Frisch gepreßt #358: Suede „Night Thoughts“

Ich weiß nicht, ob es für oder gegen die 90er oder für oder gegen die Zehner oder für oder gegen beide oder gegen die Wirksamkeit der dazwischenliegenden Nuller als Filter oder Damm oder Nährboden oder alles drei oder für gar nichts und gegen ebenso wenig spricht, jedenfalls: gehen die 90er einfach nicht weg. Oder vielleicht waren sie zwischendurch mal kurz draußen an der frischen Luft, das hat aber keiner bemerkt, weil wir so intensiv ins Gespräch oder den Sex oder irgendwas anderes vertieft waren?

Da sind sie jedenfalls, wieder, immer noch, wer weiß. Sicher ist: Wenn 1993 jemand gesagt hätte: „Wir werden auch in 23 Jahren hier sitzen und „Frisch gepreßt #358: Suede „Night Thoughts““ weiterlesen

Belästigungen 04/2016: Vernunft 2016: Wir stellen das Mühlrad verkehrt herum auf und reden dann mit dem Bach!

Jedes Jahr das gleiche blöde Ritual: Erst kommt irgendein Amt oder eine Behörde zu der Erkenntnis, daß die „Schere“ zwischen Arm und Reich im verflossenen Jahr mal wieder weiter aufgegangen ist und insgesamt immer mehr aufgeht. Die Regierung sagt dazu normalerweise nichts, höchstens daß sie sich bemühe, um was auch immer. Dann kommen die Leitmedien (SZ, FAZ etc.) daher und stellen fest, daß das schon seine Richtigkeit habe und nicht weiter schlimm sei, schließlich sei Deutschland im Durchschnitt recht wohlhabend und es gehe ja auch den Armen hier noch besser als anderswo.

Was wahrscheinlich stimmt, aber egal ist, weil man immer jemanden findet, dem es noch schlechter geht – notfalls sorgt man dafür selber, indem man mal wieder ein Land in die Steinzeit bombt, weil dort „der Terror“ haust. „Belästigungen 04/2016: Vernunft 2016: Wir stellen das Mühlrad verkehrt herum auf und reden dann mit dem Bach!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #357: David Bowie „Blackstar“

Oh, haben wir in letzter Zeit mal über David Bowie gesprochen? Eigentlich schade, denn es wurde in letzter Zeit wenig, dafür früher oft viel zu viel über David Bowie geredet, über den „Mann, der zu schön war“ (wie 1973 eine Zeitschrift namens „Pop“ schrieb und dem Autor dieser Zeiten selbigen Mann für alle Zeiten ins Hirn nagelte), viel zu vieles, was man glücklicherweise bald wieder vergaß, weil das Gedächtnis gnädig und die Welt zu groß ist, um alle Irrungen des Menschengeschlechts aufzubewahren. „Frisch gepreßt #357: David Bowie „Blackstar““ weiterlesen

Belästigungen 03/2016: Vom Nachbarn und vom Furor des Vorfrühlings (bitte keinen Zusammenhang suchen!)

Wer braucht eigentlich Nachbarn? Nachbarn sind das allerletzte! Kaum will man schlafen, veranstalten sie Tischtennisturniere und Blockflötenkonzerte oder greifen zum Preßlufthammer, um Mauern einzureißen. Wenn man andererseits mal Gäste bewirten muß, weil aufgrund der unmenschlichen Münchner Sperrstundenregelungen noch keine Kneipe aufhat, oder das Schaffen von Miles Davis in den siebziger Jahren einer Neubewertung zu unterziehen trachtet, hämmern sie mit Besen gegen die Wände, um eine angebliche Belästigung anzuprangern.

In sämtlichen Ecken und Winkeln der Wohnung stapeln sich ihre verpackten Konsumgüter, die sie vor Jahren bestellt und offenbar doch nicht so dringend gebraucht haben. „Belästigungen 03/2016: Vom Nachbarn und vom Furor des Vorfrühlings (bitte keinen Zusammenhang suchen!)“ weiterlesen

Belästigungen 02/2016: Weshalb der Wortfluß stockt und warum er das beizeiten muß (eine Abschweifung)

Von allen Übeln, die den Menschen befallen, ist das schlimmste: die Schreibblockade, der Ursumpf literarischen Schweigens, die Rachegöttin des gräßlich weißen Blatts, der grauenerregende Hirnkrebs, der den Schöpfer des Weltsinns mit leerem Schädel starrend zurückläßt, während unter dem Balkon des Elfenbeinturms die bange Masse händeringend harrt, vereint im Entsetzen angesichts der schwärenden Drohung, die Schaffenskraft werde womöglich nie wieder erwachen.

Denn was dann, wenn sich aus dem individuellen Leiden am nicht geboren werden wollenden Wort eine Epidemie entwickelt? Wenn die Zeitungsseiten leer bleiben, wenn die Stände der Buchmessen verwaisen, nur sporadisch bestreut mit Goethe-Neuauflagen für den Schulunterricht und einer um ein paar neuerdings „erlaubte“ Schreibweisen erweiterten Duden-Aktualisierung? Wenn im Fernsehen ein Denis Scheck mit leeren Händen als der tumbe Mops dasteht, der er immer schon ist, den aber unter der Maske des scheinbar eloquenten und feinst literarisierten Dampfplauderers keiner sehen mochte? „Belästigungen 02/2016: Weshalb der Wortfluß stockt und warum er das beizeiten muß (eine Abschweifung)“ weiterlesen

(Aus dem tiefen Archiv:) Bestsellende Groschenhefte

Die Süddeutsche Zeitung fand es letzten Herbst vermeldenswert, die mittlerweile inflationär in den Illustrierten wuchernden Bestsellerlisten hätten „offenbar nicht, wie sich die Verlage erhoffen, auch noch zusätzliche werbende Wirkung“. Laut einer Umfrage nämlich seien derartige Buch-Hitparaden „nur für 27 Prozent der Deutschen eine wichtige Orientierungshilfe“. „(Aus dem tiefen Archiv:) Bestsellende Groschenhefte“ weiterlesen

Frisch gepreßt #355: John Coltrane „A Love Supreme (The Complete Masters)“

Oh, das Leben … es ist groß und oft nicht leicht, vor allem wenn die Liebe dazwischenkommt. Dann wirren sich die Sinne, knotet sich die Welt, verschwimmen die Wege, flirren die Zeichen und spielt sich mancherlei physiologisches Durcheinander ab, das von der Physiologie an sich nicht vorgesehen ist. Undenkbar, unmachbar scheint vieles, was der Alltag verlangt, was ihn prägt und den Menschen auf gewohnten Gleisen durch sein Leben trägt. „Frisch gepreßt #355: John Coltrane „A Love Supreme (The Complete Masters)““ weiterlesen

Belästigungen 1/2016: Hundert Millionen Kilo neues Fleisch – wohin damit, Deutschland?

Laut Statistik hat die deutsche Bevölkerung in den letzten drei Wochen hundert Millionen Kilo zugenommen. Das ist nichts Neues, tut sie schließlich jedes Jahr, und im Verlauf der folgenden Monate werden davon üblicherweise durch den konzertierten Irrwitz von Superdiäten und Strampeldrill zehn bis dreißig Prozent wieder „wegschmelzen“, ehe zu Weihnachten 2016 erneut hundert Millionen Kilo Fleisch dazukommen.

Das deutsche Volk – wie wir es ausnahmsweise mal nennen wollen, weil der Begriff hier trifft – wird also zweifellos immer gewichtiger. Nun wissen wir seit langer Zeit, daß das eine ganz normale Begleiterscheinung des zu Ende gehenden kapitalistischen Prozesses ist: Jeder stopft sich noch schnell hinein, was nur geht, bevor es irgendein anderer frißt. „Belästigungen 1/2016: Hundert Millionen Kilo neues Fleisch – wohin damit, Deutschland?“ weiterlesen

Frisch gepreßt #354: Der Nino aus Wien „Immer noch besser als Spinat“

Nein, mehrfach.

Erstens: Nein, Ninos Stimme ist nicht für jeden was. Es gibt Leute, die fühlen sich, wenn sie sie hören, abgeschleckt, und zwar von jemandem, der lieber erst mal was mit Clearasil und Geruchsfressereinlagen machen sollte, bevor er sich für die ostösterreichische Vorstadtausgabe von Justin Bieber bzw. dem Blondgefärbten von One Direction hält. „Frisch gepreßt #354: Der Nino aus Wien „Immer noch besser als Spinat““ weiterlesen

Frisch gepreßt #353: Van Morrison „Astral Weeks“

Vor Van Morrison habe ich mich als Kind irgendwie gefürchtet. Na ja, nicht direkt gefürchtet, aber große Lust, ihn kennenzulernen, hatte ich auch nicht. Der schaute so böse und wirkte so brummig, und als er dann nicht mehr ganz so brummig wirkte und böse schaute, da schaute und wirkte er dann verschlossen und schwierig und … „Frisch gepreßt #353: Van Morrison „Astral Weeks““ weiterlesen

Belästigungen 25/2015: Von Kälte, Wärme, Rotz, Wasser und dem Zauber des selbst herbeigeführten Kurzwinterschlafs

Die Freuden des Winters sind durchaus divers und paradox. Die einen stürzen sich manisch hinaus ins klirrende Kalt und rutschen auf Brettern und Lattengestellen durch die Gegend, bis ihnen Nasen, Ohren und Zehen abfrieren, löten sich hinterher in dröhnenden Holzhütten mit Giftgebräu wie Glühwein und Jagertee das Hirn zu und finden das einen so urigen Spaß, daß sie sich notfalls selbst im höchsten Hochsommer mit Hubschraubern auf sieche Restgletscher kurbeln lassen, um denen nebenbei den Rest zu geben.

Andere verheizen ganze Wälder, Gastanks und Ölfelder, stapeln sich in Saunen und rasen in Geschwadern von Flugzeugen um den Globus, um die Sommerhitze, über die sie Ende September noch gestöhnt haben, als Dauerzustand zu erhalten. „Belästigungen 25/2015: Von Kälte, Wärme, Rotz, Wasser und dem Zauber des selbst herbeigeführten Kurzwinterschlafs“ weiterlesen

Belästigungen 24/2015: Es geht zu Ende, lieber Abfalleimer (gut, daß es dich gibt!)

Seltsam, wie sehr sich der Mensch daran weidet und darin suhlt, daß Sachen zu Ende gehen. Tut er nicht? Tut er doch: Dazu hat er eigens ein Jahr erfunden, das am 31. Dezember ruckzuck und plötzlich aus ist. Es kommt zwar gleich ein neues daher, angeblich, aber das besprechen wir vielleicht demnächst, wenn es so weit ist. Erst einmal: wird das Jahr in ein paar Wochen ruckzuck und plötzlich aus sein, und das treibt den Menschen um.

Und zwar schon Wochen und Monate vorher, weil das Gefühl, daß etwas bald aus ist, unweigerlich dazu zwingt, neue Vorräte zu beschaffen. „Belästigungen 24/2015: Es geht zu Ende, lieber Abfalleimer (gut, daß es dich gibt!)“ weiterlesen

Wie sich David Bowie einmal leicht verspätete (kein Nachruf)

Tage, an denen Alben von David Bowie erscheinen, sind für Menschen unserer Generationen lebensgeschichtliche Kerben, die der ersten Zigarette, dem ersten Orgasmus, dem ersten High, der ersten Trennung, der ersten Auslandsreise und der ersten Begegnung mit der großen Liebe mindestens nahekommen. Ich weiß noch, wie ich in den Fernseher gaffte, als „Aladdin Sane“ erschien: als hätte sich eines jener Portale in andere Universen geöffnet, von denen in „Raumschiff Enterprise“ immer nur geraunt wurde. „Wie sich David Bowie einmal leicht verspätete (kein Nachruf)“ weiterlesen

Im Regal: Umberto Eco „Nullnummer“

Seit „Der Name der Rose“ besetzt der ehemals als Semiotiker tätige Umberto Eco romanweise mit höchstem Erfolg ein Genre, das er selbst begründet hat: die Verbindung von Abenteuer- und Kriminalgeschichten mit historischen Tatsachen, Mythen, Textauslegungen/Zitaten und Verschwörungstheorien, die er allesamt so wild durcheinandermischt, daß daraus inzwischen weit über die Literatur hinaus eine Lieblingsbeschäftigung „postmoderner“ Weltdeuter geworden ist.

Das Rezept bleibt im wesentlichen gleich; der Reiz der Geschichten ist durchaus unterschiedlich und hängt davon ab, wie plausibel der weithin, aber nicht immer tief belesene Autor die Einzelstücke zusammenschraubt – und ob er es hinkriegt, seinen Hang zur Gschaftelhuberei und zum Protzen als Hansdampf in allen Infogassen zugunsten einer wenigstens einigermaßen interessanten Rahmenhandlung und mindestens ungefähr erkennbaren Protagonisten zu zähmen. „Im Regal: Umberto Eco „Nullnummer““ weiterlesen