Frisch gepreßt #364: Kupfer „Der fette Tanz des Lebens“

Ich will das mal so sagen: Wenn man Kupfer mit einem anderen, weniger edlen Metall in der richtigen Weise zusammenbringt und dann mit dem Finger hinlangt, dann kann es einem ganz schön eine draufzünden. Diesen galvanischen Urmechanismus mußte in Urzeiten Abinadabs Sohn Ussa schmerzlich erleben, als er als Träger der Bundeslade das heilige Gerät verbotenerweise auf einen Ochsenkarren lud und dann, als es ins Schwanken geriet, mit der Hand hinlangte, um es am Herunterplumpsen zu hindern: Fatz! lag er da, vom Elektroschlag gefällt. „Frisch gepreßt #364: Kupfer „Der fette Tanz des Lebens““ weiterlesen

Belästigungen 08/2016: „Uck! Uck! Uck! Rrrrarrrgl! Das ist mein Revier!“ (nebst einer dringend gebotenen Alternative)

Daß Lebewesen Räume bewohnen, ist von der Natur so vorgesehen und eigentlich auch recht zwangsläufig: Da sie die Evolution nun mal in einen Körper hineingezwungen hat, müssen sie ja irgendwohin. Und was bleibt da schon außer der Welt, solange man ins Internet (das außer dem Menschen sowieso niemanden interessiert, weil es ein ziemlich nervtötender Wirbelsturm von buntem Plemperlzeug ist) noch nicht wirklich „gehen“ kann?

Aber wie sich das gestaltet und was für Folgen es hat, ist individuell ziemlich verschieden. Das Eichkätzchen zum Beispiel verwandelt innerhalb einer Generation seinen gesamten Lebensraum in einen undurchdringlich dichten Nußbaumwald, indem es jede verfügbare Nuß nach allen Regeln der alten Gärtnerschule in den Boden hineingräbt und sofort vergißt. „Belästigungen 08/2016: „Uck! Uck! Uck! Rrrrarrrgl! Das ist mein Revier!“ (nebst einer dringend gebotenen Alternative)“ weiterlesen

Vom Heroismus der Idiotie

Das „Zentrum für politische Schönheit“ dürfte es in den nächsten Monaten nicht leicht haben. Wenn die Künstlergruppe, die mit einigen spektakulären Aktionen tote Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen instrumentalisierte, um medial auf sich aufmerksam zu machen, künftig als reaktionäre Klamauktruppe gilt, verdankt sie dies ihrem Gründer und Boß Philipp Ruch und seinem als „politisches Manifest“ etikettierten Pamphlet Wenn nicht wir, wer dann?.

Einer der grundlegenden Denkfehler des Machwerks mit dem abgegriffenen Phrasentitel (Vorlage: Andreas Veiels Enßlin-Vesper-Baader-Film „Wer wenn nicht wir“) steht schon im Titel und in der Überschrift des Rückentextes: „Vom Heroismus der Idiotie“ weiterlesen

Ein paar weniger wichtige Gedanken zu einem vollkommen relevanten Konflikt zwischen Tim Renner und Claus Peymann

„Kultur“ geht ungefähr so: Eine Clique von „Leistungs-“, Entscheidungs- und sonst welchen Trägern nimmt ein paar öffentliche Millionen in die Hand und setzt irgendeinen spektakulären (d. h. in Wirtschaftsteil und Feuilleton ausgiebig bebimsten, ansonsten ahnungsfreien, auf jeden Fall „unorthodoxen“, d. h.: absolut konformen) Idioten auf einen Posten. Der kriegt dann umgehend „Visionen“, die in Feuilleton und Wirtschaftsteil ausgiebig bebimst werden und im wesentlichen darauf hinauslaufen, man müsse ein paar öffentliche Millionen in die Hand nehmen und „etwas machen“ bzw. „auf die Beine stellen“, „Ein paar weniger wichtige Gedanken zu einem vollkommen relevanten Konflikt zwischen Tim Renner und Claus Peymann“ weiterlesen

Expedition in den Untergrund: Ein Tag in der Münchner U-Bahn

Die U-Bahn ist das Fastfood unter den Fortbewegungsmitteln: Nicht der Weg ist hier das Ziel, sondern das Ziel – Hauptsache satt, das heißt: Hauptsache da. Damit ähnelt U-Bahnfahren am ehesten dem Traum aller Transporttechniker, dem aus „Raumschiff Enterprise“ bekannten Beamen: Man steigt ein, wird durch identisch schwarze, ortlose Tunnel geschossen und steigt wieder aus, an identisch häßlichen, funktionsbestimmten Bahnhöfen. „Expedition in den Untergrund: Ein Tag in der Münchner U-Bahn“ weiterlesen

Belästigungen 07/2016: Müßige Gedanken bei der Betrachtung einer Art Hochleistungsschwimmhalle ohne Dach und Becken

Man kann nichts mitnehmen. Das ist die Grundeinsicht des menschlichen Lebens, und wie alle Einsichten, Erkenntnisse und rettenden Ideen kommt sie so gut wie immer zu spät. Drum irrt der Mensch durch die ihm zugeteilte Lebenszeit und kriegt nichts davon mit, weil er wie irr schaffen und raffen muß, und am Ende macht es dann Zupp!, und er ist weg, aber das Zeug bleibt da.

Ich komme da jetzt nicht wegen Guido Westerwelle drauf, dem man ein möglichst langes Leben mit möglicherweise irgendwann eintretender Einsicht oder gar Weisheit gewünscht hätte, statt daß er hinfort muß und der Irrsinn, den er angerichtet hat, noch Generationen von Menschen auf den Schultern hängt wie ein Bleirucksack. „Belästigungen 07/2016: Müßige Gedanken bei der Betrachtung einer Art Hochleistungsschwimmhalle ohne Dach und Becken“ weiterlesen

Frisch gepreßt #363: White Denim „Stiff“

Immer wenn der Schnee schmilzt, der Matsch verfließt in der milde lächelnden Frühlingssonne, erstehen vergessene Vergangenheiten wieder auf, in Form von Gegenständen und Gefühlen, aber auch als Lebenszusammenhang. Das ist nicht einfach bloß jahreszeitlich zu verstehen, sondern auch metaphorisch.
Zum Beispiel die elektrisch verstärkte Gitarre. Wie oft war man versucht, zu denken: Ach ja, gab es mal, waren lustige Zeiten, aber jetzt sind und herrschen andere, da muß man sich anpassen und das so nehmen und die kulturellen Fühler und Fühligkeiten entsprechend ausrichten. „Frisch gepreßt #363: White Denim „Stiff““ weiterlesen

Frisch gepreßt #362: Bumillo „Veit Club LP“

Eine Kurzeinführung in Charakter und Ursprung der mitteleuropäischen Kultur kommt nicht um eine zentrale Tatsache herum, gegossen in den ewiggültigen Merksatz: Eine Kneipe ist eine Kneipe (vulgo localo: Boazn). „Dann bestellen wir beim Kellner ein Bier und saufen so lang, bis was Lustiges passiert, und dann erzählen wir uns selber, wie wir dabei waren, als was Lustiges passiert ist“ könnte als Quintessenzregel und Summenformel der Weltfunktion das Leben als solches treffender beschreiben als Hekatomben unverstandener Ergründungsliteratur. „Frisch gepreßt #362: Bumillo „Veit Club LP““ weiterlesen

Belästigungen 6/2016: Ich werde jetzt zur Abwechslung auch mal was wohl noch sagen dürfen!

Wenn man sich in Deutschland ein bißchen umschaut, könnte man glatt Mitleid bekommen. Da leben ein paar dutzend Millionen Menschen, die brav ihre Arbeit tun und redlich ihr Brot brechen, die Kinder nähren, das Haus in Ordnung halten und die Kehrwoche achten. Und dann kommt eine wildgewordene Bande von ein paar unverbesserlich gutmenschlichen Weltverbessererlinken daher und möchte sie mundtot und zur Unperson machen, indem sie ihnen verbietet, ihr Grundrecht auf freiheitlich-demokratische Meinungsausstoßung auszuüben und zu sagen, was Sache ist.

Zum Beispiel daß der Ausländer nicht ins Inland hineingehört. Daß beim Hitler nicht alles schlecht und manches sogar ganz gut war, außer dem Krieg, an dem aber nicht nur er schuld war. „Belästigungen 6/2016: Ich werde jetzt zur Abwechslung auch mal was wohl noch sagen dürfen!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #361: The 1975 „I Like It When You Sleep, For You Are So Beautiful Yet So Unaware“

Der Traum ist die Bibliothek der Erinnerungen; allerdings gelten dort äußerst eigentümliche, anderweltliche Naturgesetze: Bücher, Blätter, Pergamente und Schriftrollen stehen nicht etwa einer Ordnung von Ordnungen folgenden Ordnung gemäß in Regalen und Schränken, sondern treiben in verschlungenen Choreographien durch den Raum. Körperlose Wächter in Schleiern schweben schweigend, Kannen in den unsichtbaren Händen, aus denen sie Licht gießen, das erst zu strahlen beginnt, wo es Geschriebenes trifft und die urgeheimen Zeichen zu Schrift wandelt, die sich dem inneren Auge erschließt. „Frisch gepreßt #361: The 1975 „I Like It When You Sleep, For You Are So Beautiful Yet So Unaware““ weiterlesen

Frisch gepreßt #360: Jochen Distelmeyer „Songs From The Bottom Vol. 1“

Provisorischer Lexikoneintrag: Jochen Distelmeyer, 1967 in einer Stadt geboren, die es vermutlich gibt (Bielefeld), fing recht spät als „Bienenjäger“ an, sich musikalisch zu szenieren. Gründete als Zivi in Hamburg die Band Blumfeld, deren schroffkantiges Debüt „Ich-Maschine“ eine der wichtigsten deutschen Hipsterplatten (d. h. viel diskutiert, kaum gehört) der 90er wurde. Schuf 1994 mit „L’Etat Et Moi“ durch die Verarbeitung britischer Indiepopmusik (Wedding Present et al.), aber auch von Einflüssen aus der frühen NdW (etwa des notorischen Düsseldorfer KFC) und genialisch-subjektive textliche Hackstückverdichtung ein Meisterwerk von ungeheurer Schönheit und wundervoller Kraft. „Frisch gepreßt #360: Jochen Distelmeyer „Songs From The Bottom Vol. 1““ weiterlesen

Belästigungen 05/2016: Hundert Jahre Horror – im Banne des K-Worts

Ich weiß ein lustiges Spielchen: Man setze sich in eine beliebige „aktuelle“ Diskussion hinein („aktuell“ heißt: es geht um das, was einem die Führungsmedien derzeit als „Themen“ verkaufen wollen, also je nach Stand der „Informiertheit“ Flüchtlinge, Syrien, Ukraine, Griechenland, Putin … das ist weitgehend egal, weil sowieso im wesentlichen immer das gleiche) …

Klammer zu, guten Morgen, noch mal von vorn. Also: Man setze sich in eine beliebige Diskussion über aktuelle „Themen“ hinein und schaue erst mal freundlich. Wenn sich ein günstiger Moment ergibt – also wenn zum Beispiel alle grad kurz erschöpft sind vom Pingpongspiel der „Argumente“, Schlagwörter und gegenseitigen Relativierungen (Clausnitz! – Köln! – Österreich! – Stacheldraht! – Seehofer! – Bautzen! etc. pp.), – wirft man einfach mal so den Begriff „Kommunismus“ hinein.
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Frisch gepreßt #359: Rihanna „Anti“

Obacht, der Mainstream-Drücker steht vor der Tür! Armer Kerl, freilich, will ja auch bloß sein Brot verdienen, indem er Klingeln putzt und jedem, der ihm in die Quere kommt, sein Zeug ins Hirn reibt, damit der es sich dann ins Trommelfell reibt und solcherart („Was? Noch nicht gehört!?“) weiter verbreitet.

Jetzt steht er da, betrachtet die Hirnbriefkästen und beschließt mal wieder, seine Sprachzugehörigkeit ein paar tausend Kilometer umzudefinieren, um „Keine Werbung! Wir wollen Müll vermeiden!“ nicht entziffern gekonnt zu haben. „Frisch gepreßt #359: Rihanna „Anti““ weiterlesen

Im Regal: Hanna Lemke „Gesichertes“ (eine exemplarische Kritik der Institutsliteratur)

Man meint, jüngeren Lesern das schon erklären zu müssen: daß vor einem guten Jahrzehnt einmal eine „Literatur“ in Deutschland mehr aufpilzte als -blühte, die in „Instituten“ gelehrt wurde, nachdem sie Kulturhampelmänner wie Hellmuth Karasek zum „Sound einer Generation“ erhoben hatten, die aber kaum mehr als der verspätete Neuaufguß des „Sounds“ von Raymond Carver war, oder sagen wir: dessen, was sein Lektor Gordon Lish daraus zusammenmontiert hatte und was nun die „Lakonie“ zu einem fast ebenso häufig in der Gegend herumgeworfenen Modewort machte wie ein Jahrhundert zuvor die Hysterie. „Im Regal: Hanna Lemke „Gesichertes“ (eine exemplarische Kritik der Institutsliteratur)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #358: Suede „Night Thoughts“

Ich weiß nicht, ob es für oder gegen die 90er oder für oder gegen die Zehner oder für oder gegen beide oder gegen die Wirksamkeit der dazwischenliegenden Nuller als Filter oder Damm oder Nährboden oder alles drei oder für gar nichts und gegen ebenso wenig spricht, jedenfalls: gehen die 90er einfach nicht weg. Oder vielleicht waren sie zwischendurch mal kurz draußen an der frischen Luft, das hat aber keiner bemerkt, weil wir so intensiv ins Gespräch oder den Sex oder irgendwas anderes vertieft waren?

Da sind sie jedenfalls, wieder, immer noch, wer weiß. Sicher ist: Wenn 1993 jemand gesagt hätte: „Wir werden auch in 23 Jahren hier sitzen und „Frisch gepreßt #358: Suede „Night Thoughts““ weiterlesen