Belästigungen 12/2020: Demodies, Demodas, Demodideldumdidei … (ein Text, der ohne diese Vorsilbe halb so lang wäre)

In letzter Zeit reden wir so viel über Demokratie, daß mir ganz schwindlig wird. Plötzlich ist alles „Demokratie“ und Demokratie alles, hallo?! Das Seltsame daran ist: Plötzlich ist alles mögliche nicht mehr „Demokratie“. Zum Beispiel Trump: Der ist ganz bestimmt nicht Demokratie, right? Boris Johnson? Null demokratisch! Gewählt worden sind beide zwar irgendwie streng genommen demokratisch, aber ein „Demokrat“ sind sie nicht, right? Weil sie ja undemokratisch sind, right?

Das gleiche mit Putin, und fange niemand mit dem Iran an: alles nicht „demokratisch“, zwar irgendwie demokratisch, mit Wahlen und Parlament und so, aber nein. Und jetzt kommt auch noch die AfD daher und läßt sich demokratisch wählen, ist aber undemokratisch, right? Hingegen Friedrich „Blackrock“ Merz ist freilich „Belästigungen 12/2020: Demodies, Demodas, Demodideldumdidei … (ein Text, der ohne diese Vorsilbe halb so lang wäre)“ weiterlesen

Lebensplatten #002: Alice Cooper „Love It To Death“

Die Underground-Rockszene der späten Sechziger war eine ziemlich verwegene Veranstaltung, und Alice Cooper (die Band!) waren so was wie der Wurm im faulen Apfel: der wildeste Haufen von allen, fünf spindeldürre Typen um die zwanzig mit den längsten Zotteln diesseits des Neandertals in glitzerbunter Sex-Schock-Maskerade, die in wechselnden Buden mit dauerleerem Kühlschrank als Kommune zusammenlebten, sich in nächtelangen Jamsessions austobten, Gäste wie Syd Barrett, Jimmy Pages Yardbirds, Jimi Hendrix, Iggy Pop, Pharoah Sanders und Jim Morrison beherbergten und inspirierten und ihren abseitigen Phantasien freien Lauf ließen. „Lebensplatten #002: Alice Cooper „Love It To Death““ weiterlesen

Belästigungen 11/2020: Von der unheimlichen Macht des Millionstelprozents (Komma zwei fünf)

War in dieser Kolumne in letzter Zeit von Zahlen die Rede? (Räuspern in den vorderen Reihen, die übrigen sind aus hygienischen Gründen leer.) Na gut, mag sein, aber Zahlen sind ja auch etwas ganz Famoses und beeinflussen unser Leben oft auf eine Weise, deren Gewaltigkeit sich das pompöseste Zauberkunststück – etwa die Verwandlung einer Taube in einen Flugzeugträger – höchstens respektvoll nähern kann (um staunend Beifall zu klatschen).

Jedes Schulkind weiß zum Beispiel, was herauskommt, wenn man die Zahlen 64 und 2 etwas ungeschickt kombiniert: nicht 32 oder 128 oder irgend so ein Pipifax, sondern ein Berg von Reiskörnern, den unser Universum eventuell fassen, aber keinesfalls hervorbringen kann. Das gleiche mit Papier: Das faltet man zwei-, drei- oder viermal und meint, es könne doch keinerlei Problem darstellen, den Wisch achtmal zu falten. Ätschibätsch! grinst die Zahl. „Belästigungen 11/2020: Von der unheimlichen Macht des Millionstelprozents (Komma zwei fünf)“ weiterlesen

Belästigungen 10/2020: Der selige Schlummer der Idioten

Der Begriff des „Idioten“ ist von zentraler Bedeutung für das Verhältnis des Menschen zu der Welt, die ihn umgibt, ernährt und trägt, und seinen Umgang mit ihr. Hergeleitet wird das Wort aus dem Griechischen, dort ungefähr bedeutend: „Privatperson“ (die sich aus politischen und öffentlichen Angelegenheiten heraushält und deshalb davon auch nichts versteht). Was übrigens Franz „Josef“ Strauß einst als wenig überzeugende, aber erheiternde Ausrede für eine durchaus beleidigend gemeinte Beleidigung heranzog.

Bekannt ist zum Beispiel der Vollidiot, der von wirklich gar nichts eine Ahnung hat. Des weiteren literarisch belegt der Halbidiot, der immer ein bißchen was weiß, aber nie viel und oft Falsches, aus dem er dann falsche Schlüsse zieht und noch Falscheres behauptet. „Belästigungen 10/2020: Der selige Schlummer der Idioten“ weiterlesen

Belästigungen 9/2020: Die Epidemie der tödlichen Splitter (eine Märchentraumgeschichte)

Neulich hatte ich einen Traum. Meinem Sauerkirschbaum – den ich sehr schätze, weil Sauerkirschen neben Blutorangen und Bärlauch die vielleicht schönsten saisonalen Geschenke der Natur überhaupt sind – ging es nicht gut: Die Blüten vertrockneten, Äste starben ab, um den Stamm kreisten immer mehr interessierte Wildbienen (für die tote Baumstämme das gleiche bedeuten wie stadtrandständige Betonkasernen für das kapitalistische Arbeitsvieh, oder sagen wir: etwas ähnliches).

Besorgt saß ich neben dem Baum und zermarterte mir den Kopf: Was fehlte dem armen Delikatessenlieferanten? Hatte ich ihn in den vergangenen Jahren zu sehr ausgebeutet? „Belästigungen 9/2020: Die Epidemie der tödlichen Splitter (eine Märchentraumgeschichte)“ weiterlesen