Zu Hause war mein Unfall Thema aller Gespräche und Gerüchte. Von einem Lastwagen überfahren zu werden, war noch keinem gelungen, außerdem durfte ich noch zwei Wochen daheim bleiben. Weil meine Mutter vormittags arbeitete, saß ich dann mit meinem Vater – der Spätschicht hatte – auf dem Spielplatz vor dem neuen Haus, wo er jetzt wohnte.
Die Bäume waren noch kahl und die Wiesen voller matschigem Laub, aber ich bekam Kekse und Limo, und außerdem durfte ich sowieso nicht laufen. Die anderen Kinder kamen von der Schule und standen neben der Bank, grinsten und hörten bewundernd, daß ich noch eine weitere Woche frei hatte.
Ein paar Wochen später wurde Christian, der ältere der beiden kastenförmigen Jungen, überfahren, nicht nur von einem Lastwagen, sondern gleich von einem Betonmischer, der ihm außerdem noch über die Hände fuhr. Zu allem Überfluß bekam er im Krankenhaus von seinen Eltern einen Kassettenrekorder. Der gleichaltrige Junge und ich standen neidisch im Fahrradkeller vor der Ruine des vom Betonmischer plattgewalzten Rades und wünschten uns einen Kassettenrekorder. Er bekam ihn kurz darauf, ich erst viel später.
(„Junger Unfug“ begann ungefähr 1996 mit der Idee, Erinnerungen aus meiner Kindheit aufzuschreiben und sie irgendwie motivisch zu etwas „Sinnvollem“ zu verbinden. Nachdem keiner der etwa hundert Verlage, denen ich Textauszüge und eine Beschreibung des „Projekts“ zuschickte, in irgendeiner Weise reagierte, erschienen die Texte auf einer längst gelöschten Webseite und blieben auf einer alten Festplatte liegen. 2018 oder 2019 fand ich sie wieder, schrieb ein bißchen weiter und vergaß die Sache erneut. Vielleicht kommt irgendwann der „richtige Zeitpunkt“. Vielleicht ist er jetzt. Ob ein Buch daraus wird, weiß ich noch nicht.)