Belästigungen 25/2020: Warum es die Welt nicht geben kann, wenn es uns nicht gibt

Ob es die Welt gibt, ist eine Frage, an der sich die Wissenschaft die Zähne ausbeißt. Der Philosoph stellt fest: Alles, was es gibt, unterscheidet sich von anderen Dingen; und so schließt er in fachüblicher Messerschärfe: Also kann es die Welt nicht geben, denn von was sollte sie sich unterscheiden? Und wie?

Der Naturwissenschaftler kündet in ebenfalls disziplinspezifischer Schärfe, alles, was es gebe, gebe es auch, und da die Welt nun einmal da sei, sei sie auch da, also gebe es sie. Dann packt er seine Meßgeräte aus, mißt alles, was zu messen ist, und konstatiert: Das ist sie, die Welt! Den sophistischen Einwand, er habe vergessen, seine Meßgeräte zu messen – gehören die also nicht zur Welt? kontert er, indem er den Mathematiker hinzuzieht und ihn eine feinsinnige Formel formulieren läßt, der zufolge das, was mißt, zwar die Messung geisterhaft beeinflußt, dennoch aber sozusagen implizit mitgemessen wird, also ebenfalls existiert und in einem weiteren Sinne zum Gemessenen dazuzuzählen ist. „Belästigungen 25/2020: Warum es die Welt nicht geben kann, wenn es uns nicht gibt“ weiterlesen

Ohne Bühne … gibt es nichts (auch keine Literatur).

Zwei Riesenräder drehten sich diesen Sommer, am Königsplatz und im Olympiagelände, zwei der unwirtlichsten Plätze in dieser Stadt, die sich seit Jahrzehnten solche Mühe gibt, ein unwirtlicher Ort zu sein für Arbeitsnomaden ohne Muse, ohne Freigeist und Hintersinn. Die Riesenräder hat man den Münchnern hingestellt, ein paar Fahrgeschäfte, Würstchen- und Zuckerbuden dazu, weil wohl jemand dachte: Ein bißchen Kultur braucht der Mensch in Zeiten des Lockdowns, sonst geht er ein; und das sei doch eine Kultur, wie sie gerne genommen wird. Hauptsache bunt, laut und versalzen. Da kann man sich vergessen, ein paar Stunden lang, bevor es wieder hinausgeht ins falsche Leben zwischen Arbeitsplatz und Fernseher. „Ohne Bühne … gibt es nichts (auch keine Literatur).“ weiterlesen

Belästigungen 24/2020: München ist ein Chinaböller! (ein paar Bemerkungen zur Wuppdizität moderner Großstädte)

Wenn man herausfinden will, wie etwas geht und wie weit man mit etwas gehen kann, macht man am besten ein Experiment. Zum Beispiel läßt sich die Wuppdizität eines Gummirings relativ leicht überprüfen, indem man ihn an den Oberschenkel des Biergartennachbarn fitzen läßt, und wie lang man ihn ziehen kann, zeigt sich, wenn man ihn lang genug zieht.

Allerdings ist der Gummiring dann hin, aber zur praktischen Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse steht ja jederzeit ein neuer mit ungefähr gleichen Eigenschaften zur Verfügung.

Bei einer Stadt ist das ein bisserl anders. Wenn es die erst einmal zerreißt oder sie für ihre Bewohner nicht mehr bewohnbar ist, ist es zu spät. Sie dann einfach in den Abfalleimer zu schmeißen und eine neue aus der Packung zu ziehen, ist aus diversen logistischen Gründen keine Option. „Belästigungen 24/2020: München ist ein Chinaböller! (ein paar Bemerkungen zur Wuppdizität moderner Großstädte)“ weiterlesen

Architektur & Verbrechen (eine fortlaufende Sammlung): Klare Kante!

Falls sich jemand wundert, weshalb dieser seltsame politische Gesinnungsbefehl in den letzten Jahren so virulent geworden ist wie vor knapp hundert Jahren ein Wort mit „H“: Die Bauweise der Unterbringungsstätten für die davon Betroffenen läßt einen futuristischen Geisteszustand derselben erahnen.

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Belästigungen 23/2020: Den Krieg gewinnen am Ende immer die Nazis (oder?) (eine Abschweifung ohne Anlaß)

Wann die Nazis den zweiten Weltkrieg gewonnen haben, ist schwer zu sagen. War das 1984, als  Michael Jackson mit „Thriller“ zum größten Popstar aller Zeiten wurde? Oder war es 1991, als die Sowjetunion unterging und mit ihr die Idee von Gleichheit, Solidarität und Befreiung von Ausbeutung durch das Kapital selbst als jahrzehntelang massenhaft pervertierte utopische Möglichkeit aus der Welt verschwand?

Klar, die Deutschen hatten den Krieg schon lange vorher gewonnen, Anfang der fünfziger Jahre, als das „Wirtschaftswunder“ begann, als alles, was in Deutschland kaputt war, in Stahlbeton und Plastik runderneuert wurde, als man die Ärmel wieder hochkrempelte, ein paar tüchtige Männer mit günstigen Voraussetzungen und geschultem Geschäftssinn plötzlich riesig reich wurden und die gerade noch hungernden Massen, die den Reichtum erschufteten, das Gefühl vermittelt bekamen, sie würden dadurch ebenfalls reich, ideell irgendwie. „Belästigungen 23/2020: Den Krieg gewinnen am Ende immer die Nazis (oder?) (eine Abschweifung ohne Anlaß)“ weiterlesen

Belästigungen 22/2020: „Exile & Freedom“ auf sechs Beinen: Vom Leben ohne Ahnung und Furcht

Seit ein paar Wochen haben wir eine Mitbewohnerin. Sie ist relativ unauffällig, verschwindet täglich stundenlang irgendwohin, wo man sie selbst dann nicht findet, wenn man sie sucht. Dann wird ihr wieder langweilig, oder sie braucht Unterhaltung und Nähe, und schon kommt sie wieder daher und nimmt ein bisserl am häuslichen Sozialleben teil.

Das heißt: Sie folgt uns von Zimmer zu Zimmer, setzt sich mal hier, mal da auf einen Arm oder eine Schulter, schaut nach, was auf der frisch aufgebackenen Brotscheibe liegt und ob im Kompost was Interessantes zu finden ist. Oder sie sitzt einfach da und reibt sich die Hände, weil irgendein Stäubchen dran ist. Das mag sie nicht sonderlich, offenbar. Sagen tut sie aber nichts. „Belästigungen 22/2020: „Exile & Freedom“ auf sechs Beinen: Vom Leben ohne Ahnung und Furcht“ weiterlesen