Frisch gepreßt #433: Thomas Franz „Jetzt geht’s mir besser“

Naiv zu sein bedarf es wenig, und wer naiv ist, ist … nun ja, nicht direkt König, obwohl auch unter dem Herrschpersonal eine gewisse Naivität bisweilen verbreitet ist; man denke nur an den märchenhaften Kaiser, der in einem Anzug aus unsicht- und -greifbarem Textil durch sein Reich marschierte. Allerdings wurde der dadurch nicht froh.

Bei Thomas Franz darf man das zumindest vermuten. Anders als jene Kronenfigur oder etwa Don Quichotte braucht der weder Ornat noch Rüstung, um gegen die Bosheit und Müpfigkeit der Weltenläufe anzugehen, weil er Musik hat. Und zwar eine, aus der die Naivität heraustropft wie ein Nektar von süßem Laudanum, der noch den grollendsten Berserker zur sanft lämmernden Frohgestalt wandelt.

Das ist der Thomas: Der hat Musik, weil er sie macht. Normalerweise steht der Thomas alleine auf der Bühne, mit seiner Gitarre um den Hals oder einem Keybördchen auf den Knien, und wenn man ihn so sieht, fällt einem plötzlich ein, was es bedeutet, auf der Bühne zu stehen, ohne auf die üblichen, in Jahrzehnten zum Grundbestand des typischen Künstlerverhaltens kristallisierten Posen und Moves zurückgreifen zu können. Der steht bzw. sitzt da und stellt sich den Menschen und der Welt, mit seiner Musik, die auch nichts Routiniertes, Abgeklärtes, Falsches oder Gares hat, sondern so aus ihm hervorklingt, wie wir alle sind: neugierig, erfahrungslos, unvorbereitet spontan nachdenklich, immer wieder getroffen und auch mal gewatscht von den Fährnissen des Lebens, die oft harmlos wirken, es aber gerade dann nicht sind.

Zum Beispiel der Alltag im Raumschiff: Da sieht es scheiße aus, weil keiner putzt, nicht mal die Fenster kann man aufmachen, mangels Atmosphäre, und das ist ein bisserl traurig, aber halt auch irgendwie rührend. Oder wenn es beim Friseur zu dem Malheur kommt, daß selbiger mittendrin gemeuchelt wird und man mit halber Frisur in die Welt soll. Oder wenn man den Hamster im Meer baden möchte, eh nur bis zu den Waden, und kurz nicht aufpaßt und die Welle kommt und ihn erfaßt und mitnimmt ins tiefe Blau … da wird es dann richtig traurig – bis man aus der Woge von Schuld und Sühnen auftaucht und sich wieder ans Meer setzt und erkennt: Der Hamster schwebt im blauen Raum, lebt im blauen Traum, und das ist schön. Schön wie die Musik, schön in der Musik.

Der Thomas wird auch mal sauer, wenn ein sogenannter alter Kumpel im BMW vom Papa vorbeiröhrt und sich voll toll fühlt und der Thomas nicht weiß, was er dazu sagen soll vor Empörung. Aber meistens hat er Mitgefühl, mit den Tieren vom Versagerzoo, mit dem schüchternen Vulkan, selbst mit dem Mann mit dem wachsenden Tattoo, sogar mit dem Dummkopf Hans Müller, der dem Freund ins Poesiealbum geschrieben hat, er werde einen Besen fressen, wenn er ihn dereinst nicht mehr erkennt. Und tolle Ideen hat er außerdem, zum Beispiel wenn das mit dem Date zum Eisessen irgendwie nicht hinhaut, weil er nicht der Traumboy der Angeschmachteten ist: Dann schickt er den Eisbecher eben mit der Post. Und wenn alles nicht mehr geht, packt er zum Finale die Punkband aus und stellt sich vor, daß allen anderen genauso alles danebengeht wie ihm. Dann geht‘s ihm besser.

Musikalisch kann und probiert der Thomas sehr viel. Auf dem Album ist von der Gitarre wenig zu hören, dafür viele lustige Geräusche, Beats, Rap, nostalgiefrei nostalgische NdW-Anklänge, Tupfer von Ska, progressive Sequenzen, balladiöses Schweben und vor allem die rührende und zugleich begeisternde, entwaffnende und überwältigende Naivität, die ihn erfüllt und zum Superhelden macht, aber eher zu Supergoof als Superman. Gebt ihm eine Erdnuß, holdrioh!, und er zeigt euch, daß man nicht groß und böse sein muß, ja gar nicht sein darf, wenn man es schaffen will, mit der Welt fertigzuwerden und hinterher froh lächelnd im Gras zu sitzen.

So meint der Titel ihn und uns: Kann schon sein, daß es regnet. Kann schon sein, daß der Postbote wieder nur Rechnungen dabeihat. Das ist ja nicht das Leben. Das spielt vielmehr in der Musik, und es ist ein Spiel, und wenn wir mitspielen, geht‘s uns besser.

Die Kolumne „Frisch gepreßt“ erscheint alle vierzehn Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.

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