(Mann um die 40 sitzt auf dem Klo, ist im Dunkel nur zu erahnen; es ertönt ein langer, sinfonischer Furz, interpoliert mit Stöhnen; danach diffuses Licht auf den Mann)
(Pause zur Betrachtung des Mannes)
Mein Großvater, der hat noch den Wagner gekannt. Das waren Durchfälle, man macht sich ja keinen Begriff! Unwahrscheinlich!
(Pause)
Das hat was Religiöses. Transzendental, diese Selbstentleerung, dieses Loslassen. Ein gemeinsames Ganzes, wenn man mal überlegt, wo das hingeht. Am Ende gehen wir da alle hin.
(Pause, dann leises Summen, wieder Stille)
Seltsam, wenn man da so plötzlich für sich ist, abgeschnitten vom Produktionsprozeß … (lacht), davon mal abgesehen, ha ha! „Ohne einander“, ha ha! (Wieder ernst:) Ja, das kommt einem dann auch, solche Sachen. Steht noch daheim, der Walser, von Weihnachten. Eingeschweißt. Man kommt ja zu nichts. Muß froh sein, wenn man wenigstens mal hier so … nicht? Das vergißt man ja immer.
(kurze Pause, lauter Furz)
Am Ball bleiben, vierundzwanzig Stunden wach, immer erreichbar, agil, flexibel, auf Draht … und dann paßt man nicht auf, einen Moment, und schon hat man dieses Sauerkraut erwischt, und auf einmal ist man draußen. Für Minuten! Da fallen Entscheidungen! Da werden ganze Märkte umgekrempelt! Wenn man jetzt sowieso ein bißchen … hm, schwergängig ist wie ich, und dann Sauerkraut … wusch! Einen Moment nicht aufgepaßt, und das war’s. Zwanzig Jahre Ellbogen, alles im Eimer. Da drunten. (Lacht diabolisch) Ich scheiße auf meine Karriere! Wenn die das hören könnten.
(kurze Pause)
Ich vermute den Schmidt-Bodenhausen hinter der Sauerkrautgeschichte. Der ist jung, der strebt auf. Kein Kaffee, keine Zigaretten, keine Ballaststoffe – kluger Mann. Nur Traubenzuckerinjektionen, hochprozentig. Das scheidet der in Nullkommanichts aus, transpirativ, he he. Aber Sauerkraut hätte ich selbst dem nicht zugetraut.
(kurze Pause; langer, leiser Tenorfurz)
Wenn der die Südostvertretung erst mal hat … (sieht auf die Uhr) Hat sie schon, ich kenne doch die Japaner. Bei denen wird im Schlaf geschissen. (Murmelt etwas kaum Verständliches, eine Art „Sushi“-Mantra.)
(längere Pause)
Harvard, vier Jahre BWL, Norman Rentrop, alles umsonst. Nur an Rockwell muß er noch vorbei, ha, da beißt er sich die Zähne aus! Der hat einen pazifischen Darm, da ist mit Sauerkraut nichts zu wollen. Zwanzig Jahre Shrimps und Avocado, das stählt!
(Man hört eine Tür klappen, dann ein lautes Stöhnen, eine lange Spülung.)
Rockwell.
(Pause)
Das würde mich jetzt schon interessieren, wie er das hingekriegt hat. (Laut🙂 Na, Mr. Rockwell? There goes our south-eastern market! Down the drain, haha! (Stöhnen aus dem Dunkel) Wahrscheinlich die MTSC-Systems-Methode, das war ja fast genial. Da hat die Börse gebebt! Und das alles mit drei Packungen Knabberoblaten. Die haben die einfach mit Sulfat getränkt, ganz radikal. Man rechnet ja mit allem, aber damit dann doch nicht. Sulfat! Sieben Direktoren auf dem Klo, und alle wußten: Wenn ich jetzt gehe, sind die Exklusivlizenzen ein für allemal weg. Sechzehn Milliarden Spielkapital – rumms! – ein Furz, und die MTSC-Systems war Marktführer. Die haben denen im Vorzimmer Krawatten und Schnürsenkel abgenommen, aber einer war trotzdem schlauer. Hat die ganze Rolle Klopapier geschluckt und versucht, sich selbst runterzuspülen. Das war ein Salem-Schüler; die wissen, wann sie verloren haben, das Gesicht zuletzt, der Arsch ist dann auch nicht mehr zu retten.
(Pause)
Früher, mein Gott, das muß ein Wirtschaften gewesen sein! Donnerbalkenkonferenz, pflegte mein Großvater zu sagen. Die sind ja kaum noch aufgestanden – kein Wunder, der Sprossensalat und die Multivitamintablette waren ja noch nicht erfunden, let alone Nouvelle Cuisine. Da zeigte sich der Wirtschaftsführer am Blutwurstbuffet! Unter zwei Kilo ist man da nicht weggekommen! Und dann … kam die Einzelkabine. Eine Revolution! Da schlug die Stunde des Proletariers, der hatte ja nichts zu beißen, die paar Kartoffeln scheißt man doch in Sekunden! (Singt:) Völker, hört die Signale, auf zum letzten Gefecht – völlig klar, was für ein Gefecht da gemeint war, was für Signale, he he. Und als Europas Bosse die Spülung zogen und sich die Hände gewaschen haben, war alles futsch.
(kurze Pause)
Oder der Hitler: ein Genie! Immer nur Salat, das können Sie ja tagelang in der Hose haben, das merkt kein Mensch. Da war dieser Chamberlain doch von vornherein chancenlos mit seinem ewigen Roastbeef! Bis der das weghatte, war Polen auch weg.
(Kurze Pause)
Und der Kohl! noch perfider! Die Blähungen, die so ein Saumagen erzeugt, kann man sich ja gar nicht vorstellen! Der hat ganz Europa verstopft und abgeführt! Breschnew, Andropow, Tschernenko … wie die Fliegen! Der Gorbatschow konnte sich retten, aber zu welchem Preis! Ein Weltreich verschenkt, um ungestört kacken zu können! Honecker! Immerhin: deutsche Tugend! So obstipat, daß man am Ende einen zehn Meter langen Bandwurm vermutet hat, in dem drin – dabei war doch völlig klar, daß der das Klo, in dem Ulbrichts Karriere endete, nie mehr betreten hat. Da mußte man den doch nur reden hören! (sehr gepreßt:) „Den Sozialismus in seinem Lauf …“ – sagen Sie das mal mit zusammengekniffenen Arschbacken!
(kurze Pause)
Daher übrigens auch die Sache mit der Gleichberechtigung der Frau. Liegt ja nahe, Madame kennt alle Tricks. Die ganze Einlauf- und Klistierkultur ist doch eine Erfindung der Frauenpresse. Im Permanentverstopfen sind die Weltmeister. Ich sage nur: Gertrud Höhler! Wenn die nach dem Abitur noch mal Stuhlgang hatte, fresse ich eine Sulfatoblate!
(längere Pause, Stille)
Rockwell? Are you still there?
(kurze Pause)
Bis sie den finden, ist alles vorbei. Tja, da geht man in sich. Eine Selbstausscheidung. Zum Glück habe ich ein rheinisches Gemüt und vorgesorgt. Sauerkraut hin, Oblate her, man muß ja mit allem rechnen, und mich trifft der Lebensabend bestimmt nicht unvorbereitet. Ist übrigens auch gesünder, irgendwann geht der härteste Darm auf, man denke nur an Strauß. Was hat der noch von seinen Millionen? Nein, irgendwann ist Schluß, man muß auch mal zufrieden sein. Fünfhundert Millionen in der Schweiz, die Villa am Rhein, bescheiden, meinetwegen, aber fünf WCs! Ich trete erhobenen Hauptes aus!
(Dunkel, lange Spülung)
Anmerkung: Dieser Text entstand im August 2000 auf der Kallbergalm in den bayerischen Alpen: Kurz zuvor hatte mich ein Kabarettist angerufen, der regelmäßig meine Kolumne las, und gefragt, ob ich ihm ein neues Programm schreiben wolle. Das alte hatte überwiegend schlechte Kritiken erhalten, daher suche er nun Hilfe. Ich hatte damals kaum Ahnung von, kaum Interesse an und keine Sympathie für Kabarett. Abgesehen von Gerhard Polt und Dieter Hildebrandt hielt ich das meiste davon für systemkonformes Witzeln für Kleingärtner und ihre Großtanten. Viel wurde dann auch nicht daraus: Ich schrieb ein paar Texte, die ihm zu scharf und zu anspruchsvoll erschienen. Dann nahm mein Leben eine recht chaotische Wende, und ich verlor ihn aus den Augen.
Tja, sogar das Kabarett bzw. die Satire, angeblich „die letzte Bastion der Demokratie“, hat bedingungslos kapituliert und sich sich der Lüge untergeordnet. Ist nun selbst eine Art Pestilenz.
Was Schroeder, Böhmermann & Co. bieten, ist Publikumsbeschimpfung auf primitivstem Niveau. Jedes Kleinkind mit Dünnpfiff liefert Gehaltvolleres.
Kann eigentlich weg.
Vor 10 Jahren ca. – da gabs nen Abgesang..
Kabarretist Schramm beim Fromm-Preis. Nicht sein „Text“, sondern die Stimmung wars, die mich beeindruckte – eben nachhaltig. Er hatte sich (für mich eindeutig) damit abgemeldet. Mehr noch, resigniert, der Würde/Ehre eines „Amtes“ wegen, bevors unweigerlich peinlich würde, die Reissleine gezogen. Was danach kommen wird als Mimikri/Imitation/Darstellung gekennzeichnet. Zumindest nicht Mitläufer weden, das war wohl die vornehmste Handliung die angemessen klug war – und ist.
Ab dann war Alles gesagt – nun wird also drauflos perpetuiert – bis in die Belanglosigkeit skaliert. Für A- und B-Noten aufgeführt – die „Performance“ vermessen. Für Zahlen und Formate gearbeitet.
Nennt sich denn auch Erkenntnis – der Realität angemessen – wenn ein qualitativer Zweck einer formalen Funktion zugeführt wird. Kleinkunst angekommen im „Rating“ des Hier & Jetzt.. ;*)