Belästigungen 15/2014: Randbemerkungen zum größten Skandal der Welt

Ich habe heute meinen alten Kater beerdigt. Es war ein langes, langsames Sterben, das er hinter sich bringen mußte; und während ich das schreibe, wird mir wieder einmal klar, daß Sprache für gewisse Dinge in den Randbereichen der Welt nicht geeignet ist. Denn selbstverständlich hat er nichts hinter sich gebracht, weil er nicht mehr ist und deshalb auch nichts hinter sich haben kann. Eher hat etwas ihn hinter sich gebracht, aber auch dafür müßte er noch sein. Es ist gleich.

Es mag pietätlos wirken, aber während man am Sterbebett eines alten Katers sitzt und nichts tun kann außer warten, gehen einem mancherlei Dinge durch den Kopf, und da hat man auch mal wieder Zeit, die Zeitungen durchzublättern, die man sonst achtlos in den Müll wirft, weil einem das Gebrumsel und Gebrabbel der neoliberalen Journalistendarsteller den Nerv tötet und die gute Laune zersetzt. „Belästigungen 15/2014: Randbemerkungen zum größten Skandal der Welt“ weiterlesen

Belästigungen 14/2014: Com in poco de Hahno mit de Sprudeltanco! (Jipii! Jipii!)

Neulich war an dieser Stelle vom Wasser die Rede, was ein schönes Thema ist, auch für Leserbriefschreiber, die nun wettern (!), ich hätte mit meinen trotzigen Prangerungen wider die Regenlosigkeit als eine Art „Mind over Matter“-Medium psychokinetisch dafür gesorgt, daß es nun fast nur noch regnet.

Was sich die Leute vorstellen! Ich weise darauf hin, daß mein durchaus Geistesverwandter Donald Duck dereinst zwar krude verschmückt in der Prärie herumgehüpft ist und mit dem Choral „Jipii, jipii! Com in poco de locho mit de wassertanco!“ für einen regelrecht flußsprengenden Guß gesorgt hat. Indes ist einschränkend hinzuzufügen, daß dahinter eine durchaus typische Melange aus technischem Wunderklimbim und esoterischem Humbug steckte (und zwar mag es vorkommen, daß ich, wenn ich mich unbeobachtet wähne, meine Wiese mit Nackttänzen bespiele und dabei durchaus seltsame Verse skandiere, aber die meteorolgische Wirkung solchen Tuns hält sich in engen Grenzen). „Belästigungen 14/2014: Com in poco de Hahno mit de Sprudeltanco! (Jipii! Jipii!)“ weiterlesen

Belästigungen 13/2014: Vom Fracksausen unter dem Apfelbaum – oder: Wo bleibt die Schmetterlingsraupensteuer?

Es liegt mir fern, mich über Regenlosigkeit zu beschweren, weil ich kaum etwas lieber mag als sinn- und bekleidungslos auf der Erdkugel herumzuliegen, müßig-nostalgische Gedächtnisfühler in alte Donald-Duck-Hefte hineinzustrecken und zuzuhören, wie unendlich langsam leise die wundervolle Zeit dahinschmilzt und sich mit kaugummibunten, romantisch blütenduftigen Erinnerungen füllt. Aber hin und wieder tut ein bißchen Wasser keinen Schaden, und wenn’s nur dafür wäre, daß die Kaninchenbande mal wieder ein bißchen weniger unmutig schaut, weil der zweibeinige Versorgungshase mal wieder was anderes daherbringt als struppiges Distelstroh, bleiches Hartheu und staubiges Korn.

Dazu indes muß es regnen, und das tut es manchmal ungern, weil der Mensch mit solcher Emsigkeit Auto fährt, Wachstum erzeugt und das Klima verdröselt. Zum Glück hat die Natur vorgesorgt und in ihrem Keller einen Haufen von dem förderlichen Feuchtzeug gebunkert, das man notfalls heraufpumpen kann. Dabei kommt auch noch der im Brunnenrohr hausende Laubfrosch in den Genuß einer frischen Dusche, und so ist alles zur Zufriedenheit aller geregelt. „Belästigungen 13/2014: Vom Fracksausen unter dem Apfelbaum – oder: Wo bleibt die Schmetterlingsraupensteuer?“ weiterlesen

Belästigungen 12/2014: Scheitelt die Harnröhre! und ruft den Keeper herbei!

Ich habe einen nicht geringen Teil der letzten Wochen damit verbracht, sämtliche Folgen dieser Kolumne für die ersten vier Bände einer neuen Buchausgabe durchzuschauen und zu überarbeiten. Bei einer solchen Tätigkeit gerät man nicht selten in eine Art autogene Fremdscham („Das soll ich geschrieben haben? Weia weia weia!“), vor allem aber kommt man nicht darum herum, Defizite und Unausgewogenheiten im eigenen Wortschatz zu konstatieren.

Zum Beispiel erscheint die Vokabel „Kapitalismus“ derart häufig, als hätte es mir irgendwann in den Neunzigern eine Zentnerpackung davon in den Händen zerrissen. Darüber hinaus wurlt es nur so vor Neologismen, die meine Deutschlehrer zum kollektiven Fenstersprung veranlaßt hätten, vom Zerzilpen bis zum Glitzen, vom Schwommel bis zum Pfanz. Hingegen: nicht ein einziges Mal der durchaus gängige deutsche Begriff „Harnröhre“. „Belästigungen 12/2014: Scheitelt die Harnröhre! und ruft den Keeper herbei!“ weiterlesen

Belästigungen: Das eine, einzige Leben, ertrunken in Rührei und Federn

Neulich saß ich mit einer lieben Freundin zusammen, die für den folgenden Tag ein Vorstellungsgespräch vereinbart hatte. Es ging um eine grundsätzlich sehr attraktive Stelle; dennoch meinte sie, am liebsten ginge sie gar nicht hin, weil sie sonst am Ende dort arbeiten müsse und sich nicht sicher sei, ob sie das überhaupt noch wolle, dieses Arbeiten.

Wir saßen unter einem Baum, die hellblaue Luft flirrte von der freudigen Erwärmung nach dreizehn oder fünfzehn Eisheiligen, im Krug schimmerte gülden das Malzgetränk, allenthalben herrschte Frohsinn, weil hier – abgesehen von den Biergartenangestellten, die müßig ratschend durch die Reihen schlurften und hie und da einen leeren Teller einsammelten – niemand arbeitete. „Belästigungen: Das eine, einzige Leben, ertrunken in Rührei und Federn“ weiterlesen

(Aus dem tiefen Archiv) Belästigungen #218: Zwei Großhirne auf dem Weg durchs Weltgedärm

Zwei Herren, die in Deutschland leider als recht bekannt gelten müssen, schockierten kürzlich das Gemeinwesen mit Ungnade: „Wenn ich jünger wäre und diese Aufgabe nicht hätte, wäre ich längst weg!“ tönte ein Herr Döpfner, dessen „Aufgabe“ darin besteht, Vorstandsvorsitzender des Springer-Konzerns zu sein. Recht hat er, möchte man meinen: Wenn der Mann sich nicht seine jüngere Lebensphase damit um die Ohren geschlagen hätte, durch den Darm der Axel-Cäsar-Witwe zu krabbeln, bis er es endlich hineingeschafft hatte ins Allerheiligste der Blut-und-Busen-Presse, – dann wäre er mit einiger Sicherheit tatsächlich weg. Vom Fenster.

Gemeint hat der Döpfner aber was anderes, in dem ihm Frank Schirrmacher, sein etwa gleichaltriger Kumpan von der FAZ (der sich auf dem Weg dorthin seinerseits durch die Eingeweide von Joachim Cäsar Fest wühlen mußte), bestätigend vorausgeeilt war: Die beiden, die zu den Mittätern der ekelhaften „Du bist Deutschland!“-Kampagne gehören, wollten wohl auch mit dieser Kampagne genau dies sagen: Weil Deppen wie du Deutschland sind, halte ich es hier nicht aus! Und wenn ich nicht so unglaublich wichtig wäre, daß ohne mich alles zusammenbräche, dann hätte ich mich längst verzupft!
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Frisch gepreßt #317: Echo & The Bunnymen „Meteorites“

Aufgrund von Gründen beschäftige ich mich derzeit intensiv mit Kosmologie. Beim gedanklichen Ergründen tieferer Strukturen des eigenartigen Universums, das uns umgibt und dessen Gegenwart möglicherweise zugleich ewige Vergangenheit und gegenwärtige Ewigkeit ist, klingen hin und wieder am entferntesten, der Vernunft in Richtung Wüste entfallenden Rand des Bewußtseins Musikfetzen auf. Immer dann, wenn die Weltformel oder ihre Denkbarkeit in den Sinn gerät, singt Ian McCullough mit der alles umflorenden Pelzstimme eines gestürzten Gottes: „What are you going to do with your life?“ „Frisch gepreßt #317: Echo & The Bunnymen „Meteorites““ weiterlesen

Belästigungen #435: Nämä Pakätt für Rollator nach Mariahilfplatz!

Daß Männer nicht multitaskingfähig sind, ist eine Binsenweisheit, für die ich jederzeit als Lehrmodell herhalten kann. Zum Beispiel stehe ich bis zu zehnmal täglich vor einem Gegenstand, ohne zu wissen weshalb und was der Gegenstand nun mit mir anfangen sollte oder umgekehrt oder beides. Dann ruft jemand an und erklärt mir in rauschendem Knisteramerikanisch, daß mit meinem „Microsoft“ was nicht stimmt, und nachdem ich ihn kurz beschimpft und aufgelegt habe, halte ich einen Zettel in der Hand, der leer ist, auf den ich aber vielleicht was schreiben wollte, wovon ich nicht mehr weiß, was es war.

Daß die Wohnungstür angelehnt ist, merke ich erst, als sich der Paketbote draußen räuspert. Ich trage die Sendung, die für irgendeinen möglicherweise längst verzogenen oder verstorbenen Nachbarn bestimmt ist, in das Zimmer, das vollgestellt ist mit Sendungen für möglicherweise längst verzogene oder verstorbene Nachbarn, und stelle fest, daß es dort Pflanzen gibt, die ich seit Wochen nicht gegossen habe, weil ich das Zimmer selten betrete, höchstens um Pakete für Nachbarn hineinzustellen. „Belästigungen #435: Nämä Pakätt für Rollator nach Mariahilfplatz!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #316: Oasis „Definitely Maybe (Deluxe Edition)“

Eine Seifenblase ist etwas sehr Schönes. Sie schimmert und leuchtet in schwimmenden, zerfließenden, silbrigen Farben, und je genauer man hinsieht, desto mehr glitzernde, bunte Details entdeckt man. Wenn die Sonne sich darin spiegelt, strahlt die Blase in zeitvergessenem Glanz, und der ganze Himmel leuchtet aus ihrer unendlichen Rundung. Der ganze Himmel. Vor beinahe zwanzig Jahren waren Oasis zwei Jahre lang eine Seifenblase; schon ihr Name ließ daran denken, zumal in einer Zeit, als Rockbands mit Vorliebe Gruntruck, Brainslaughter oder Scattergun hießen. „Frisch gepreßt #316: Oasis „Definitely Maybe (Deluxe Edition)““ weiterlesen

Frisch gepreßt #315: Damon Albarn „Everyday Robots“

Neulich haben wir beraten, wieso das neue Album von Jan Delay so schlecht und das von Damon Albarn so gut ist. Die Begegnung war reiner Zufall; ebenso gut hätte es Lily Allen und Matthias Reim treffen können (na gut, den eher nicht, aber lediglich aus ideellen Gründen). Punkt eins, die Wahl der Feinde: Delay promotet sein 80er-Rockgeschmonze mit einer Heino-Nazi-Affäre, die bei aller Lächerlichkeit angesichts der unvermeidlichen Doppelporträts und Montagen vor allem darauf verweist, wie ähnlich sich die beiden sind. Albarn verlor, lang ist’s her, die „Schlacht“ um Platz eins gegen Oasis, verwandelte die momentane Niederlage in eine Serie von Triumphen auf den unerwartetsten Schauplätzen und hat seitdem schlichtweg keine Gegner mehr, weil er sich ohne Besitzansprüche alles einverleibte, was hip und cool war, von Afrofunk (mit Lilys Papa Tony Allen) über generationenumspannende Virtualität (Gorillaz) bis zum Inbegriff des Rock ’n’ Roll (mit Paul Simonon von The Clash). Halbgare Blur-Reunionen konnten ihm ebenso wenig anhaben wie paparazziträchtige Sufftorkeleien am hellichten Tag. „Frisch gepreßt #315: Damon Albarn „Everyday Robots““ weiterlesen

Frisch gepreßt #314: Leon Russell „Life Journey“

Als der Gott des Bluesrock einen Felsen suchte, auf dem er seine Kirche errichten konnte, fand er Claude „Leon“ Russell Bridges und suchte nicht mehr weiter. Die Kirche steht bis heute an der 3rd Street in Tulsa, Oklahoma, trägt den Namen Church Recording Studios, und dass die konfessionelle Zuordnung zur Sekte der Heiligen, Apostel und Jünger des Bluesrock Leon Russells irdisches Schaffen bei weitem nicht vollständig er- oder gar umfasst, zeigt die Liste der Musiker, die dort mit Russell ihre eigenen und immer wieder dessen Songs aufnahmen, mit ihm tourten und ihn von anderswo herbeiriefen, auf dass er sie segne, heile oder rette. „Frisch gepreßt #314: Leon Russell „Life Journey““ weiterlesen

Belästigungen #434: Nahost und Fernwest (und Nahsüd) in der gefühlten Vorkriegszeit

„Ist dir schon mal aufgefallen“, fragt N mit dem inquistorisch-kritischen Blick, der zu ihrer morgendlichen Zeitungslektüre dazugehört wie Kaffee und zwei Zigaretten, „daß der abscheuliche falsche nachgestellte Genitiv in kriegerischen Zeiten besonders stark grassiert?“

„Äh, nein“, sage ich. Seit Wochen schweigen Radio und Fernseh, weil mir von der blökenden Kriegspropaganda übel wird und das zwischendurch versendete Geplauder, das den Anschein erwecken soll, dies sei alles ganz normal, Kopfweh und Gänsehaut macht. Inzwischen lese ich auch keine gedruckten Instruktionen zum Denken und Meinen mehr. „Belästigungen #434: Nahost und Fernwest (und Nahsüd) in der gefühlten Vorkriegszeit“ weiterlesen

Belästigungen #433: Über rinks und lechz und manches, was man (nicht mehr) velwechsert

Nazis haben es nicht leicht. Das liegt (sorry, banal) daran, daß sie Rechte sind. Linke nämlich, das hat meine gesegnete Generation von ihren Schullehrern gelernt, sind verwahrloste, moralisch zerlumpte Gestalten, die grundsätzlich gegen alles sind, was Deutschland voranbringt, keinerlei Autorität achten und nichts im Sinn haben als zweifelhaft-zwielichtige Vergnügungen, qualmige Bewußtseinserweiterung, zügellose Triebbefriedigung, kindlich-kindische Ignoranz gegenüber sämtlichen Autoritäten und randalierende Mißachtung gesellschaftlicher Eigentumsverhältnisse – auf deutsch: Linke knallen sich die Birne zu, pimpern auch tagsüber, reden schlau daher und machen alles kaputt, was nicht ihnen gehört. Also: alles. Weil Linken sowieso nie was gehört, weil sie vor lauter Faulenzen, Pimpern, Aufmucken und Qualmen nicht zum Arbeiten kommen und deswegen als besitzlose Vagabunden durch die Welt strolchen. „Belästigungen #433: Über rinks und lechz und manches, was man (nicht mehr) velwechsert“ weiterlesen

Belästigungen #432: Iron Majdan: von Revolutionen und ihren Leberwürmern

Wenn Lebewesen Dinge tun, ist nicht immer ganz klar, wieso und wozu, besonders wenn es Dinge sind, die irgendwie inkonsequent, wirr oder komplett wahnsinnig wirken. Zum Beispiel wirkt es komplett wahnsinnig, wenn eine Maus vor Licht, Geräusch und sämtlichen anderen Phänomenen und Sensationen der Außenwelt panische Angst hat, nur vor einer Katze plötzlich nicht mehr. Wenn sie sich ihr vielmehr fröhlich entgegenwirft, als wäre das Krallenviech der langersehnte Erlöser aus dem Westen.

Das passiert aber, regelmäßig und zwangsläufig. Schuld daran ist ein anderes Lebewesen, das in der Maus drin lebt und west und gerne in die Katze hinein möchte, und weil es selber keine Beine hat, benutzt es die Maus als Vehikel, indem es ihr durch gezieltes Anbohren bestimmter Hirnwindungen (sorry, Biologen, ich weiß es nicht besser) den dringenden Wunsch, das unstillbare Bedürfnis einpflanzt, von der Katze mit Haut und Haar einverleibt zu werden. Manchmal gelangt das fiese Wesen – es heißt übrigens Toxoplasmose – auf dem Umweg über die Katze auch in einen Menschen hinein. Der verunglückt dann dreimal häufiger mit dem Auto. Wahrscheinlich weil der entgegenkommende Lastwagen so zutraulich schnurrt. „Belästigungen #432: Iron Majdan: von Revolutionen und ihren Leberwürmern“ weiterlesen