Reisen im Regal (7)

Um diese politische Demokratie ihren Zwecken dienstbar zu machen, erhält und unterstützt die industrielle Autokratie zwei miteinander rivalisierende politische Maschinen und bringt von Zeit zu Zeit immer wieder einen regelrechten Scheinkampf auf die Bühne, trägt Millionen Dollar dem Wahlfonds beider Parteien bei, verbrennt tausende Tonnen bengalischen Feuers und ergießt Millionen Flugblätter der papiernen Propaganda und Milliarden Worte des Rednerkampfes. Das Volk nimmt an diesem Scheinkampf Interesse, doch alle verständigen Leute wissen, daß, wie immer auch der Kampf entschieden wird, das Geschäft Geschäft bleibt und das Geld andauernd seine eigene Sprache führen wird. So haben wir auch die in diesem Buch dargelegten Tatsachen zu verstehen. Der Journalismus ist einer der Kunstgriffe, durch den (sic!) die industrielle Autokratie ihre Herrschaft über die politische Demokratie aufrecht erhält. Es ist die tägliche, zwischen den Wahlen geführte Propaganda, durch die die Volksstimmung in einem Zustand der Ergebung gehalten wird, so daß die Leute, wenn die Aufregung der Wahlen kommt, zu den Urnen schreiten und ihre Stimmzettel für einen der beiden Kandidaten ihrer Ausbeutung abgeben.
Upton Sinclair: Sündenlohn (1916)

Wer hat Sie den Unterschied gelehrt zwischen Eigentum, das sich verbraucht, und Eigentum, das sich vermehrt, oder hat Sie das niemand gelehrt?
Max Frisch: Fragebogen (1972)

„Was hast du so gemacht?“ frage ich.
„Was hast du so gemacht?“ fragt sie zurück.
Ich sage gar nichts.
Bret Easton Ellis: Unter Null (1985)

In 1985 Orwell was proved right
Torville and Dean’s bolero
Redundant as a sad Welsh chapel
So god is dead
Like Nietzsche said
Superstition is all we have left
Circle the wagons we’re under attack
We’ve realised there’s no going back
We’ve realised there’s no going back
Manic Street Preachers: 1985 (2004)

One of the things I liked about Liverpool at the time was that it had neither respect for its heritage nor any realisation that this heritage could be exploited. At some point in the mid ‘70s they flattened all the Victorian warehouses down one side of Mathew Street and filled in all the cellars to make a car park. That was the end of what had been the Cavern Club. Nobody cried. No petitions were signed. It wasn’t until the mid to late ‘80s that a heritage trail of Japanese and Americans bursting with cash started turning up, demanding to see where those four lads that shook the world had started.
Bill Drummond: 45 (2000)

Der See war größer geworden im Nebel, erweitert wie ein verschleiertes Auge.
Beat Brechbühl: Kneuss (1970)

Die naturwissenschaftliche Wirklichkeit ist nicht einfach da, sondern sie entsteht durch einen Strukturierungsvorgang.
Unterschiedliche Strukturierungsvorgänge bringen unterschiedliche Wirklichkeiten hervor.
Eine naturwissenschaftliche Wirklichkeit kann man eine „objektive Illusion“ nennen. Denn ein bestimmter Strukturierungsvorgang ruft ein bestimmtes Konstrukt hervor, welches einem bald wie eine lebendige Illusion vor Augen steht. Und diese Illusion ist eine objektive Illusion, weil sie von verschiedenen Personen, die sich alle an die gleiche Methodologie halten, nachvollzogen werden kann.
Gerhard Fasching: Objektive Illusionen (2005)

Der Kaiser blieb plötzlich stille stehn
Und sah mich an mit den stieren
Augen und sprach: „Um Gottswilln,
Was ist das, guillotinieren?“
Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen (1844)

Und dann steht ein Wort über den Köpfen, ganz selbstverständlich hat es jemand ausgesprochen, bald wird es das ganze Land erfassen: Generalstreik!
Otto Gotsche: Sturmsirenen über Hamburg (1973)

Der Verlag hat die Rezensionen geschickt, ein stattliches Paket. Nun, das war zu erwarten, angesichts seiner Bedeutung- Aber er ist wahrhaftig nicht der Mann, der sich auf Kritiken stürzt. Vielmehr läßt er sie liegen und nimmt ein Buch zur Hand, das er vor zwei Jahren begonnen und als hochinteressant in Erinnerung hat. Es heißt „Ketzereien des frühen Mittelalters und ihre Begleiterscheinungen im ländlichen Leben“. Damals kam er bis Seite 33. Aber er stellt fest, daß er sich heute auf den Inhalt nicht so recht konzentrieren kann.
Edward Gorey: Eine Harfe ohne Saiten oder „Wie man Romane schreibt“ (1963)

Später am Abend sehe ich die Minister der vier Besatzungsmächte, die an ihrem langsamen Frieden zu basteln beginnen, und irgendwie will auch das nicht wahr werden, es ist, als führten sie ein Ballett auf, dem niemand zusieht, die Zeremonie der Scheinbewegungen, die eine Wirklichkeit nachahmen, eine Pantomime, erkennbar, weil die Realität ihr voraus war.
Cees Nooteboom: Berliner Notizen (1990)

Vor hundert Jahren stellte der Schrankwahn noch ein ernstes soziales Problem dar. Es war für ganze Bettlerstämme durchaus üblich, ohne Wissen der dort gemeldeten Familie in den Schränken eines großen Hauses zu wohnen. Diese Mendikanten kamen nachts hervor, aßen und tranken alles weg und zogen sich wieder zurück, wie Gespenster bei Tagesanbruch.
Flann O’Brien: Quaquaversale Koryphäe (1943)

„Nun, was gibt es Neues bei euch?“ fragte Oblomow.
„Vieles! Man hat jetzt festgesetzt, in den Briefen statt ‚ergebener Diener‘ ‚seien Sie versichert‘ zu schreiben; es ist angeordnet worden, nicht mehr zwei Exemplare Formularbogen einzureichen. Man hat unser Bureau um drei Tische und zwei Beamte vergrößert. Man hat unsere Kommission aufgehoben … Und noch viel anderes!“
Iwan Gontscharow: Oblomow (1859)

Für diese Schlappheit machte sie die Medikamente und das Wetter verantwortlich.
Eveline Hasler: Novemberinsel (1979)

Im Kinde müßte man den Ursprung der Gesellschaften studieren. Das Kind ist die Menschheit an ihren Anfängen, das Kind sind die ersten Menschen.
Edmond & Jules de Goncourt: Tagebücher (1865)

In einem reichen Land leere Hände zu haben ist von besonderer Bedeutung. Auch wenn es nirgends gesagt wird, verbirgt sich darin ein Angriff auf die saturierten Bürger, auf die wirtschaftliche Stärke und die politische Macht. Diese Welt der Zufriedenen bildet das Innen, die streunenden Strolche dagegen das Außen. Erstere thronen auf einem fetten Konto, die anderen gehen in die Fremde, anstatt die Krümel der Reichen aufzulesen. Das einzige Problem besteht in der Frage, ob der Entschluß, in die Fremde zu gehen, für das gemeine Los des sozialen Außenseiters zu viel ist und sich deren Rebellion daher nur in den luftigen Höhen der Phantasie abspielt.
Kostis Papajorgis: Der Rausch (1990)

Um ein erfolgreicher Detektiv zu sein, braucht man im Grunde keinen überragenden Verstand, man muß aber die Fähigkeiten haben, sich in die Seele und in den Zustand des Mannes zu versetzen, den man fangen will.
Edgar Wallace: Neues vom Hexer (1929)

Sowohl Haus als auch Stadt haben ihre inneren Schwerpunkte verloren und befinden sich in körperlicher Auflösung. Sie sind lebendige Organismen ohne Herz, die unkontrollierbar wie Krebszellen ins Grenzenlose wuchern. Ist es Zufall oder geheimnisvoller Zusammenhang, daß Herzinfarkt und Krebs die beiden Haupttodesursachen unserer Zeit sind?
Ernst Wilhelm Heine: New York liegt im Neandertal (1984)

Those who enter the lobby of CIA headquarters are greeted by the stone likeness of Allen Welsh Dulles. „His Monument Is Around Us“, reads the inscription underneath the bas-relief sculpture. The words sound like a curse on the men and women who work in the citadel of national security and on all those they serve.
David Talbot: The Devil’s Chessboard (2015)

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