Als ich mit meiner Luftmatratze aus dem See steige, sie in die Wiese lege und mich abtrockne, bemerke ich eine Familie am nächsten Busch. Das Ehepaar wohl Mitte vierzig; er mit langem, spitz zulaufendem weißen Bart, sie sehr schwarzhaarig, wie meine Großtante Maria aus Haun, die im ganzen Landkreis als „Hexe“ galt, weil sie auch im hohen Alter nicht grau werden wollte und weil mein Großonkel Theo, der als Kommunist mit einem Bein aus dem Krieg der Nazis zurückkehrte, ihr zweiter Ehemann war. Dazu ein kleiner Bub, ungefähr acht oder neun, kurze blonde Haare, kurze blaue Hose, gestreiftes Hemd.
Der Bub kommt zu mir und sagt: „Hallo, Mann!“, deutet auf die Luftmatratze und fragt: „Was ist das?“ Ich, ein bißchen verwundert: „Das ist eine Luftmatratze.“ Er, sehr freundlich: „Was kostet das?“ Ich erkläre ihm, daß ich die Luftmatratze schon mehr als zehn Jahre habe und daß sie damals an einer Tankstelle oder im Baumarkt wahrscheinlich um die fünf Euro gekostet hat. Das freut ihn: „Dann kann ich mir das kaufen, weil ich zehn Euro habe!“ Und schon hüpft er zu den Eltern: „Mama, das kostet fünf Euro!“
Vielleicht habe ich ihm ungewollt falsche Hoffnungen gemacht: Ich habe keine Ahnung, was Luftmatratzen heutzutage kosten. Einen langen Augenblick lang spüre ich das Bedürfnis, ihm die Luftmatratze zu schenken. In meiner Gartenhütte gibt es noch einen aufblasbaren Totenschädel mit gekreuzten Knochen, den ich vor Jahren aus einer „Zu verschenken“-Kiste gezogen habe und der meinen Ansprüchen sicherlich genügt. Dann sehe ich die frische grünliche Entenscheiße auf der Luftmatratze, die Reste von Vogelschiß, Schneckenschiß und anderen Dingen, die sich im Laufe der Jahre auf einer im Freien herumstehenden Luftmatratze ansammeln: Was wäre das für ein Geschenk?
Mein Obsthändler, bei dem ich an jedem sommerlichen Tag, an dem ich von der Lerchenau zur südlichen Isar radle, eine Viertelwassermelone kaufe, wollte mir vor einigen Tagen erklären, woran man eine gute Melone erkennt: Er nahm eine ganze, setzte das Messer an, deutete auf sein Ohr und sagte: „Hörst du!“ Ich hörte beim Hineinschneiden ein knackendes Geräusch, lauter als der Verkehr auf der dröhnenden Lindwurmstraße, womit sich die Melone sozusagen selbst sprengte und ergab. Er grinste sehr zufrieden, und ich bekam mal wieder die beste Wassermelone der Welt. Daß ich fast immer zu viel bezahle – mit dem Hinweis, irgendwann würde ich sicher mal zu wenig Geld dabeihaben – nimmt er mit einer Art von beschämter Ironie hin; vielleicht ahnt er die Wertschätzung, die in dem lächerlichen Geldbetrag stecken möchte.
Gestern hat mir mein Obsthändler erzählt, er sei ab morgen im Urlaub. Das geschieht jedes Jahr: Spätestens ab Mitte August steht sein Wägelchen zugeklappt und unbewohnt an der Lindwurmstraße, bis er Mitte September zurückkehrt. Diesmal ist er etwas besorgt: Er verbringt seinen Urlaub immer in seiner Heimat, dem Libanon, und weiß nicht, was ihn heuer dort erwartet. Möglicherweise fliegt er direkt in einen Krieg hinein. Ich versuche ihn unbedarft zu beruhigen (da ich keine Ahnung von den dortigen Vorgängen, aber auch etwas Sorge habe): Es werde sicher nicht überall so sein. Dummes Geschwätz. Er bleibt fröhlich: Urlaub bedeute für ihn, in ein Flugzeug zu steigen. Steige er nicht in ein Flugzeug, bleibe er in der Arbeit.
Den restlichen Nachmittag verfolgt mich die Hoffnung, daß in ein gefährliches Kriegsgebiet vernünftigerweise gar kein Flugzeug fliegt, zumindest keines mit Urlaubern ab Bord. Vielleicht steht er morgen doch wieder da und schneidet Melonen auf, und ich weiß nicht, ob ich ihm das wünschen soll.
Gegenüber seinem Obststand ist meine Lieblingseisdiele. Wieso sagt man eigentlich „Diele“ zu einem Café mit eigener Konditorei, nur weil es Eis verkauft? Da ich auf meinem Weg erst an der Eisdiele vorbeikomme, hatte ich schon oft den Gedanken, meinem Obsthändler ein Eis mitzubringen. Ich weiß aber gar nicht, ob er Eis mag. Wenn ich ihn beim Essen überrasche, ist es immer Pizza. Heuer ist die Eisdiele seit dem späten Juli geschlossen, bis September, wegen dringender Renovierung. Eine ungünstige Zeit für solche Vorhaben, finde ich, aber was weiß ich schon? (Dieser Gedanke sollte öfter gedacht werden.)
Im Winter habe ich meinen Obsthändler noch nie gesehen. Unsere Zeit geht von den ersten heißen Tagen im April bis zu den letzten im Oktober (zweimal war’s Anfang November). Die fünf Monate dazwischen sind für Sommermenschen wie mich (die den Winter trotzdem lieben oder wenigstens akzeptieren) die längsten des Jahres. Bei unserer ersten Begegnung im neuen Jahr gibt er stets vor, mich erst zu sehen, wenn ich „Servus“ sage, und zieht dann eine Melone hervor. Ein einziges Mal gab es noch keine. Ich schämte mich ob meines unangemessenen Wunsches möglicherweise mehr als er, der mir zum Trost eine Handvoll Kirschen schenkte, woraufhin ich eine halbe Ananas kaufte. Vielleicht waren wir beide zufrieden.
Im Winter habe ich einen anderen Gemüsehändler, zwei Straßen von daheim. Die Familie kommt aus der Türkei, deshalb mußte auch die Hochzeit des Sohns (an den ich mich als etwas größeren als den Luftmatratzenjungen erinnere, mit exakt entgegengesetztfarbigem Haar) in der Türkei stattfinden. Es war eine brisante Zeit. Der Vater rechnete mir an der Kasse vor, was so etwas kostete, und kam auf einen fünfstelligen Betrag, was ihn so erfreute, daß er während des angemessenen Jammers regelrecht strahlte. Die Mutter blickte äußerst mißmutig und fand das alles offensichtlich furchtbar und verächtlich. Inzwischen steht oft die Schwiegertochter an der Kasse, während sich die Mutter um ihr Enkelkind kümmert, selbstverständlich öffentlich. Es gibt dort die besten Ananas der Welt. Einmal legte ich eine solche auf die Ladentheke. Der Sohn betrachtete sie, schüttelte den Kopf, warf sie in einen Eimer, eilte hinaus und brachte eine andere. Er kennt sich besser aus als ich.
Eine Ananas kostet dort je nach Saison und Konjunktur fünf oder sechs Euro, Flugware manchmal mehr. In einem deutschen Supermarkt kostet eine Ananas manchmal 1,99 oder 2,99 Euro. Hier kenne ich mich immerhin gut genug aus, um auf den ersten Blick zu sehen, daß alle diese Früchte vollkommen ungenießbar sind und höchstens als Dekoration taugen.
Und ja: Es gibt in München auch Obsthändler, die glauben, eine Ananas könne nachreifen. Der Mensch kann nicht alles wissen, selbst wenn er es wissen müßte.
Ich weiß nicht mehr, wer von den euro-atlantischen Kriegstreibern und -hetzern als erster die vollkommen idiotische Behauptung aufgestellt hat, „in fünf bis acht Jahren“ beziehungsweise „2028“ wolle und werde Rußland die NATO angreifen. Es könnte der NATO-Vorbrüller Stoltenberg gewesen sein. Oder Borrell, der „Außenbeauftragte“ der EU, der demnächst durch die Steinzeit-Russenhasserin Kallas ersetzt wird, die einen solchen Unsinn sicherlich zehnmal pro Minute aufsagen kann, ohne sich zu verhaspeln. Oder Pistolerius? Kiesewetter? Strackula? der Panzertoni? der Hamburger Mafioso? Blablubb? Man weiß es nicht, und das ist typisch für solche Sprechformeln und Parolen, die plötzlich aus allen Kehlen in alle Kanäle der Propaganda hineingebetsmühlt werden.
Entstehen tun die Blödformeln in transatlantisch-militärischen Denkpanzern, wo die Strategien und Taktiken der psychologischen Kriegsführung entworfen und geplant werden, bis ins Detail eben solcher Sprachregeln. Daß das meistens so gut funktioniert, hat den einfachen Grund, daß viele europäische und die meisten deutschen Amtsträger von sich aus weder einen Gedanken fassen noch einen verständlichen Satz formulieren können. Die sind also nicht nur heilfroh, sondern darauf angewiesen, daß ihnen jemand vorschreibt, was sie ausstoßen müssen.
Die erfolgreichste Parolenkampagne dieser Art war möglicherweise „Safe and effective!/Sicher und wirksam!“ Aber auch „Wir impfen uns in die Freiheit“, „flatten the curve“ und ähnlicher Quatsch wurde nicht nur von den Führern und „Influencern“, sondern auch von ihren Untertanen so eifrig und mantramäßig wiederholt, daß der Goebbels sicher heute noch als Mikro-Aschewirbelsturm irgendwo herumrotiert vor Wut, weil er damals weder Twitter, Tiktok, Facebook noch ARD, ZDF und den ganzen NGO-Massenladen zur Verfügung hatte, sondern bloß die „Süddeutsche“ (als Vorläufer) und ein paar weitere Zeitungen sowie knisternde Radiokästen.
Jetzt also „Putin“ und sein Fünf- bis Achtjahresplan, Europa und die ganze Welt zu unterwerfen und unterjochen. Diese Idee ist nicht neu: Schon Adolf Hitler behauptete, die UdSSR wolle Deutschland angreifen und erobern, was damals völliger Quatsch war und heute noch größerer Quatsch ist. Die wahren deutschen Ziele mußte er ebensowenig vertuschen, wie das heute ein Kiesewetter oder Lindsey Graham muß: Es ging um die rücksichts- und rückhaltlose Ausbeutung der Erträge und Bodenschätze (damals: Getreide, Öl, Gas, heute: Getreide, Öl, Gas, Lithium), die Versklavung und teilweise Ausrottung der Bevölkerung (damals: „Untermenschen“, heute: „Tiere, Schweine, Müll“), die imperialistische Kolonisation des gesamten Ostens bis Wladiwostok.
Der un- (oder vermeintlich über-)menschliche Zynismus dieser Kampagne zeigte sich in aller Deutlichkeit in der unlängst ergangenen Aufforderung der Finanzkapitalweltmacht Blackrock an die Ukraine, andere Bestattungsmethoden für ihre hunderttausenden Toten zu finden, weil die vielen Leichen das Ackerland verderben, das – längst – Blackrock und Konsorten gehört.
Ob die Deutschen auch diesmal in einen „Ostrausch“ verfallen, bleibt eine spannende Frage. Vorläufig läßt die Kriegstüchtigkeit des für den Feldzug vorgesehenen Schlachtviehs zu wünschen übrig: Das interessiert sich mehr für die Feinheiten des vermuteten Genders irgendwelcher Sportler als für schwachsinnige Theorien über einen bevorstehenden Angriff „Putins“.
Hier kommt das eingangs erwähnte Narrativ ins Spiel: Nachdem zunächst die Ukraine (von der einige vollkommen Irre – sagen wir: Masala und noch zwei, drei – möglicherweise tatsächlich wähnten, sie könne Rußland niederwerfen) in den Fleischwolf geworfen wurde, steht nun die bittere Erkenntnis im Raum, daß der Wahn ein Wahn war und das weitgehend entvölkerte Land für weitere Angriffe nicht mehr zur Verfügung steht, auch weil das dortige Faschistenregime wohl demnächst durch einen Militärputsch und/oder Aufstand der Restbevölkerung entsorgt werden wird. Es muß also wohl die NATO oder ersatzweise mindestens Deutschland ran, um die westliche Zivilisation davor zu bewahren, von den untermenschlichen Hunnenhorden überrannt zu werden.
Hitler und sein Deutschland antworteten damals mit einem ähnlichen, nein: mit dem gleichen Wechsel des Narrativs: Nach der Niederlage in Stalingrad, mit der Deutschland auch den Krieg insgesamt verloren hatte, verkündete die Propaganda, es gehe nun darum, die westliche Zivilisation davor zu bewahren, von den bolschewistischen Horden überrannt zu werden.
Es heißt, die Geschichte wiederhole sich nicht, sie reime sich höchstens (wie Mark Twain meinte). Ich bin mir da manchmal nicht mehr so sicher. Der fanatische Eifer insbesondere der Deutschen, die Dummheiten und Verbrechen der Operation Barbarossa eins zu eins zu wiederholen, erscheint so unbändig und zügellos, daß man in melancholischen Momenten fast hoffen möchte, der Untergang möge diesmal so infernalisch ausfallen, daß danach endlich doch mal Ruhe ist. Was selbstverständlich ein ebenfalls unmenschlicher Gedanke ist oder wäre und deshalb oberhalb der dritten Ebene ungedacht bleibt. Ich bin zudem Egoist und möchte auch nächsten Sommer noch Wassermelonen essen.
Ja, in Momenten, in denen ich außer vollkommener Aussichtslosigkeit nichts mehr sehen kann, hege ich heimlich den gleichen Wunsch, aber nur halbherzig, auch weil ich noch ein bisschen leben möchte. Gute Idee, den Text unter anderem mit diesen Corona-Dokumenten zu durchsetzen. Man neigt aus Selbstschutz dazu, die größten Absurditäten und Grausamkeiten zu verdrängen, aber es ist besser, die Erinnerung wachzuhalten.
die mit Abstand(!!) besten Wassermelonen meines Lebens hat mir der Russ´verkauft. Da kommt nix hin, weder die von Griechenland, noch von Italien, noch von Spanien. Es liegen noch Berge davon herum, und: die werden, täglich frisch aufgetürmt, an allen Strassen im Reiche Putins feilgeboten. Jetzt grad. Im Oktober nimmer.
Unvergessen bleibt alles, was Deutschland während der Pandämie geschah, aus gemeinsam empfundener Abscheu gegen die Schwurbler, für eine frei atmende demokratische Welt.
Gruß aus der Taiga
Die uns hier Regierenden (m/w/d) sorgen sich doch herzerwärmend um unser aller Wohl. Sie warnen hier in den Qualitätsmedien unablässig vor allen möglichen Gefahren. Das ist so fürsorglich, sonst wüssten wir hier ja überhaupt nicht, was uns da alles droht.
Ob der Hitzetod, der neuerliche Virentod (Affenpocken, Vogelgrippe, Corona 37.0, etc.), der drohende Umsturz durch die rechte Brut bzw. diesen ewig gestrigen Rollatoren-Nazis, in den Wahnsinn treibende Falschinformation durch die verbreitenden Querdullis, wie diese sog. RKI-Protokolle, Defätistische Zersetzungs- und Delegitimierungsgedanken von gesichert rechtsextremen Medien und überhaupt der ganze Sumpf an Irgendwas-Denkern. Doch unsere unermüdlichen Beschützer „unserer Demokratie“ sind da auf Zack und greifen entschlossen durch.
Vor allem droht uns ja der Russe. Schon wieder – oder immer noch seit über 110 Jahren. Tja, aufgeklärte Zeitgenossen wissen das und vergessen das auch nie.
Genau genommen ist die Gefahr aus dem Osten ja schon spätestens seit den Hunnen bekannt. Da muss sich der heutige Russe aber sputen. Bei dem Tempo, mit der der da in „unserer Ukraine“ vorrückt, braucht der noch Jahrhunderte bis zu uns. Attila war da deutlich zügiger unterwegs.
Doch so haben wir noch um die 5 Jahre Zeit, so meint unser oberster Scholz oder wer auch immer, bis es wirklich losgeht mit dem Doppel-Rumms-Bumms. Deshalb ist es nur logisch, dass wir jetzt wieder ein paar wenige hundert oder tausend Raketen nach Deutschland bekommen. Sicher auch nach Landsberg oder Lager Lechfeld. Da fühlt man sich doch gleich besser beschützt.
Und dieses Mal klappt‘s auch mit dem Sieg. Aller guten Dinge sind Drei. Das ist Bremer Recht. Und die wissen Bescheid. In Bremen. Und auch sonst.
„Doch so haben wir noch um die 5 Jahre Zeit, so meint unser oberster Scholz oder wer auch immer, bis es wirklich losgeht mit dem Doppel-Rumms-Bumms. “
Das ist eigentlich der beste Witz. „Der Russe kommt, bringt Euch in Sicherheit, es wird gefährlich, der macht nicht Halt!
Aber halt erst in genau 5 Jahren, nämlich genau dann, wenn wir mit unserer Aufrüstung fertig sind.