Es ist zweifellos eines der seltsamsten Gebäude, die auf dieser Welt herumstehen: das Atomium in Brüssel, zur ersten Nachkriegsweltausstellung 1958 errichtet als alles überragendes Symbol für die alles überragende Bedeutung der „friedlichen Nutzung der Kernenergie“, die als ideologischer Überbau und Popanz für die totale Technisierung irdischen Lebens herhalten mußte.
Aus heutiger Sicht bietet diese krause Veranstaltung das halkyonische Bild einer putzigen Idylle im „Kalten“ Krieg während der sogenannten „Tauwetterperiode“. Mit dem Zweiten Weltkrieg im Rücken und einer suizidal anmutenden Begeisterung für atomare Vernichtung (aus Motiven, die sich heute weder erklären noch nachvollziehen lassen) als Dauergrusel im Hinterkopf mag es verständlich wirken, daß man die wirre, lebensgefährliche Gegenwart und den mörderischen Abgrund der jüngeren Vergangenheit lieber ausblendete und sich euphorisch dem rückhaltlosen Zukunftswahn ergab, der heute noch als Echo aus jedem Politikergequassel herausschallt. Den Wettkampf der Massentötungstechnologien zum Mühen um das Wohl der Menschheit umzudeuten, war freilich reiner Irrwitz, aber zumindest psychologisch möglicherweise erklärbar. „Im Regal: Jonathan Coe „Liebesgrüße aus Brüssel““ weiterlesen