblichkeit im Dezember, ansonsten alles normal oder „zu niedrig“. Allerdings war die „Covid-19-Sterblichkeit“ im Januar recht hoch, was wohl mit der verheerenden Wirkung der Impfungen in Alters- und Pflegeheimen zusammenhängt, in deren Folge es zu massenweisen „Ausbrüchen“ kam. Es ist so und so betrüblich.

„Hier kommt auch schon der erste Sketch, der sich auf heitere Weise mit Atemwegserkrankungen bei Kindern auseinandersetzt.“ Sagte Martin Puntigam im September 2007 auf der Bühne im Vereinsheim. Und ich stelle beim Wiederschauen fest: Nichts fehlt mir derzeit mehr als so richtig schmutziges Kabarett in dicht gefüllten Räumen, wo man klebt vor Schweiß und Bier. (Ich bin übrigens damals in Martins Kunstsperma ausgerutscht.)

„Meinungen haben heißt sich an sich selbst verkaufen. Keine Meinungen haben heißt existieren. Alle Meinungen haben heißt Dichter sein.“ (Fernando Pessoa)

Ich habe mich das auch schon gefragt: Wenn früher so viele Menschen die Influenza hatten, wieso habe ich dann so wenig davon gemerkt (außer die zweimal, wo ich sie selber hatte, inkl. Lungenentzündung)? Und wenn jetzt eine Erkältungskrankheit als regelrechte Pandemie über uns hereingebrochen ist, wieso merke ich dann noch weniger davon? Es mag am schwierigen Umgang des menschlichen Denkens mit großen Zahlen und ihren Verhältnissen liegen. Eine Prävalenz (bzw. „Inzidenz“) von 100 bedeutet ja z. B. dasselbe wie 0,1 Prozent. Trotzdem hört sich das eine ganz anders an als das andere.

Dann kommt die Aufmerksamkeit dazu: Wenn man einen Bekannten- und Verwandtenkreis von etwa 200 Leuten hat, heißt das, daß man bei einer Inzidenz von 0,1 Prozent im Normalfall überhaupt nichts bemerken kann – weil von den 200 Leuten nur 0,2 krank (bzw. heute positiv getestet) werden, und das ist nun mal niemand. Es werden daher sogar vier von fünf Leuten in ihrem Bekanntenkreis absolut nichts bemerken, und der fünfte, der den einen, einzigen statistischen Fall kennt, bemerkt das auch nicht unbedingt. Außer er achtet ein ganze Jahr lang darauf und führt (schriftlich oder unbewußt) Buch darüber.

Vor längerer Zeit habe ich (ich weiß nicht mehr wo) ein Interview mit einem Epidemiologen gelesen, der darlegte, daß die „Inzidenz“ während der Grippewelle 2018 weit über 2.000 lag. Ich kann das nicht prüfen, aber da hätte man dann bei 200 Verwandten und Bekannten tatsächlich durchschnittlich 4 Erkrankte kennen müssen(wenn man darüber gesprochen hätte). Kannte man ja vielleicht auch und hat’s vergessen.

Erich Fried zu seinem hundertsten Geburtstag per Überschrift zum „Philanthrop“ zu erklären, ist ziemlich fies von der „taz“. Es nennt ja schließlich auch niemand mehr Karl Valentin einen „Querdenker“. (Na gut, gleich drunter finden sich die üblichen Phrasen: „unbequem“, „zwischen allen Stühlen“, „neu zu entdecken“ und das mir auf ewig rätselhafte Unwort „lohnenswert“. Trotzdem: „Philanthrop“ ist so durch wie umgekehrt „schwurbeln“, das heute für „ausführlich darlegen“ steht. Gut, daß uns der „Bullshit“ geblieben ist, um die vakante Stelle ersatzweise zu füllen.)

Erst hat’s Merkel geschw … nein: behauptet, jetzt plappert’s Lauterbach nach: Wenn die Hälfte der Bevölkerung geimpft ist und eine „Inzidenz“ von 200 eintritt, hat die ungeimpfte Hälfte eine „Inzidenz“ von 400 (bei Merkel waren’s glaube ich noch 100 und 200; das entspräche der üblichen Lauterbach-Hysteriespirale – ich mag das aber nicht nachprüfen, weil es so unappetitlich ist). Das heißt: Wenn 99 Prozent geimpft sind und eine „Inzidenz“ von 200 eintritt, hat das verbliebene Prozent eine „Inzidenz“ von … uff, nein, danke.

Während die Herrschenden in Berlin diskutieren, zur Finanzierung der „Corona“-Milliardenprofite der Pharmaindustrie und der GAFAM-Konzerne (Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft) das Renteneintrittsalter der Ausgebeuteten anzuheben, stellt sich heraus, daß fast 20 Prozent der Ausgebeuteten schon jetzt das Renteneintrittsalter nicht erreichen, sondern vorher sterben.

Erleichternd immerhin: Die Menschen, die vor Erreichen des Rentenalters sterben, sind berufstätig bzw. arbeitslos. Rentner sind also nicht betroffen und werden das in Zukunft noch weniger sein. Und die Verstorbenen wiederum bleiben vor zukünftigen Rentenkürzungen (zwecks „Corona“-Finanzierung, siehe oben) verschont, Gott sei Dank.

Nun könnte man pöbeln: Die Rentner und die Noch-nicht- (oder Nie-)Rentner haben doch schon die Übernahme der DDR, den Jugoslawienkrieg, den Afghanistankrieg, die Finanzkrise, den „Wiederaufbau“ und alles mögliche andere bezahlt! Mag sein, aber die sind schon tot. Das nennt man Generationenvertrag.

Eine Notiz aus dem März 1996, geschrieben am Chinesischen Turm, gefunden auf einem Zettel (Lesezeichen) in einem Buch von Günter Ohnemus: „Was mich ärgert, ist dasselbe, was mich bei allen Büchern nach 1980 ärgert: die Druckfehler. Eine Buchseite kommt mir immer ein bißchen vor wie die Oberfläche eines – sagen wir – Weihers im Sommer: Ist man ein Wasserläufer, kann man eine Menge Spaß dabei haben, darüber hinwegzulaufen. Dann kommt aber plötzlich etwas dahergeschwommen, kein Ast, vielleicht ein Haar, da bleibt man hängen, sinkt in das vorher vollkommene Bild noch tiefer, und da ist es nicht mehr vollkommen, sondern blöd, eingebildet. Das ist ein Druckfehler. Dabei erscheinen die Bücher von Günter O. in wunderbarer Aufmachung in dem wunderbaren Maro-Verlag, der immer meine Sachen zurückschickt mit – und schon deshalb ist er wunderbar – einem Kärtchen, auf dem steht, meine Sachen gefielen ‚uns nicht sooo gut, daß wir ein Maro-Buch daraus machen wollen’ (gemeint ist: ‚wollten’). Wunderbar, oder nicht? Weil: Nicht nur ist der M.V. eines der wenigen von diesen elektrischen Briefkasten-Monstern, die überhaupt antworten. Er tut auch noch mehr Gutes, als man Gutes tun kann: Er lehnt mich ab, ohne mich abzulehnen. Schauen Sie: Meine Sachen gefallen dem anonymen Maro-Verlag zwar, nur leider nicht sooo gut. Gut sind sie, Maro sagt’s (und sonst kaum einer). Und: sogar so gut, daß die betriebigen Leute bei Maro jederzeit ein Buch daraus machen würden, nur eben kein Maro-Buch. Leider aber machen sie dort nun mal nur Maro-Bücher. Pech für beide. Kann man schönere Postkarten bekommen?“

Da fällt mir ein, daß ich vor zwei Wochen einen eigenen Roman erstmals seit seinem Erscheinen wieder ganz gelesen habe. Darin stand nicht nur das Wort „Mainstreampresse“ (hineingeschrieben circa 2006), sondern auch der eine oder andere Tippfehler. Die sind jetzt alle korrigiert.

Das Diskussionsverhalten der „Maßnahmenverteidiger“ erinnert an eine alte religiöse Verhaltensregel: „Kein Lächeln beim Beten, der Herrgott will deine Zähne nicht sehen!“ Ich bin gespannt, ob sie das Lächeln wieder lernen, die Verkniffenen und Versteiften, „danach“, „wenn das alles vorbei ist“ (um zwei ihrer Lieblingswendungen zu zitieren). Vor allem wenn sie feststellen, daß es kein „Danach“ gibt und „das alles“ nie „vorbei“ sein wird.

Allein die Vorstellung ist grotesk: Mai 1945, der zweite Weltkrieg ist zu Ende. „Und jetzt“, sagt eine Regierung (egal welche), „ist alles wieder wie vorher.“ Wie vorher? „Ja, wie im Mai 1939. Viel Spaß noch!“

Daß in der Politik und in so gut wie allen Wissenschaften das Individuum zusehends in der Masse verschwindet und nur noch als Repräsentant einer Gruppe, Klasse oder sozialen Bedingung geduldet wird – ist das wirklich nur Folge und Niederschlag der zu immer unvorstellbareren Ausmaßen anschwellenden schieren Zahl an Menschen auf dem Planeten? Ähnlich wie Reichtum und Macht der allerobersten Klasse, die im Gleichschritt anschwellen und ebenfalls Ausmaße erreicht haben, die noch nie vorstellbar waren?

„Die Universität Visva-Bharati, die er [Rabindranath Tagore] vor fast hundert Jahren gründete, war um die Pädagogik des Ananda [Freude und Entzücken] herum aufgebaut: Ob es sich um die Naturwissenschaften (Insbesondere Botanik und Zoologie), die Literatur, die Künste oder die Mathematik handelte, im Zentrum des Lehrplans standen die Entdeckung und das Vergnügen, das sich aus dem Wecken und Stillen der Neugier ergibt.“ Sumana Roy

Wenn der Rasenmäher des Nachbarn drei Stunden lang röhrt und dann mit einem „Schrack!“ plötzlich verstummt, ähneln die Vorstellungen, was da passiert sein könnte, alten Donald-Duck-Zeichentrickfilmen.

Und der Gedanke, daß ich selber auch einen Rasenmäher habe, daß der ja aber nur läuft, wenn ich mich weder konzentrieren noch ausruhen mag, ist hochmodern: purer, schamloser Egoismus.

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