Reisen im Regal (5)

Wie ich schon betont habe, soll die Presse nicht nur informieren, sondern muß auch instruieren.
Joseph Goebbels, Rede vor der Presse, 16. März 1933

Wo „Parteilichkeit des Denkens“ eine unaufgebbare Maxime der Theorie und der aus ihr abzuleitenden Praxis ist, da handelt es sich um einen grundsätzlich anderen Theorietypus, als er den normalen Wissenschaften zu Gebote steht.
Kurt Sontheimer: Das Elend unserer Intellektuellen (1976)

Aber gab es denn in der Wissenschaft durchweg lauter Genies? Nehmen wir beispielsweise die Ginseng-Creme, die man in der Drogerie kauft. Wieviel Ginseng ist da drin? Ein zehntausendstel Prozent. Alles andere ist Vaseline. So ist es auch in der Wissenschaft. Ein Genie, und der Rest ist Vaseline.
Viktorija Tokarjewa: Mara (1989)

Der Journalist James Phelan, der den Milliardär seine ganze Karriere über begleitet hat, fragt sich: „Warum hat er zugelassen, ein Mann zu werden, der es nicht mehr ertragen konnte, gesehen zu werden? Was suchte er noch über den Wunsch nach Bereicherung hinaus?
Als Herr eines riesigen Vermögens, eines beachtlichen technologischen und industriellen Werks verwendete er seinen Reichtum schließlich nur dazu, die totale Abgeschiedenheit in einer dunklen Kammer zu kaufen, wo er nackt, mit Schorf überdeckt, abgezehrt und ohne alles auf einem ärmlichen Lager lebte. Phelan kommt zum Schluß: der Schatz, den Hughes hortete, war nicht Geld, sondern Macht. (…)
Es war allgemein bekannt: Hughes lehnte es kategorisch ab, eine Uhr zu tragen, obwohl er sich Herr über die Zeit nannte, was für ihn gewiß etwas bestimmtes bedeutete, das vielleicht der Definition Rilkes nahekommt: Macht zu besitzen, im Spiel der Welt zu gewinnen, heißt die Bezugspunkte seiner persönlichen Zeit von denen der astronomischen Zeit abzukoppeln, um sich zum Herrn zu machen über das, was eintrifft, und zu versuchen, unmittelbar mit dem Kommenden zusammenzutreffen. Als Milliardär, der sich allem entledigt hat, befaßt sich Hughes nur damit, die Geschwindigkeit seines Schicksals zu „frisieren“ und aus seiner Lebensform eine Form der Geschwindigkeit zu machen. (…) Zu sein heißt für Hughes (…), nicht zu wohnen, polytropos wie der Odysseus Homers; nicht einen Ort allein bewohnend, möchte er nicht identifizierbar sein, vor allem aber will er sich mit nichts identifizieren.
„Er ist niemand, weil er niemand sein will; um aber niemand zu sein, muß man zugleich überall und nirgends sein.“ Dieser Neigung zur allgegenwärtigen Abwesenheit wird er zunächst mit Hilfe verschiedener technischer Medien nachkommen.
Paul Virilio: Ästhetik des Verschwindens (1980)

Auch wenn ich mich mit dem freisinnigsten meiner Nachbarn unterhalte, stelle ich fest: was sie auch über die Bedeutung und den Ernst der Frage, über ihre Rücksicht auf die öffentliche Ruhe sagen mögen – die Sache läuft immer darauf hinaus, daß sie auf den Schutz der Regierung nicht verzichten wollen und sich vor den Folgen des Ungehorsams für ihr Eigentum und ihre Familie fürchten. Was mich betrifft, ich glaube nicht, daß ich mich je auf den Schutz des Staates verlassen werde.
Henry David Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat (1849)

Mein Eigentum aber ist kein Ding, da dieses eine von mir unabhängige Existenz hat. Mein eigen ist nur meine Gewalt. Nicht dieser Baum, sondern meine Gewalt oder Verfügung über ihn ist die meinige.
Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum (1844)

Wenn wir die Geschichte betrachten, nicht wie sie hätte sein können oder sollen, sondern wie sie tatsächlich war, so müssen wir konstatieren, daß der Krieg den unentbehrlichen Faktor der kapitalistischen Entwicklung bildete.
Rosa Luxemburg: Sozialreform oder Revolution (1900)

Das Prinzip der Revolution, wir wissen es noch, ist die Freiheit. (…) Mit anderen Worten: Keine Regierung des Menschen durch den Menschen mehr, vermittels der Anhäufung der Gewalten! Keine Ausbeutung der Menschen durch den Menschen mehr, vermittels der Anhäufung der Kapitalien!
Pierre Joseph Proudhon: Bekenntnisse eines Revolutionärs (1849)

Wir sollen den Herrschenden beim Völkermord helfen. Deshalb beschwören sie das Gespenst der gelben Gefahr.
Gruppe Viva Maria (Internationale Befreiungsfront): Flugblatt (1966)

Die Verachtung für Arbeiter ist keine Geschichte, die der Vergangenheit angehört. Sie ist vielmehr so tief im kollektiven Bewußtsein der Menschen verankert, daß sie nicht durch die vorübergehenden Erfolge der Arbeiterbewegung überwunden werden konnte. Der amerikanische Ökonom Thorstein Veblen hat um 1900 versucht, die Wurzel dieser Verachtung aufzuspüren. Sie ist, wie wir heute sagen, ein interkulturelles Phänomen. Was die höchsten Schichten jeder Gesellschaft auszeichnet, ist Muße, leisure. Veblen definiert Muße als ‚nicht-produktiven Verbrauch von Zeit‘, mit der Folge, daß produktiver Zeitverbrauch als ‚unehrenhaft‘ gilt.
Ton Veerkamp: Der Gott der Liberalen (2005)

Alle Substanz ist notwendigerweise unendlich.
Baruch de Spinoza: Ethik (ca. 1675)

Das Übel gibt es in der Welt, nicht um Verzweiflung hervorzurufen, sondern Tätigkeit. Wir brauchen uns ihm nicht geduldig zu unterwerfen, sondern wir müssen uns anstrengen, um es zu meiden.
Thomas Robert Malthus: Das Bevölkerungsgesetz (1798)

Der Mensch wird nicht zu hassen aufhören, wenn man ihm einredet, daß er von Mechanismen und Impulsen beherrscht wird. Dieser Fatalismus weiß nicht darum, daß, wann immer ich aggressiv bin, nicht die Mechanismen und Impulse zählen, die es in mir, die es in meinem Es geben mag, sondern daß ich es bin, der da haßt, und daß es dafür keine Entschuldigung gibt, sondern nur Verantwortung.
Viktor E. Frankl: Das Leiden am sinnlosen Leben (1977)

442. Kann es denn nicht sein, daß ich mir einbilde, etwas zu wissen?
Ludwig Wittgenstein: Über Gewißheit (1951)

Angesichts der beherrschenden Rolle, welche die Naturwissenschaft durch ihre Technik erlangt hat, ist begreiflich, daß viele auch die Lösung der Sinnfrage von der Forschung erhoffen. Wer da hat, dem wird gegeben.
Und doch kann die Wissenschaft nie diese Aufgabe der Sinnfindung erfüllen. Ihre Methode schließt jede Wertung nach Gut oder Böse aus – auch kann sie von sich aus niemals Schranken setzen – ja, sie darf im guten wie im argen Sinne dieses Wortes als von Grund auf „maßlos“ bezeichnet werden. Niemand kann erwarten, daß eine wertungsfreie und letztlich dadurch eben maßlose Forschung die Erde verwalten und zur wirklichen Heimat für Menschen machen kann.
Adolf Portmann: Vom Lebendigen (1973)

Die Wahrheit wird gemeinhin als ein Zeichen verstanden, das eine bestimmte Wirklichkeit adäquat bezeichnet. Jedes Zeichen weist auf die Wirklichkeit hin und verbirgt sie zugleich, ersetzt sie und tarnt ihre Nicht-Präsenz. Enthüllt das Zeichen die Wirklichkeit vollständig, macht es sie evident und unverborgen, dann kann dieses Zeichen als Fülle der Wahrheit gelten. Verdeckt das Zeichen die Wirklichkeit vollständig durch sich selbst, dann ist es ihre Maske, dann ist es Simulakrum und totale Illusion.
Boris Groys: Über das Neue (1992)

Von der Art, wie man die Menschen erzieht, hängt das Schicksal der Nationen ab. Die herrschenden Klassen haben die Wahrheit dieses politischen Grundsatzes von je her nur allzu gut erkannt. Ebenso wie der Mangel an Kenntnissen und Bildung die Fälschungs- und Verdrehungskünste herrschsüchtiger Gewalten begünstigt hat, wie er die so verhängnisvolle Hydra des Feudalismus erstehen ließ, wie er, in lächerlicher Verzerrung der Natur, Felder und Menschen als „adlig“ bezeichnete, wie er das kindesmörderische Gesetz des Erstgeburtsrechts schuf, das die mißbräuchliche Anhäufung maßloser Reichtümer so stark förderte, ebenso wird das neuerstrahlende Licht der Vernunft dem Menschen seine Menschenwürde wieder zurückgeben, die ihm angemessen ist; alle seine Leiden werden verschwinden und ebenso alle Folgeerscheinungen jener furchtbaren Geißeln der Menschheit, gegen die wir uns erhoben haben.
François Noël Babeuf: Gegen die Klassenherrschaft (1789)

(Anmerkung: Diese Fundstellen sind rein zufällige Früchte des müßigen Herumstöberns in Beständen und folgen keiner außer ihrer eigenen, möglichen Logik.)

Eine Antwort auf „Reisen im Regal (5)“

  1. „… Wie ich schon betont habe, soll die Presse nicht nur informieren, sondern muß auch instruieren.
    Joseph Goebbels, Rede vor der Presse, 16. März 1933“
    Das macht die Presse heutzutge ebenso, wie „damals“ (1933).
    Heutzutage instruiert ebenso der Öffentliche Dienst, wie die Berliner Verkehrsbetriebe das aktuell wieder einmal tun. Dieses Mal werden die Fahrgäste von den Berlner Vekehrsbetrieben damit belästigt :-(, belehrt 🙁 zu werden, wie viel Liter Flüssigkeit sie zu sich zu nehmen hätten, um nicht zu verdursten.

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