Frisch gepreßt #427: The Beatles „The Beatles (Super Deluxe Edition)“

1968. Ein normaler Beatles-Januar, der sechste: „Hello Goodbye“ führt die UK-Charts an, die Band eröffnet die Zentrale ihres Apple-Konzerns in Marylebone. Zwölf Monate später werden fast alle existierenden Ehen, Partnerschaften und die Band selbst geschieden, gescheitert, geplatzt sein.

Ticker: Im Januar nehmen die Beatles „Lady Madonna“ und Songs für ein Album mit dem Arbeitstitel „Get Back“ auf. Am 16. Februar fliegen John und George nach Indien, um Maharishi Mahesh zu besuchen, Ringo und Paul folgen. Der bärtige Guru schenkt George zum 25. eine Weltkarte aus Plastik. „Frisch gepreßt #427: The Beatles „The Beatles (Super Deluxe Edition)““ weiterlesen

Frisch gepreßt #425: Fucked Up „Dose Your Dreams“

Hardcore ist ein höchst eigentümliches Genre. Es entstand Ende der 70er Jahre und beruhte auf der (mutmaßlich irrigen) Annahme, die Unbeholfen- und -gehobeltheit, die den Bands der dritten bis fünften Punkrockliga mangels künstlerischer und handwerklicher Mittel mehr oder weniger zwangsläufig unterlaufen war, sei in Wirklichkeit ein Stilmittel oder müsse zumindest unbedingt zu einem solchen erhoben werden. Man verzichtete folglich auf alles, was den Verdacht eines Strebens nach Schönheit oder Anspruch, nach Verfeinerung, Tiefe und Ambivalenz erregen hätte können, und konzentrierte „Frisch gepreßt #425: Fucked Up „Dose Your Dreams““ weiterlesen

Belästigungen 21/2018: Der Mensch muß „los“! Und dann … ist er weg (wie alles andere auch)

Wir leben in mobilen Zeiten. Das bringt manchmal bizarre Auswüchse hervor. Zum Beispiel tendieren in meinem Wohnbereich Schlüssel, Telephone, Tabakbeutel, Kaffeelöffel, Haarspangen (nicht meine!) und andere Kleinteile dazu, plötzlich in Aufbruchsstimmung zu geraten und sich auf den Weg zu machen. Sucht man sie, sind sie … na ja, mutmaßlich irgendwo dort, wo man halt gerade so hinfährt, weil man da ein Praktikum machen oder Fitneßtätigkeiten betreiben kann. Gibt man die Suche erschöpft auf und kauft oder bestellt Ersatz, trudeln sie plötzlich wieder ein und tun so, als wär nichts gewesen.

Aber da sich dieses Phänomen auf meinen Wohnbereich beschränkt, hat es auf die allgemeine Weltlage weniger Einfluß. Wesentlicher ist, was die dafür zuständigen Damen und Herren für unsere Zukunft so vorhaben und zum Teil
schon in die Tat umsetzen. „Belästigungen 21/2018: Der Mensch muß „los“! Und dann … ist er weg (wie alles andere auch)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #426: Christoph & Lollo „Mitten ins Hirn“

Früher mal durften sich Christoph & Lollo als Geheimtip bezeichnen, geradezu als Inbegriff eines solchen: Da spielten sie vor fünfzehn tapferen Neugierigen im Vereinsheim, verborgen vor Augen und Ohren sämtlicher anderen Menschen, die sie nicht kannten. Aber wer sie kannte, der empfahl sie mit leuchtenden Augen weiter, ihre oft untergründig fröhlichen, tief drinnen melancholischen und vor Zorn leise bebenden, bisweilen grell sarkastischen bis regelrecht zynischen Lieder über die Dinge der Welt und des Lebens, Kleinigkeiten, Details und hier und da eine Gesamtschau in einem Nebensatz
oder auch nur einem Gesicht, „Frisch gepreßt #426: Christoph & Lollo „Mitten ins Hirn““ weiterlesen

Belästigungen 20/2018: Demokratisierung soll allen nutzen! Damit Bayern stabil bleibt!

Was ein Demokrat ist, weiß ja niemand so genau zu sagen. Irgendwie wohl ein Herrscher (griechisch: kratein = herrschen, vgl. „Autokrat“), aber wie oder was der Demokrat beherrscht, bleibt unklar. Das „Volk“ (griechisch demos)? Könnte sein; wenn allerdings – wie das wohl erwünscht ist – jeder einzelne ein Demokrat ist, wie soll das dann gehen? Beherrschen soll der„Demokrat“ jedoch vor allem eines: einen Stift in die Hand zu nehmen und auf einem Zettel ein Kreuzchen zu machen bei der Partei, von der er sich und seine Mitbürger in den nächsten paar Jahren be-herrscht sehen möchte. Drum fordert man auch mich dazu immer wieder freundlich auf: schließlich sei ich, auch ohne es zu wissen, ein Demokrat und müsse das tun, weil die Demokratie sonst irgendwie geschädigt werde. „Belästigungen 20/2018: Demokratisierung soll allen nutzen! Damit Bayern stabil bleibt!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #424: Anna Calvi „Hunter“

Die Tragödie, das wissen wir aus dem Schulunterricht, ist die Mutter der Farce. Was historiographisch bedeutet: Alles kehrt zurück, aber dann eben als „derbes, komisches Lustspiel“, wie das Lexikon meint. Als „Posse“.
Das stimmt manchmal nicht. Die Farce nämlich ist bisweilen etwas anderes, Kulinarisches: eine raffinierte „Füllung“ (so die französische Wortbedeutung), die aus einer Speise erst das macht, was sie ist oder ihr mindestens Würze, Esprit, Feinheit, Schärfe, Tiefgang, Süße, Bitternoten, Aroma und mancherlei weitere Details hinzufügt. „Frisch gepreßt #424: Anna Calvi „Hunter““ weiterlesen

Belästigungen 19/2018: An jeden Satz eine Blödphrase dranhäng! Stichwort Grunzglocke!

In letzter Zeit ist mir aufgefallen, daß die Leute, deren Job es ist, unsere Meinungen zu „bilden“ und uns ideologisch bei der neoliberalen Stange zu halten, kaum mehr einen Satz aussprechen können, ohne als verbale Interpunktion die Phrase „Stichwort Digitalisierung!“ hinterherzubellen. Was sie zuvor an „Info“ o. ä. ausgestoßen haben, erhält dadurch irgendwie eine ganz andere Schattierung. Zum Beispiel: „Die Arbeitswelt wandelt sich. Stichwort Digitalisierung!“

Sagte man statt dessen: „Die Arbeitswelt wandelt sich. Arbeiter werden immer rücksichtsloser und brutaler ausgebeutet und ihrer Lebenszeit und des Ertrags ihrer Schufterei beraubt“, käme das zwar einer inhaltlich wie sprachlich sinnvollen Aussage wesentlich näher, aber als Propaganda für den Wirtschaftsfaschismus ist derartiges (wie die meisten sinnvollen Sätze) nicht
zu gebrauchen. „Belästigungen 19/2018: An jeden Satz eine Blödphrase dranhäng! Stichwort Grunzglocke!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #423: Milo & Elucid „Nostrum Grocers“

Daß der soeben vergangene Sommer ein Prachtexemplar eines solchen war, merkt man (auch) an gewissen Überdosierungen. Kein Seestrand, kein Flußufer, keine Freibadliegewiese, wo man nicht dauerbeschallt wurde mit Cloud Rap und seinen verästelten Ablegern: billige Tickerbeats, simples Synth-Geplömpel, mit Autotune auf Plastik gestyltes Geplapper über (pathetisch überhöht ausgedrückt) Identitäten und Gegenständlichkeiten. Eigentlich, sollte man meinen, ist damit der Hip-Hop-Bedarf für mindestens ein Jahr gedeckt und ein Interesse an noch mehr nicht mehr zu wecken. „Frisch gepreßt #423: Milo & Elucid „Nostrum Grocers““ weiterlesen

Frisch gepreßt #422: Featherwolf „In The Living Room“

South of no north: Im tiefsten Süden, den menschliche Phantasie sich vorzustellen vermag, wo die Geckos gelähmt im Schatten kochen, die Giftluft glüht, die Geister nur nachts leise seufzen, wo Blut, Schweiß und Tränen die Erde tränken und der Mensch in diabolischer Sünde ein Traumleben träumt, in diesem tiefsten aller Süden, wo weit im höchsten Norden nichts zu finden ist als Süden – dort bin ich einst Maria begegnet, die mich hineinwarf in einen brennenden erotischen Alpwunschtraum, aus dem es ein Erwachen nur im tiefsten Rausch gab. „Frisch gepreßt #422: Featherwolf „In The Living Room““ weiterlesen

Frisch gepreßt #421: Stone The Crows & Maggie Bell „The Best Of“

Ich erinnere mich an goldene Zeiten. Goldene Zeiten, die es, wie alle goldenen Zeiten, nur einmal gab: weil das goldene Zeiten so an sich haben, daß man nicht merkt, wie sie sich langsam anschleichen, und dann merkt man nicht, wenn sie vorbei sind, weil … tja, das weiß man auch nicht genau. Der Glanz reibt sich ab, das Gold erweist sich als Vergoldung auf einem wackeligen Gerüst aus Weichholz, das gewiefte Konstrukteure sodann durch Stahl und Glas ersetzen. Das glänzt nicht mehr richtig, aber man kann es überdimensional ausbauen.
Ich erinnere mich an die goldenen Zeiten, als die Verstärker richtig laut
wurden, „Frisch gepreßt #421: Stone The Crows & Maggie Bell „The Best Of““ weiterlesen

Frisch gepreßt #420: Years & Years „Palo Santo“

„Du darfst vieles tun, aber manches nicht: zum Beispiel dem Sailer mit gewissen Sachen kommen.“

„Aha, und was für Sachen sollen das sein? Und wieso darf ich das nicht?“

„Erstens: weil er eine Allergie gegen 90er-House, Autotune-Elektropop und Plastik-R&B hat. Zweitens: weil er dann notfalls alles zusammenschlägt, anschließend in ein Koma verfällt und danach drei Tage lang das ganze Viertel mit extrem krustigem Hardcore-Punk beschallt. Das kann niemand wollen!“

„O Gott, nein!“ „Frisch gepreßt #420: Years & Years „Palo Santo““ weiterlesen

Frisch gepreßt #419: Guns N‘ Roses „Appetite For Destruction (Deluxe Edition)“

Hey, weißt du noch, Sommer 1990? Was waren wir für snobistische, vom Leben und der Welt genervte Gammler! Hingen Tag und Nacht in denselben zerrissenen T-Shirts und Jeans und Turnschuhen in denselben Bars und Kneipen rum, streckten Koks mit Abführmittel und verschenkten es an Modetrottel am Tresen, fragten in jedem Club den DJ nach der neuen Stone-Roses-Single, kifften zwischendurch in Dachgeschoßen auf versifften Teppichen, hörten auf einem aschebestäubten, eiernden Dual-Plattenspieler knisternde und knackende obskure Import-EPs in Rauhfaserhüllen von
grunzenden, jammernden, über ihre Gitarren stolpernden Indiebands aus Texas, Helsinki und Alaska, „Frisch gepreßt #419: Guns N‘ Roses „Appetite For Destruction (Deluxe Edition)““ weiterlesen

Frisch gepreßt #418: Melody’s Echo Chamber „Bon Voyage“

„Melody!?“

„–“

„Melody! Wo steckt denn das Kind schon wieder?“

„Wo wird sie stecken? Vermutlich in ihrer Echokammer, wo sie mal wieder diese … Dinge tut.“

„Oh.“

„Na, wer hat ihr die Kammer denn eingerichtet und wohlwollend genickt, als sie all diese … Dinge hineingeschleppt hat, Trommeln, Instrumente und … na ja, „Frisch gepreßt #418: Melody’s Echo Chamber „Bon Voyage““ weiterlesen

Belästigungen 18/2018: Neues (und Altes) von der „Mutter“ (und dem Vater) „aller Probleme“

Migration, ließ der Bundesminister des Inneren und ehemalige bayerische Ministerpräsident neulich verlauten, sei „die Mutter aller politischen Probleme“. Bei all dem garstigen bis vollkommen hirnrissigen Sprechschaum, der aus amtierenden und ehemaligen Ministerpräsidenten für gewöhnlich so herausfurzt, ist es durchaus erfreulich, mal eine Aussage kolportiert zu bekommen, die ohne Abstriche durch und durch wahr ist.

Tatsächlich gäbe es ohne Migration keinerlei politische Probleme. Es gäbe noch nicht mal eine Politik, wenn man nicht das alltägliche Gesummsel, Gebrummsel, Gezeter und Gerausche der Flora und Fauna als solche interpretieren möchte. Bayern (zum Beispiel) wäre eine wunderschöne, herrlich florierende und faunierende Landschaft, vollkommen frei von „Belästigungen 18/2018: Neues (und Altes) von der „Mutter“ (und dem Vater) „aller Probleme““ weiterlesen

Frisch gepreßt #417: Remember Sports „Slow Buzz“

In der Popmusik gibt es Trends, Szenen, ganze Genres, die nie stattfinden. Zum Beispiel „Riot Grrl“ – war als Begriff vor einem breiten Vierteljahrhundert in aller Munde; wenn man sich heute zu erinnern versucht, fallen einem ein paar Namen ein, ein paar Gesichter von Pressefotos, aber hören tut man: nichts. Weil es keine Songs gibt.

Wie kommt so was zustande? Ganz einfach: In Wahrheit sind solche Sachen gar nicht in aller Munde (oder zumindest nicht in aller Ohr), sondern nur im Munde einschlägiger Trendjournalisten, die ihre Seiten und Formate füllen „Frisch gepreßt #417: Remember Sports „Slow Buzz““ weiterlesen