Strauß, Ali, AUD: Die Chronik des Jahres 1976 (ohne alternative Fakten!)

4. Januar: In Mannheim wird der deutsche Kabarettist Bülent Ceylan geboren. Er selbst äußert sich dazu zunächst nicht.

19. Januar: Die österreichische Sängerin Gertrude Wirschinger erreicht unter dem Künstlernamen Penny MacLean mit „Lady Bump“ Platz eins der deutschen Singlecharts. Der von ihr propagierte Tanz sorgt für einen Boom bei den Herstellern künstlicher Hüftgelenke.

1. Februar: Der Physiker Werner Heisenberg stirbt in München. Aufgrund einer sog. „Unschärferelation“ wird sein Tod erst einige Tage später bekannt. „Strauß, Ali, AUD: Die Chronik des Jahres 1976 (ohne alternative Fakten!)“ weiterlesen

Im Regal: Sling (Paul Schlesinger) „Der Mensch, der schießt“

Vor Gericht wird der Mensch zur literarischen Figur, sozusagen natürlich, weil den schwammigen Unklarheiten des eigenen Existenzsumpfs entrissen, durch eine Mühle von Kategorien gedreht und neuerlich schwammigen Unklarheiten der Auslegung durch ebenso natürlich inkompetente Urteilsorgane ausgeliefert, die sich einen Reim machen sollen zum Beispiel darauf, daß ein bis dahin unbescholtener, fleißiger, integrer, angemessen unglücklicher und unglückseliger Mann eines Tages den eigenen Sohn in einem Amtszimmer des Finanzamts vor den Augen des (hierfür nur bedingt) zuständigen Beamten erschießt. Wie mit dem Mann weiterhin verfahren wird, erfahren wir ausnahmsweise nicht – immerhin dies: Der Staatsanwalt beantragte zehn Monate Gefängnis auf Bewährung, und der Leser, soviel sei weiterhin verraten, empfindet diese Strafe nach Lektüre der Reportage zum Prozeß als zu hart. „Im Regal: Sling (Paul Schlesinger) „Der Mensch, der schießt““ weiterlesen

Noch so ein Interview, diesmal von 2000, und es geht um die Musikgruppe Tollwut

(Anmerkung vorab:  Der Anlaß dieses Interviews mit mir war das Erscheinen der Compilation „Amok“ meiner uralten (aber doch nicht ganz ersten) Band Tollwut. Wer das Interview geführt hat, weiß ich leider nicht mehr.)

Gute 20 Jahre danach erscheint demnächst endlich das erste richtige Tollwut-Album. Wann gibt es die nächste Wiedervereinigung?

Die letzte Wiedervereinigung war 1990. Bei der nächsten wäre Österreich dran, und das ist seit 1945 verboten. (Gelächter) „Noch so ein Interview, diesmal von 2000, und es geht um die Musikgruppe Tollwut“ weiterlesen

Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): NRFB „Trüffelbürste“

Sogenannte Kulturexperten rufen in letzter Zeit gerne mal eine „neue Ernsthaftigkeit“ aus und führen als Beleg das eine oder andere Produkt aus den aktuellen Programmen deutscher Großverlage an. So lächerlich und idiotisch derartige Epochenhubereien auch sind, man kann sie doch irgendwie verstehen, schließlich überbieten sich dieselben Großverlage regelrecht und –mäßig darin, den Rest ihrer wuchernden Kataloge mit eilverschrifteten Comedynummern, Lebenshilfepersiflagen und allen nur denkbaren Erscheinungsformen ranziger Ironie zuzuschäumen, deren Lachzwangfaktor so unendlich unerträglich ist, daß man sich die Haare ausreißen und ein Grundschulpflichtfach Melancholie und Welthaß einführen möchte. „Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): NRFB „Trüffelbürste““ weiterlesen

Im Regal: Ulrike Edschmid „Das Verschwinden des Philip S.“

Seit die Deutschen zu bemerken beginnen, daß es in ihrem Land einen echten (rechten) Terrorismus gibt, verdunsten die Umtriebe der frühen RAF und ihres Umfelds zusehends aus dem Bewußtsein. Angesichts der NSU-Morde und des nach wie vor nicht ansatzweise aufgeklärten Münchner Oktoberfestattentats ist etwa die Bewegung 2. Juni, bekannt geworden durch „Negerkuß-Banküberfälle“ und die einzige erfolgreiche Gefangenenbefreiung mittels Entführung, längst im Winkel der Putzigkeit verschwunden.

Dabei gäbe es da manches aufzuarbeiten, etwa die vom Schwarzen Loch zwischen Stockholm-Desaster und dem Beginn der RAF-Prozesse verschluckte Geschichte des Schweizer Filmkünstlers und Holger-Meins-Kommilitonen Werner „Philipp“ Sauber, der am 8. Mai 1975 auf einem Parkplatz in Köln bei einem Schußwechsel mit der Polizei hingerichtet wurde – „Im Regal: Ulrike Edschmid „Das Verschwinden des Philip S.““ weiterlesen

Belästigungen 13/2019: Besser, es passiert was! (bevor am Ende was passiert!)

Die Isar sei neuerdings ein „Mythos“, teilt die tz heute (19. Juni) mit. Ein Musterbeispiel für Fake News! darf ich als unmittelbarer Zeuge dagegenhalten: Im Gegensatz zu Lindwurm und Wolpertinger ist die Isar nach wie vor ganz real vorhanden und für jedermann, der nicht lieber arbeiten will, frei zugänglich. Wer’s nicht glaubt, darf mich gerne an meinem Lieblingsbadeplatz besuchen und sich selbst überzeugen.

Allerdings muß man dazu am Flauchersteg hinabkraxeln und hinterher auf dem Weg zum Biergarten auch wieder hinaufkraxeln, und das mag nicht jeder. Bevor jetzt aber die Aktivürstchen von der grünen Spaßbrausenfraktion daherkommen und per Facebookkampagne den Einbau blinkerbunt beleuchteter Treppen und Wasserrutschen samt Lampionboulevard mit verstimmten Klavieren fordern, füge ich vorsorglich hinzu: Das macht nichts, im Gegenteil! „Belästigungen 13/2019: Besser, es passiert was! (bevor am Ende was passiert!)“ weiterlesen

Notwendig verspätete Anmerkungen zu John Fante anläßlich einiger Neuauflagen

Fragt man mich nach dem „wichtigsten“ oder „größten“ Schriftsteller des 20. Jahrhunderts (oder meinetwegen: überhaupt), werde ich lange überlegen und wahrscheinlich keine Antwort geben. Aber allein daß es Vladimir Nabokov da mit John Fante (und wenig anderen) zu tun bekommt, sagt einiges.

Na gut, mag man meinen: Was soll man geben auf das Urteil von einem, der Thomas Mann schmäht und vier Fünftel des „Kanons“ der Gegenwartsliteratur verachtet, der die New York Dolls für eine der wichtigsten und größten Rock-’n’-Roll-Bands aller Zeiten hält und auch in anderer Hinsicht zu höchst unzuverlässigen Ansichten neigt? „Notwendig verspätete Anmerkungen zu John Fante anläßlich einiger Neuauflagen“ weiterlesen

Belästigungen 12/2019: Der Pilz und seine „Gruppe“ und so (müßige Sommergedanken vom Rand der Demokratie)

Schwammerl sind lustige Zeitgenossen. Liegt irgendwo ein Stück Holz herum und wird für längere Zeit feucht, ploppen sie plötzlich auf, recken ihre fröhlichen Köpfchen dutzend- und hundertfach in den schattigen Tag, pulvern Sporen herum, daß es nur so raucht, und sind ein paar Tage später spurlos verschwunden.

Ihre Renitenz, ihr Eigensinn und ihre Widerständigkeit sind beispielhaft: Pflanzen sind sie nicht, Tiere irgendwie auch nicht (obwohl sich manche davon selbsttätig fortbewegen können). Einige kann man essen, andere entschieden nicht. Manchmal sind sie lieblich schön, manchmal abstoßend häßlich; einige verströmen einen urgründig-erotischen Wohlgeruch, andere stinken, daß es der Sau graust. „Belästigungen 12/2019: Der Pilz und seine „Gruppe“ und so (müßige Sommergedanken vom Rand der Demokratie)“ weiterlesen

Belästigungen 04/2005: Neid oder Glatzwampen oder Charakter oder überhaupt oder und und

Immer dasselbe: jedes Jahr eine Oderflut! Und dieses Mal kann nicht mal der Kanzler die Dämme entlangschrödern und Sandsäcke begutachten, weil kein Wasser beteiligt ist.

Dafür Deutschlands Journalisten. Die SZ z. B.: Der Maler Florian Süßmayr, stand da zu lesen, wolle sich „mit Charles Manson oder der Otto-Mühl-Kommune beschäftigen“. Keine leichte Entscheidung. Der TSV 1860 hinwieder plane für die neue Saison mit „Michael Hofmann oder Paul Agostino“. Auch nicht ganz einfach. Die taz meldet, das nationale Selbstbewußtsein Japans sei „durch die Giftgasanschläge der Aum-Sekte oder das Erdbeben von Kobe erschüttert“ worden, ein Label schwärmt von einer „blutjungen“ Band, die mit „den Beatles oder den Rolling Stones“ aufgewachsen sei; und wiederum die SZ meldet, ein neuer Film über Franz Josef Strauß lasse „die CSU-Zeitzeugen Peter Gauweiler oder Friedrich Zimmermann“ zu Wort kommen. „Belästigungen 04/2005: Neid oder Glatzwampen oder Charakter oder überhaupt oder und und“ weiterlesen

Belästigungen 11/2019: Dezinformatsiya is the new Verschwörungstheorie (danke, Stalin!)

Noch vor nicht langer Zeit war es modisch, kritische Stimmen in einen Sack mit dem Etikett „Verschwörungstheorie“ zu werfen. Das zieht offenbar nicht mehr so, weil sich der Begriff durch übermäßigen Gebrauch abgenutzt hat.

Zudem war er manchmal nicht ganz so einfach nachzuvollziehen: Wenn etwa jemand äußerte, er glaube nicht so ganz an die Verschwörungstheorie, der Angriff auf das World Trade Center sei von einer Erdhöhle in Afghanistan aus gesteuert worden, war der automatisch ein Verschwörungstheoretiker. Wer hingegen der Theorie anhing, die AfD habe sich mit Putin verschworen, um Deutschland zu destabilisieren, der war keiner. Das erkläre mal jemand einem interessierten Grundschüler. „Belästigungen 11/2019: Dezinformatsiya is the new Verschwörungstheorie (danke, Stalin!)“ weiterlesen

Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): (Never) Mind The Buzzcocks!

Im Jahr 2004 machten mich mehrere Leute darauf aufmerksam, ich müsse die Kaiser Chiefs verklagen, weil sie sich auf ihrer Single-B-Seite „Born To Be A Dancer“ ausgiebig bei meinem Song „Out There (The Loveless Europeans)“ bedient hätten. Ich reagierte darauf mit leicht verschämter Zurückhaltung, weil ich mich in dem Song selber ausgiebig bedient hatte, nämlich bei der Buzzcocks-Single „Everybody‘s Happy Nowadays“. Und weil das niemand bemerkt hatte, weil offenbar niemand mehr die Buzzcocks kannte, was ich zu beschämend, peinlich und traurig fand, um es erklären zu können. Es war ja nicht das erste Mal, daß die Buzzcocks in Vergessenheit geraten waren: Als eine Band namens Fine Young Cannibals 1987 mit „Ever Fallen In Love“ die britischen Top ten stürmte, erntete der Hinweis auf die wahren Urheber auch nur fragende Gesichter. „Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): (Never) Mind The Buzzcocks!“ weiterlesen

Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Queen – eine Kaufanleitung

Bei keiner Band der Weltgeschichte (sagen wir: seit Caesar und Kleopatra) scheiden sich die Geister so wie bei dieser – und zwar tausendfach, jeweils in zwei Lager. Pop oder Rock? Classic oder spät? Mercury, May, Deacon oder Taylor? Kitsch oder Erde? Ziehen wir ein paar Trennlinien, denn eines ist allen Lagern klar: ein Leben ohne Queen ist wie ein Leben ohne Sex. Oder ein Leben ohne Science Fiction. Oder ein Leben ohne Stehausschank, Gummibärchen, Fußball. Oder so … „Krach und Wahn (Popmusiktexte aus vielen Jahren): Queen – eine Kaufanleitung“ weiterlesen