Belästigungen #419: 120 Millionen für nichts (und ein Hula mit Hansi Hinterseer)

Hawaii ist ein Land, von dem man wenig hört, solange man nicht an Winterwochenenden den Fernseher zu einer Zeit einschaltet, zu der nur grenzdebile Vorstadthausmeister mit Rudimentärschmalztolle aus den frühen Sechzigern ihr Mittagsbier vor der Glotze verzehren, weil der Stehausschank Urlaub macht. Da läuft dann gern mal so ein Filmchen, in dem Elvis Presley vor einer Brandungswelle steht und grinst wie ein grenzdebiler Vorstadthausmeister, weil er ein pfundiges Liedl knödeln darf.

Ansonsten feiert alle drei Jahre der durchaus pfiffige Surf-Pop ein zweitägiges Revival, zu dem Bilder von Hawaii gezeigt werden, obwohl die Insulaner zwar die ersten waren, die es lustig fanden, auf Brettern im Meer herumzudüsen, statt arbeiten zu gehen, aber mit den harmlosen Twang-Schlagern so viel zu haben wie Hansi Hinterseer mit Bayern (oder meinetwegen Österreich). Das war’s auch schon.

Dabei gäbe es aus Hawaii mancherlei Lustiges zu berichten. Das scheitert aber wohl (oder übel) an einem simplen Problemchen, das nicht darin besteht, daß man in Hawaii Geschichten lieber hulatanzt, als sie in Plapperworte zu zwängen, was eine schriftliche Verbreitung erschwert. Oder doch, denn die Vermutung, das Hulatanzen zur Weitergabe von Klatsch, Tratsch und Mythos sei nur deswegen erfunden worden, damit man sich an der hawaiianischen Landessprache nicht den Mund verrenkt, ist nicht gänzlich fernliegend.

Das fängt bei den Namen an, und mit dem ihren hatte eine Hawaiianerin so ihre Schwierigkeiten: Beim Autofahren von einem Polizisten angehalten, zeigte sie brav ihren Führerschein vor und wurde belehrt, da fehlten der Vorname und ein Buchstabe vom Nachnamen, mithin sei das Ausweiskärtchen im Grunde ungültig, weil gar nicht ihre vollständige Personenbezeichnung draufstehe.

Die lautet: Janice Lokelani Keihanaikukauakahihuliheekahaunaele. Von der zuständigen Behörde gebeten, auf das abschließende „e“ zu verzichten oder gleich die ganze Buchstabenwurst auf Vorstadthausmeisterformat zu kürzen, geriet die Dame in Rage und weigerte sich beharrlich. Und mit Recht, schließlich bedeutet Keihanaikukauakahihuliheekahaunaele (wie Lokelanis verstorbener Gatte hieß, ganz ohne Vornamen) zu deutsch „Wenn Chaos und Verwirrung herrschen, wirst du derjenige sein, der aufsteht und die Menschen dazu bringt, sich zu besinnen, um dem Chaos zu entrinnen“.

Nun stellen wir uns vor: Ein durchaus denkbarer deutscher Zeitgenosse namens Hans Günther Wennchaosundverwirrungherrschenwirstduderjenigeseinderaufstehtunddiemenschendazubringtsichzubesinnenumdemchaoszuentrinnen wird von irgendeinem Amt gebeten, sich doch bitteschön Hans Wensteverwinnen zu nennen, weil er dann künftig seine Strafzettelüberweisungen auf einem Blatt unterschreiben könne – mit Sicherheit stünden umgehend drei Facebook-Bürgerinitiativen auf dem Plan, um das dreiste und selbstherrliche Ansinnen der Behördenhalbgötter anzuprangern und per Petition zu Fall zu bringen.

Ich weiß nicht, wieso ich dabei jetzt an Josef Ackermann denken muß, aber wo wir schon mal dabei sind: Der hieß laut einer unbestätigten Vermutung meinerseits früher mal „Wenn jemand auf einem Acker oder sonst wo schuftet, muß ein Mann bereitstehen, um ihm den Ertrag seiner Arbeit zu stehlen und ihn an Kerle zu verteilen, die zu diesem Zweck Aktien und andere fälschlich so genannte Wertpapiere besitzen“, dieser Nachname wurde indes ohne behördliche Mitwirkung verkürzt, weil man sonst gar zu leicht draufkommt. Dahinter steckt pure Eitelkeit, weil Herr Ackermann ein wirksames Eingreifen irgendwelcher Initiativen oder sonstiger Betroffenheitskasperl nicht befürchten muß. Schließlich ist er „Schattenkanzler der Republik“, „Staatsmann“, „oberster Krisenmanager“ und neben Angela Merkel „die mächtigste Person des Landes“. So steht es in einem als Buch verkleideten Batzen Honig, den sich Ackermann von seinem früheren Kommunikationschef ums Maul schmieren ließ und das der (in dieser Hinsicht selten zimperliche) Econ-Verlag auch noch druckte. Ackermann selbst behauptet, er habe die „faszinierende“ Schwarte „in einer Nacht durchgelesen“ und sei zu „Erkenntnisgewinnen“ gelangt.

Das mag sein. Bislang nämlich könnte er ebenso wie wir gemeint haben, er habe mit windigen Ramschhypotheken, Spekulationswuchereien, halsbrecherischen Zinswetten, Schrott- und Schachtelpapieren, maßloser Profitgier, Leitzinsmanipulationen, Verlustschiebereien aufgrund von Insiderwissen und anderen halb- bis ganzkriminellen Wursteleien dafür gesorgt, daß Deutschland und die Welt seit Jahrzehnten von einer „Krise“ in die nächste plumpsen, daß Fantastilliarden von erschuftetem Geld auf ein paar Geheimkonten sprudeln, während ein rasant wachsender Anteil der Erdbevölkerung den historisch einmaligen Umverteilungswahnsinn mit Hunger, Not und Elend bezahlt.

Nun wissen wir es besser: Ackermann hat nämlich, so teilt sein „Biograph“ mit, von all dem überhaupt nichts gewußt. Ja – er war regelrecht „tief enttäuscht“ und „fühlte sich hintergangen“, als er von den Sauereien erfuhr, die ihm ein Privatvermögen von 120 Millionen Euro einbrachten (während der Aktienkurs der Deutschen Bank in seiner Amtszeit auf die Hälfte schrumpfte, was aber sicherlich ebenfalls ohne sein Zutun und Wissen passiert ist).

Jetzt könnten wir fragen, wie es eigentlich sein kann, daß der mächtigste Mann des Landes von nichts eine Ahnung hat, und wie er dann irgendeine „Krise“ „gemanagt“ haben soll. Und wieso ein Land, in dem so einer mächtigst sein kann und darf, es wagt, das Wort „Demokratie“ in den Mund zu nehmen und seine Bürger anzubetteln, sie möchten doch bitte wählen gehen (um zu entscheiden, wer die nächsten vier Jahre den Befehlen von Ackermann & Co. gehorchen muß).

Aber das sparen wir uns, weil es so amüsant ist wie ein Winterwochenende lang den exhumierten Leichnam von Elvis Presley anzustarren, während Hansi Hinterseer das Ackermannbuch als Hula tanzt.

Die Kolumne „Belästigungen“ erscheint alle 14 Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.

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