Frisch gepreßt #349: Max von Milland „Bis dir olls wieder gfollt“

Der Max ist ein Schlawiner. (Ich bin auch einer, hi hi: Ich verpacke ein Geständnis in eine Allegorie; nämlich:) Ich habe mal mit ihm zusammen eine Bar bedient, heißt: Wir haben Getränke ausgeschenkt, und der Max hat den ganzen Abend sein entwaffnendes Lächeln durch den Raum getragen, das in diesem Fall Menschen den Mund (zum Lächeln) und den Geist (für Getränke) geöffnet hat. Lustigerweise standen danach (und stehen seitdem) an einer Stelle, an der er oft vorbeikam, hübsche Flaschen herum, die dort vorher nicht standen: Vanillesirup, Weiße-Schokolade-Sirup, Mandelsirup, Haselnußsirup, Macadamiasirup, Holunderblütensirup, Lavendelsirup … (ein Zufall, sicher, der sich konventionell erklären läßt, aber:) Ahnt jemand, worauf ich hinaus will?

Das immerhin ist hiermit zugegeben: Ich kenne den Max, und wer ihn kennt, der mag ihn (Inkubationszeit: circa zwei Sekunden). Also mag ich ihn, und also darf ich kein „wertendes“ Wort über sein neues Album verlieren, weil das unparteiisch wäre, gelt. Zumindest kein empfehlendes. Kein lobendes. Kein … Dings. Ich müßte vielmehr: darauf hinweisen, daß man von dieser Platte, wenn man nicht Obacht gibt und sie zum Beispiel beim Einschlafen auf „Repeat“ laufen läßt, eine milde Form von Diabetes kriegen kann. Gib ihr acht Stunden, und sie verwandelt dich in einen Zuckerhut. Mit einer Individuo-Version von brasilianischem Sonnenvanilleschmelz außenrum, jedenfalls: pervers. Der menschliche Topfenstrudel, der aus acht Stunden Oasis-Embrace-etc.-Mißbrauch entsteht, ist dagegen eher ein herbkümmeliges Knabbergebäck.

Aber nein, Schmarrn. Stimmt gar nicht, weil das, was der Max an vermeintlicher Süße verströmt, aus Tiefen kommt, die solcherlei Anspielungen zu unangemessenen Beleidigungen degradieren. Wenn der Max in einem schäumenden Meer von tosenden, wallenden, wellenden Durakkorden steht, dann tut er genau das, was sonst keiner kann: Er tut sich nicht bäumen, den Helden markieren, zum grandiosisierten Gesamtweltkapitän sich stilisieren, der dies und das und alles erklären und deklarieren kann, sondern er lächelt fein, bescheiden und lieb, und schon ist aus dem Pathosgewölle ein kleines, liebenswertes Lied geworden, das das Herz wärmt und die Seele mit gelbrötlichorangenem Spätsommerlicht bestrahlt, nein: herzt.

Dann grölt der Max nichts von Universalversöhnung und Heuchel-Wir-sind-alle-dies-und-das, sondern er sagt einfach: „I bin do.“ Weil er halt da ist, wenn du ihn brauchst.

Die Lieder vom Max sind Ohrwürmer, Evergreens, Klassiker, bei denen man immer nach spätestens drei Sekunden meint, man hat sie schon tausendmal gehört – kann sein, daß man sie teilweise wirklich schon tausendmal gehört hat („Wonderful Life! Black!“ plärrt einer aus einem zufälligen Fenster), aber kaum je so schön. Heißt im Umkehrschluß: Wer den Voreingenommenheitssirup nicht gekostet hat (Inkubationszeit: na gut, unter übelsten Bedingungen drei Sekunden), der wetzt sich weiterhin die vermeintliche Seele am aktuellen Deutschpop-Schmirgel (Plärr! Rappel! Ruckizuckizacki!) und wundert sich, wieso von den Jugendtraumseifenblasen nichts als ein bisserl Schorf (und viel Kopfweh) bleibt.

Machen wir anders. Wir blenden das alles, das Gezicke und Gezucke, das Geplärr und Geklirr, das Gehippe und Gehoppe und Gejaule und Gemaule vollkommen aus, verwandeln uns in eine ideelle Reihe aus Sirupflaschen und lächeln.

Das ist nicht wenig. Wer lächelt heutzutage schon noch? Wer wagt es, aus Südtirol zu kommen und zu lächeln und nicht mit verkniffener Fresse deutschnational tätowiertes Gebrüll abzusondern, für das er sich hinterher entschuldigt, es sei nicht „rechts“; oder vielmehr: „nicht rechts“, vielmehr: „nicht rechts gemeint“? Sondern einfach seinen ambient-panoramisch infektiösen Dialekt zu pflegen (und in einem Lied zu verteidigen, bei dem einem das Herz in Vanille schmilzt)?

Ja, freilich: Das ist der Max. Ein Schlawiner. Ein Mensch, ein liebenswerter. Das wiederum bedeutet: Er ist es wert, geliebt zu werden. Liebt ihn. Tut zwischendurch sonst was, aber das: auch, immer mal wieder, nicht am Stück, aber immer (mal) (wieder).

Die Kolumne „Frisch gepreßt“ erscheint alle 14 Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.

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