Frisch gepreßt #362: Bumillo „Veit Club LP“

Eine Kurzeinführung in Charakter und Ursprung der mitteleuropäischen Kultur kommt nicht um eine zentrale Tatsache herum, gegossen in den ewiggültigen Merksatz: Eine Kneipe ist eine Kneipe (vulgo localo: Boazn). „Dann bestellen wir beim Kellner ein Bier und saufen so lang, bis was Lustiges passiert, und dann erzählen wir uns selber, wie wir dabei waren, als was Lustiges passiert ist“ könnte als Quintessenzregel und Summenformel der Weltfunktion das Leben als solches treffender beschreiben als Hekatomben unverstandener Ergründungsliteratur. „Frisch gepreßt #362: Bumillo „Veit Club LP““ weiterlesen

Belästigungen 6/2016: Ich werde jetzt zur Abwechslung auch mal was wohl noch sagen dürfen!

Wenn man sich in Deutschland ein bißchen umschaut, könnte man glatt Mitleid bekommen. Da leben ein paar dutzend Millionen Menschen, die brav ihre Arbeit tun und redlich ihr Brot brechen, die Kinder nähren, das Haus in Ordnung halten und die Kehrwoche achten. Und dann kommt eine wildgewordene Bande von ein paar unverbesserlich gutmenschlichen Weltverbessererlinken daher und möchte sie mundtot und zur Unperson machen, indem sie ihnen verbietet, ihr Grundrecht auf freiheitlich-demokratische Meinungsausstoßung auszuüben und zu sagen, was Sache ist.

Zum Beispiel daß der Ausländer nicht ins Inland hineingehört. Daß beim Hitler nicht alles schlecht und manches sogar ganz gut war, außer dem Krieg, an dem aber nicht nur er schuld war. „Belästigungen 6/2016: Ich werde jetzt zur Abwechslung auch mal was wohl noch sagen dürfen!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #361: The 1975 „I Like It When You Sleep, For You Are So Beautiful Yet So Unaware“

Der Traum ist die Bibliothek der Erinnerungen; allerdings gelten dort äußerst eigentümliche, anderweltliche Naturgesetze: Bücher, Blätter, Pergamente und Schriftrollen stehen nicht etwa einer Ordnung von Ordnungen folgenden Ordnung gemäß in Regalen und Schränken, sondern treiben in verschlungenen Choreographien durch den Raum. Körperlose Wächter in Schleiern schweben schweigend, Kannen in den unsichtbaren Händen, aus denen sie Licht gießen, das erst zu strahlen beginnt, wo es Geschriebenes trifft und die urgeheimen Zeichen zu Schrift wandelt, die sich dem inneren Auge erschließt. „Frisch gepreßt #361: The 1975 „I Like It When You Sleep, For You Are So Beautiful Yet So Unaware““ weiterlesen

Frisch gepreßt #360: Jochen Distelmeyer „Songs From The Bottom Vol. 1“

Provisorischer Lexikoneintrag: Jochen Distelmeyer, 1967 in einer Stadt geboren, die es vermutlich gibt (Bielefeld), fing recht spät als „Bienenjäger“ an, sich musikalisch zu szenieren. Gründete als Zivi in Hamburg die Band Blumfeld, deren schroffkantiges Debüt „Ich-Maschine“ eine der wichtigsten deutschen Hipsterplatten (d. h. viel diskutiert, kaum gehört) der 90er wurde. Schuf 1994 mit „L’Etat Et Moi“ durch die Verarbeitung britischer Indiepopmusik (Wedding Present et al.), aber auch von Einflüssen aus der frühen NdW (etwa des notorischen Düsseldorfer KFC) und genialisch-subjektive textliche Hackstückverdichtung ein Meisterwerk von ungeheurer Schönheit und wundervoller Kraft. „Frisch gepreßt #360: Jochen Distelmeyer „Songs From The Bottom Vol. 1““ weiterlesen

Belästigungen 05/2016: Hundert Jahre Horror – im Banne des K-Worts

Ich weiß ein lustiges Spielchen: Man setze sich in eine beliebige „aktuelle“ Diskussion hinein („aktuell“ heißt: es geht um das, was einem die Führungsmedien derzeit als „Themen“ verkaufen wollen, also je nach Stand der „Informiertheit“ Flüchtlinge, Syrien, Ukraine, Griechenland, Putin … das ist weitgehend egal, weil sowieso im wesentlichen immer das gleiche) …

Klammer zu, guten Morgen, noch mal von vorn. Also: Man setze sich in eine beliebige Diskussion über aktuelle „Themen“ hinein und schaue erst mal freundlich. Wenn sich ein günstiger Moment ergibt – also wenn zum Beispiel alle grad kurz erschöpft sind vom Pingpongspiel der „Argumente“, Schlagwörter und gegenseitigen Relativierungen (Clausnitz! – Köln! – Österreich! – Stacheldraht! – Seehofer! – Bautzen! etc. pp.), – wirft man einfach mal so den Begriff „Kommunismus“ hinein.
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Frisch gepreßt #359: Rihanna „Anti“

Obacht, der Mainstream-Drücker steht vor der Tür! Armer Kerl, freilich, will ja auch bloß sein Brot verdienen, indem er Klingeln putzt und jedem, der ihm in die Quere kommt, sein Zeug ins Hirn reibt, damit der es sich dann ins Trommelfell reibt und solcherart („Was? Noch nicht gehört!?“) weiter verbreitet.

Jetzt steht er da, betrachtet die Hirnbriefkästen und beschließt mal wieder, seine Sprachzugehörigkeit ein paar tausend Kilometer umzudefinieren, um „Keine Werbung! Wir wollen Müll vermeiden!“ nicht entziffern gekonnt zu haben. „Frisch gepreßt #359: Rihanna „Anti““ weiterlesen

Im Regal: Hanna Lemke „Gesichertes“ (eine exemplarische Kritik der Institutsliteratur)

Man meint, jüngeren Lesern das schon erklären zu müssen: daß vor einem guten Jahrzehnt einmal eine „Literatur“ in Deutschland mehr aufpilzte als -blühte, die in „Instituten“ gelehrt wurde, nachdem sie Kulturhampelmänner wie Hellmuth Karasek zum „Sound einer Generation“ erhoben hatten, die aber kaum mehr als der verspätete Neuaufguß des „Sounds“ von Raymond Carver war, oder sagen wir: dessen, was sein Lektor Gordon Lish daraus zusammenmontiert hatte und was nun die „Lakonie“ zu einem fast ebenso häufig in der Gegend herumgeworfenen Modewort machte wie ein Jahrhundert zuvor die Hysterie. „Im Regal: Hanna Lemke „Gesichertes“ (eine exemplarische Kritik der Institutsliteratur)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #358: Suede „Night Thoughts“

Ich weiß nicht, ob es für oder gegen die 90er oder für oder gegen die Zehner oder für oder gegen beide oder gegen die Wirksamkeit der dazwischenliegenden Nuller als Filter oder Damm oder Nährboden oder alles drei oder für gar nichts und gegen ebenso wenig spricht, jedenfalls: gehen die 90er einfach nicht weg. Oder vielleicht waren sie zwischendurch mal kurz draußen an der frischen Luft, das hat aber keiner bemerkt, weil wir so intensiv ins Gespräch oder den Sex oder irgendwas anderes vertieft waren?

Da sind sie jedenfalls, wieder, immer noch, wer weiß. Sicher ist: Wenn 1993 jemand gesagt hätte: „Wir werden auch in 23 Jahren hier sitzen und „Frisch gepreßt #358: Suede „Night Thoughts““ weiterlesen

Belästigungen 04/2016: Vernunft 2016: Wir stellen das Mühlrad verkehrt herum auf und reden dann mit dem Bach!

Jedes Jahr das gleiche blöde Ritual: Erst kommt irgendein Amt oder eine Behörde zu der Erkenntnis, daß die „Schere“ zwischen Arm und Reich im verflossenen Jahr mal wieder weiter aufgegangen ist und insgesamt immer mehr aufgeht. Die Regierung sagt dazu normalerweise nichts, höchstens daß sie sich bemühe, um was auch immer. Dann kommen die Leitmedien (SZ, FAZ etc.) daher und stellen fest, daß das schon seine Richtigkeit habe und nicht weiter schlimm sei, schließlich sei Deutschland im Durchschnitt recht wohlhabend und es gehe ja auch den Armen hier noch besser als anderswo.

Was wahrscheinlich stimmt, aber egal ist, weil man immer jemanden findet, dem es noch schlechter geht – notfalls sorgt man dafür selber, indem man mal wieder ein Land in die Steinzeit bombt, weil dort „der Terror“ haust. „Belästigungen 04/2016: Vernunft 2016: Wir stellen das Mühlrad verkehrt herum auf und reden dann mit dem Bach!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #357: David Bowie „Blackstar“

Oh, haben wir in letzter Zeit mal über David Bowie gesprochen? Eigentlich schade, denn es wurde in letzter Zeit wenig, dafür früher oft viel zu viel über David Bowie geredet, über den „Mann, der zu schön war“ (wie 1973 eine Zeitschrift namens „Pop“ schrieb und dem Autor dieser Zeiten selbigen Mann für alle Zeiten ins Hirn nagelte), viel zu vieles, was man glücklicherweise bald wieder vergaß, weil das Gedächtnis gnädig und die Welt zu groß ist, um alle Irrungen des Menschengeschlechts aufzubewahren. „Frisch gepreßt #357: David Bowie „Blackstar““ weiterlesen

Belästigungen 03/2016: Vom Nachbarn und vom Furor des Vorfrühlings (bitte keinen Zusammenhang suchen!)

Wer braucht eigentlich Nachbarn? Nachbarn sind das allerletzte! Kaum will man schlafen, veranstalten sie Tischtennisturniere und Blockflötenkonzerte oder greifen zum Preßlufthammer, um Mauern einzureißen. Wenn man andererseits mal Gäste bewirten muß, weil aufgrund der unmenschlichen Münchner Sperrstundenregelungen noch keine Kneipe aufhat, oder das Schaffen von Miles Davis in den siebziger Jahren einer Neubewertung zu unterziehen trachtet, hämmern sie mit Besen gegen die Wände, um eine angebliche Belästigung anzuprangern.

In sämtlichen Ecken und Winkeln der Wohnung stapeln sich ihre verpackten Konsumgüter, die sie vor Jahren bestellt und offenbar doch nicht so dringend gebraucht haben. „Belästigungen 03/2016: Vom Nachbarn und vom Furor des Vorfrühlings (bitte keinen Zusammenhang suchen!)“ weiterlesen

Belästigungen 02/2016: Weshalb der Wortfluß stockt und warum er das beizeiten muß (eine Abschweifung)

Von allen Übeln, die den Menschen befallen, ist das schlimmste: die Schreibblockade, der Ursumpf literarischen Schweigens, die Rachegöttin des gräßlich weißen Blatts, der grauenerregende Hirnkrebs, der den Schöpfer des Weltsinns mit leerem Schädel starrend zurückläßt, während unter dem Balkon des Elfenbeinturms die bange Masse händeringend harrt, vereint im Entsetzen angesichts der schwärenden Drohung, die Schaffenskraft werde womöglich nie wieder erwachen.

Denn was dann, wenn sich aus dem individuellen Leiden am nicht geboren werden wollenden Wort eine Epidemie entwickelt? Wenn die Zeitungsseiten leer bleiben, wenn die Stände der Buchmessen verwaisen, nur sporadisch bestreut mit Goethe-Neuauflagen für den Schulunterricht und einer um ein paar neuerdings „erlaubte“ Schreibweisen erweiterten Duden-Aktualisierung? Wenn im Fernsehen ein Denis Scheck mit leeren Händen als der tumbe Mops dasteht, der er immer schon ist, den aber unter der Maske des scheinbar eloquenten und feinst literarisierten Dampfplauderers keiner sehen mochte? „Belästigungen 02/2016: Weshalb der Wortfluß stockt und warum er das beizeiten muß (eine Abschweifung)“ weiterlesen

(Aus dem tiefen Archiv:) Bestsellende Groschenhefte

Die Süddeutsche Zeitung fand es letzten Herbst vermeldenswert, die mittlerweile inflationär in den Illustrierten wuchernden Bestsellerlisten hätten „offenbar nicht, wie sich die Verlage erhoffen, auch noch zusätzliche werbende Wirkung“. Laut einer Umfrage nämlich seien derartige Buch-Hitparaden „nur für 27 Prozent der Deutschen eine wichtige Orientierungshilfe“. „(Aus dem tiefen Archiv:) Bestsellende Groschenhefte“ weiterlesen

Frisch gepreßt #355: John Coltrane „A Love Supreme (The Complete Masters)“

Oh, das Leben … es ist groß und oft nicht leicht, vor allem wenn die Liebe dazwischenkommt. Dann wirren sich die Sinne, knotet sich die Welt, verschwimmen die Wege, flirren die Zeichen und spielt sich mancherlei physiologisches Durcheinander ab, das von der Physiologie an sich nicht vorgesehen ist. Undenkbar, unmachbar scheint vieles, was der Alltag verlangt, was ihn prägt und den Menschen auf gewohnten Gleisen durch sein Leben trägt. „Frisch gepreßt #355: John Coltrane „A Love Supreme (The Complete Masters)““ weiterlesen