Belästigungen 08/2018: Falls Sie diese Kolumne noch lesen können, haben wir (vorläufig) Glück gehabt

Daß ein Kampfhund von seinem eigenen Herrchen totgebissen wird, kommt nicht so oft vor, nicht mal in Deutschland und nicht mal in der Zeit der sauren Gurken, wo ansonsten zwischen sich selbst überfahrenden SUV-Deppen, vom Hund erschossenen Jägern und in Dorftümpeln marodierenden Krokodilen so ziemlich jede Kuriosität recht ist, um das Elend des Kapitalismus aus den Medien herauszuhalten.

Im übertragenen Sinne also kein Wunder, daß sich der „westliche“ Teil des Planeten Erde immer noch eine NATO leistet, die für den größten Teil seiner Kalamitäten, Ärgernisse und Schrecken zum größten Teil ganz allein verantwortlich ist, vom fehlenden Geld für alles mögliche (weil man damit Waffen kaufen muß) bis hin zum Russen, der angeblich ständig darauf lauert, „Belästigungen 08/2018: Falls Sie diese Kolumne noch lesen können, haben wir (vorläufig) Glück gehabt“ weiterlesen

Belästigungen 07/2018: Der Mensch braucht eine Heimat (weil man ihn sonst regieren kann)!

In Deutschland, und ganz besonders in Bayern, wird so viel über „Heimat“ gefaselt, daß einem ganz heimelig werden könnte, wenn da nicht dieser seltsame Unterton wäre. Der hat einen Grund. Wenn in Deutschland von „Heimat“ gefaselt wird, ist meistens dies gemeint: eine kriegerisch aggressive Industriehölle von viertelkontinentalem Ausmaß, hier und da gesprenkelt mit Restgrün, durchzogen von röhrenden Autobahnen. Und die, die in diesem Schlamassel am lautesten von „Heimat“ faseln, sind (abgesehen von diversen Politfaslern, die ihnen das Heimatzeug vorfaseln) meistens die armen Würstchen, die ihr Leben lang in dieser Hölle herumgeschickt werden, um sich ausbeuten zu lassen, damit ein Profit entsteht, der Jahrzehnte nach ihrem Dahinscheiden milliardenweise vererbt wird. „Belästigungen 07/2018: Der Mensch braucht eine Heimat (weil man ihn sonst regieren kann)!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #410: Belle & Sebastian „How To Solve Our Human Problems“

Die „Indie“-Szene, also die Bands der mittleren 80er bis 90er, die Helden der Eltern heutiger Uniabsolventen, die sich ungefähr so ausbreiteten wie Grünlilien (denen sie frisurtechnisch auch überwiegend ähnelten), bis die ganze Welt bis ins hinterste Niederostwestfalen ein Riesenfeld identischer Grünlilienbands war …, – diese Szene war ein seltsames Phänomen. Seltsam vor allem: Sie geht nicht wirklich ganz weg, obwohl sich außer ein paar bald rentenreifen Scenesters keine Sau mehr für sie interessiert und sie sich in 30 Jahren praktisch nicht verändert hat. „Frisch gepreßt #410: Belle & Sebastian „How To Solve Our Human Problems““ weiterlesen

Belästigungen 6/2018: Hurra, jetzt flattern die blauen Bänder (bis zum Pluto und zurück)!

Ist schon mal jemandem aufgefallen, wie groß die Welt im Frühling plötzlich wird? Kaum sind die Schneepolster von den Hecken, Bäumen und Zäunen weggeschmolzen, weitet sich der Blick plötzlich in unheimliche … na ja, Weiten eben und man sieht, was der Winter fürsorglich dem romantisch träumenden Auge entzogen hatte: Zeug vor allem.

Kein Krüppelgebüsch am Straßenrand mehr, das nicht durchwoben und lamettiert wäre von zerfetzten Chipstüten, Softdrinkflaschen und -dosen, Pizzakartons, Schokoriegelhüllen, Reklameprospekten, Hundescheißebeuteln, Elektrogeräteteilen, Autoreifen, halbvollen Papiertaschentuchpäckchen, Möbelfossilien, Styroporklötzen, Einweggeschirr und -besteck sowie kunstvoll demolierten ostasiatischen Klumpfahrrädern. „Belästigungen 6/2018: Hurra, jetzt flattern die blauen Bänder (bis zum Pluto und zurück)!“ weiterlesen

Belästigungen 5/2018: Hilfe! Schwarze Schachteln wollen mein Gehirn in Scheiben schneiden!

Ein Bekannter hat mir die Geschichte von Lenins Gehirn erzählt: Das zerschnippelte man nach dem Tod des Oberrevolutionärs in 30.963 dünne Scheiben, die einem deutschen Forscher zur Untersuchung vorgelegt wurden. Man hoffte in dem zerebralen Carpaccio Indizien für Genialität zu finden, fand jedoch anfänglichem Jubel über superviele „Assoziationsstränge“ zum Trotz letztlich nur Spuren der geerbten Versteinerung (oder, je nach momentaner Theorielage, Syphilis), die Lenin dahingerafft hatte.

Das mag daran liegen, daß sich aufgrund der etwas unklaren Beschriftung die einzelnen Scheibletten nicht mehr so richtig zu einem ganzen Hirn zusammenbauen ließen. Zwar wurden sie akribisch photographiert, was unter Umständen helfen hätte können. Allerdings landeten die Bilder auf wiederum „Belästigungen 5/2018: Hilfe! Schwarze Schachteln wollen mein Gehirn in Scheiben schneiden!“ weiterlesen

Frisch gepreßt #409: Olli Schulz „Scheiß Leben, gut erzählt“

Wie der Ratzingerplatz Mitte der 70er ausgeschaut hat und wie romantisch das war: Erzähl das doch dem Olli, der macht ein Lied draus. Menschen haben seltsame Gewohnheiten, erleben seltsame Sachen und tun komische Dinge, von denen sie manchmal selber nicht so genau wissen, warum sie sie eigentlich tun. Solange niemand daherkommt und Zusammenhänge aufzeigt. Also Olli Schulz. „Das Essen bei meiner Oma war immer etwas sonderbar. Das wurde mir leider viel zu spät erst klar“, singt der dann zum Beispiel. Und stellt fest, daß nicht nur Omis Erbsensuppe „schmeckt, wie Pisse riecht“, sondern „Frisch gepreßt #409: Olli Schulz „Scheiß Leben, gut erzählt““ weiterlesen

Frisch gepreßt #408: Fleetwood Mac „Fleetwood Mac“ (Expanded Edition)

Wie Gewalt zwischen Menschen funktioniert, privat: das fragen Sie am besten (oder zweit-, dritt-, fünftbesten) mal Stevie Nicks.
Wir vernehmen ein leises Grummeln: Stevie wer? etwa die von Fleetwood Mac, diesem weichgespülten Schlagerpop-Dinosaurier aus Kalifornien, der mit seinen aufdringlichen Honigbomben „Go Your Own Way“ und „Don’t Stop“ seit vier Jahrzehnten das Autoradio verstopft und dafür sorgt, daß die auf dem Rücksitz kauernden Kinder die „Rockmusik“ erst zerschlagen, dann ganz neu erfinden, dann verbrennen und schließlich gar nichts mehr davon wissen „Frisch gepreßt #408: Fleetwood Mac „Fleetwood Mac“ (Expanded Edition)“ weiterlesen

Belästigungen 04/2018: Abgekürzt: Literatur und Leben, insbesondere (aber nicht nur) im öffentlichen Verkehrsmittel

Moderne Zeiten: Was immer wir tun, wir kürzen gerne ab. Was man sich vor zwanzig Jahren als Super-extended-Maxi-Mix ins sowieso pralle Regal schob, füllt heute als Klingelton kaum einen Nanometer auf der Telephonspeicherkarte. Und die Verwandtschaft, die man früher an den Weihnachtstagen in Halbtagesreisen per Kutsche quer durch Pampa und Tundra des Münchner Umlandes abklapperte, die besucht man heute bequem mit dem öffentlichen Verkehrsmittel, das der Münchner Bürger über Jahrzehnte mit seinem Steuergeld zu einem vollelektronisch gepowerten Transportsystem ausgebaut hat, bei dem altmodische Ärgernisse wie Verspätungen gar nicht mehr denkbar sind.

Zwar gibt die zuständige MVG offenbar den größten Teil ihrer Einnahmen für reichlich topfige Reklame und kryptische Digitalangaben zu Wartezeiten („1“ = ein bis zehn Minuten, „2“ = ein bis zehn Minuten usw.) aus, „Belästigungen 04/2018: Abgekürzt: Literatur und Leben, insbesondere (aber nicht nur) im öffentlichen Verkehrsmittel“ weiterlesen

Im Regal: Ulrich Greiner „Heimatlos – Bekenntnis eines Konservativen“

Ich bin, ich muß es gestehen, konservativ: Alles was gut, schön, wichtig und brauchbar ist, möchte ich mit solcher Vehemenz bewahren, daß mich das Gefasel von voranzutreibenden „Reformen“, „schmerzhaften Einschnitten“ und der Schädlichkeit jeglicher „Besitzstandswahrung“, das seit Jahren aus allen Kanälen dröhnt, schon als solches zur Raserei treiben kann. Auch die „Heimat“, die Ulrich Greiner im Titel beschwört, ist mir bis zur Irrationalität derart ans Herz gewachsen, daß ich (nur ein Beispiel!) den Abstieg des TSV 1860 in die bayerische Regionalliga als Jahrhundertsegen empfinde. Allerdings ist diese Heimat selbstverständlich nicht Deutschland, von dem ich weite Teile gar nicht kenne; sie läßt sich mit Landes- und anderen Grenzen überhaupt nicht bestimmen. Und auch die Dinge, die ich bewahrt sehen möchte, unterscheiden sich enorm vom „Im Regal: Ulrich Greiner „Heimatlos – Bekenntnis eines Konservativen““ weiterlesen

Belästigungen 3/2018: My Life in the Gestrüpp of Kausalität (und der Werthaftigkeit von Streichfett)

Normalerweise lese ich keine Zeitungen, der geistigen Hygiene wegen: Alles, was über die Augen in den Kopf hineingeht, hinterläßt dort Spuren. Wer schon mal versucht hat, die olfaktorischen Überbleibsel einer versehentlich verbrannten Kürbissuppe restlos aus der Wohnung zu entfernen, weiß: Da bleibt immer was, und wenn es nur ein eigentümliches Rüchlein am Rücken eines lange nicht zur Hand genommenen Büchleins aus der obersten Regaletage ist.

So geht es mir mit Zeitungen: Wenn ich ein ganzes Exemplar durchblättere, bündelt sich Bullshit in meinem Kopf, der sich mit stundenlangen Spaziergängen nicht mehr gänzlich hinauslüften läßt. Noch nach Tagen ploppt plötzlich irgend so ein Schmarrnsatz im Gedächtnis auf, und schon muß ich mich wieder ärgern, statt die Schönheit der Welt zu würdigen. Nach zwanzig „Belästigungen 3/2018: My Life in the Gestrüpp of Kausalität (und der Werthaftigkeit von Streichfett)“ weiterlesen

Belästigungen 2/2018: Was dem einen sein besorgter Bürger, ist dem anderen (vielleicht bald) sein Chinese (oder das Fieber?)

Viele Leute sind sehr besorgt. Das heißt: Bürger, in Deutschland; von anderswo weiß man das nicht so genau. Was ist zum Beispiel mit den Chinesen? Sorgen die sich auch? in solchem Maße gar, daß ein gut organisierter Flashmob der besorgten Chinesenbürger mit einem Hüpfer die Erde aus der Umlaufbahn schmeißen und zum Jupitersatelliten umwidmen könnte?

Und sind die überhaupt Bürger, diese besorgten Chinesen, wo ihr Land doch offizieller Sprachregelung zufolge als „kommunistisch“ gilt und die Unterschiede zwischen Bourgeois und Pöbel somit aufgehoben sein sollten? Und wie ist das wiederum bei uns, wo Verlautbarungen zufolge dem stetig schrumpfenden Häuflein Bürgertum ein ungeheurer Massenansturm unbürgerlicher Flüchtlinge gegenübersteht? Haben die Flüchtlinge keine „Belästigungen 2/2018: Was dem einen sein besorgter Bürger, ist dem anderen (vielleicht bald) sein Chinese (oder das Fieber?)“ weiterlesen

Frisch gepreßt #406: Eminem „Revival“

Wie lange kann man leben, wenn man nicht schläft? 264 Stunden, sagt Randy Gardner, der das 1965 ausprobiert hat und immer noch lebt.

B. kann in den Wochen vor Weihnachten nie schlafen, sagt sie. Es treibt sie zu vieles um, vom Zustand ihrer Familie bis zum Zustand der Welt: Da erkennt sie Dinge, die andere nicht erkennen, während die Dinge, die andere erkennen, ihr unverständlich bleiben. Das dreht sich in ihrem Kopf, von dem sie vor allem in den frühesten Morgenstunden bisweilen befürchtet, er sei die Kugelachse des Universums. „Frisch gepreßt #406: Eminem „Revival““ weiterlesen

Belästigungen 1/2018: Wer die Krone der Schöpfung und wer an allem Unheil schuld ist

Früher lernte man in der Schule, der Mensch sei die Krone der Schöpfung. Was vielleicht gar nicht so falsch ist, wenn man genauer drüber nachdenkt: Kronen sind (von Bäumen mal abgesehen) meist ziemlich protzige, nutzlose, unförmige, sauschwere und unbequeme Dinger, die man (also: die Schöpfung) kurz mal zum Repräsentieren aufsetzt, wenn’s unbedingt sein muß, und dann wieder wegräumt. Anfangen kann man sonst nichts damit, im Gegensatz zu Schuhen, Hosen, Hemden, Mützen, Pullovern, Jacken, Mänteln, Handschuhen, Brillen, Socken, Kopfhörern, T-Shirts, Unterhosen, Schals, Taschen und dem ganzen anderen Zeug, das man noch so tragen kann.

Wenn also ein vorwitziger Mensch einer Stubenfliege zu verstehen gibt, er sei übrigens die Krone, sie hingegen höchstens das Hühneraugenpflaster oder „Belästigungen 1/2018: Wer die Krone der Schöpfung und wer an allem Unheil schuld ist“ weiterlesen

Frisch gepreßt #405: Icarus The Owl „Rearm Circuit“

Schallplatten sind rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.

„Schallplatten? Wovon redet er denn jetzt wieder?“

Zudem ist diese nicht nur rund, sondern offiziell gesprochen: „coke bottle clear“, also minimal blaugrün schattiert, aber durchblickdurchsichtig. Man kann sie rotierend vor die Welt stellen, auf Dinge legen und den erstaunlichen Effekt erleben, durch die Welt hindurch und hinter die Dinge blicken zu können, die dabei in anderem Licht erscheinen. Veränderte Wahrnehmung induziert Einsicht in kosmische Relationen. „Frisch gepreßt #405: Icarus The Owl „Rearm Circuit““ weiterlesen