Ein paar weniger wichtige Gedanken zu einem vollkommen relevanten Konflikt zwischen Tim Renner und Claus Peymann

„Kultur“ geht ungefähr so: Eine Clique von „Leistungs-“, Entscheidungs- und sonst welchen Trägern nimmt ein paar öffentliche Millionen in die Hand und setzt irgendeinen spektakulären (d. h. in Wirtschaftsteil und Feuilleton ausgiebig bebimsten, ansonsten ahnungsfreien, auf jeden Fall „unorthodoxen“, d. h.: absolut konformen) Idioten auf einen Posten. Der kriegt dann umgehend „Visionen“, die in Feuilleton und Wirtschaftsteil ausgiebig bebimst werden und im wesentlichen darauf hinauslaufen, man müsse ein paar öffentliche Millionen in die Hand nehmen und „etwas machen“ bzw. „auf die Beine stellen“, also: ein „Event“, wo irgendwas hüpft, glitzert und raucht und die Clique sich versammelt, um ihre eigene Wichtigkeit zu bebimsen. Da der Gesamtvorgang strikt und absolut cliquenintern bleibt (vom Manager bis zum Volontär) und niemanden sonst auf der ganzen Welt angeht, betrifft oder interessiert, bleibt am Ende nichts übrig als Millionen von Druckzeilen und Sendeminuten, die kein Mensch liest bzw. anschaut, und das wäre dann eine „Kultur“.

Ich kannte mal einen Theaterintendanten, der mit so was seine Zeit verbracht hat, aber eigentlich nur zwischendurch meine Zigaretten rauchen, über Fußball reden und hin und wieder feststellen wollte, was für ein Kotzhaufen dieser ganze „Betrieb“ (die Clique) sei. Wovon ich nichts wissen wollte, weshalb er mich fragte, was ich denn in Sachen „Kultur“ für eine Alternative anzubieten hätte, und mit meiner Antwort („Na ja, wie wär’s mit: allem anderen?“) nichts anzufangen wußte. Klar, ein katholischer Dogmatiker des 16. Jahrhunderts konnte mit der Idee, daß es da draußen ein Universum mit Trilliarden Sternen und Planeten gebe, ja auch nicht recht viel anfangen.

Ist an sich auch egal; die Clique macht ihr Ding, kein Mensch liest ein Feuilleton, niemand beachtet die millionenteuren „Events“, und die Trilliarden anderen Dinge (nennen wir sie Kultur, ohne Gänsefüßchen) gibt es ja trotzdem und auch ohne Zeilen und Sendeminuten. Aber wenn man dann hin und wieder gefragt wird, was man denn zum Beispiel von der „aktuellen“ Streiterei zwischen Claus Peymann und Tim Renner halte, dann muß man doch mal recherchieren. Und stellt fest: Aha! Da möchte also mal wieder so ein spektakulärer Postenidiot ein paar öffentliche Millionen in die Hand nehmen, um einem anderen spektakulären Idioten einen Posten zu verschaffen, damit der in die angebliche deutsche Hauptstadt ein paar hüpfende, glitzernde und rauchende „Events“ hineinbimst, woraufhin dann Scharen von „Leistungs-“ und Entscheidungsträgern (sowie andere „quality people“) daherfliegen und die Wichtigkeit der Clique feiern. Der andere möchte der Clique lieber ein Theater machen, auf daß seine eigene Relevanz bebimst werde, und außenrum bimsen die sowieso wichtigen Träger angeblicher „Meinungen“ wie eine wildgewordene Affenhorde zugunsten des einen oder anderen (d. h.: um des einen oder anderen Gunst). Das ist so spannend wie die letzten fünf Minuten eines Fußballspiels, das 8:0 steht und bei dem man keinen der beiden Vereine kennt.

Ja mei, die Analyse fällt knapp aus: Von Tim Renner möchte niemand, der je einen Satz von ihm gehört hat, je wieder einen Satz hören, weil derlei Extrembullshit Lebenszeit kostet und zu Tobsuchtsanfällen führt. Der Rest? Ja ja bla. Vielleicht rauchen wir lieber meine Zigaretten und reden über Fußball. Oder bestenfalls nehmen wir eines Tages der Clique die öffentlichen Millionen weg und kaufen Hertha BSC ein paar Brasilianer. Und wenn die ganzen Bimser dann ins Sportressort wechseln, reden wir halt über Theater.

geschrieben im April 2015 für KONKRET (gekürzt erschienen)

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Michael Sailers Blog

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen