Das zaristische Rußland ist wie ein Naturelement, das sich wie ein Landräuber ausbreitet, aber hauptsächlich um zu zerstören. In diesen Eroberern der Neuzeit ist etwas von der Barbarei der Skythen, Hunnen und Tataren erhalten geblieben. Vom Standpunkt unserer heutigen Zivilisation versteht man nicht dieses ständige Expansionsbedürfnis durch Eroberung und Raubbau und auf der anderen Seite diese Vernachlässigung jeder Erhaltung und Verbesserung des Vorhandenen.
Alexandre Dumas: Kaukasische Fahrt (1859)
Wenn die Wogen auf Lands End an der äußersten Westspitze Englands zurollen, bringen sie einen Hauch aus fernen Gegenden des Atlantiks mit sich.
Rachel L. Carson: Geheimnisse des Meeres (1951/1960)
Die Menschheit befindet sich in der Lage eines Insektenschwarmes, der mit einem Vorrat von Schädlingsbekämpfungsmitteln spielt.
Pierre Bertaux: Mutation der Menschheit (1963/1971)
Bezeichnend für die geschichtliche Schnelligkeit, mit der sich, oft von der Allgemeinheit unbemerkt, die Front der Nahrungsmittelerzeugung verschiebt, ist die Entwicklung in Nordamerika.
Hugh Nicol: Der Mensch und die Mikroben (1955)
Gleich nach dem Schlafe, den sie meistens bis in den Tag hinein dehnen, wird gebadet; meist warm, natürlich, weil bei ihnen die meiste Zeit Winter ist. Nach dem Bade frühstücken sie; jeder hat seinen besonderen Platz und seinen eigenen Tisch. Dann gehen sie an die Geschäfte, nicht selten zu Trinkgelagen, stets in Waffen. Tag und Nacht durchzuzechen gilt keinem als Schande. Die natürliche Folge solcher Trunksucht sind häufige Händel, und selten bleibt es bei Schmähworten, meist kommt es zu Wunden und Totschlag. Aber auch Versöhnung von Feinden, Abschluß von Eheverbindungen, Wahl der Häuptlinge, selbst Frieden und Krieg wird meist beim Becher beraten, gleich als wäre nur zu solcher Stunde die Seele offen für einen aufrichtigen Gedanken oder für einen großen leicht erwärmt. Dieses Volk ohne Arglist und Trug erschließt noch die Geheimnisse seiner Brust in unbefangenem Scherze. Hat nun jeder ohne Rückhalt seine Meinung dargelegt, so wird sie am folgenden Tage noch einmal durchgesprochen, und jedem Zeitpunkt widerfährt sein Recht; sie beraten, wenn sie der Verstellung unfähig sind, und beschließen, wo keine Betörung stattfindet.
Tacitus: Die Germania (ca. 0100), aus dem Lateinischen von Dr. Max Oberbreyer (1910)
Ob man will oder nicht will, das Volk versteht nur so die Revolution. Sobald es einmal die heutige Herrschaft hinweggefegt haben wird, wird es vor allem sich einer gesunden Wohnung, einer hinlänglichen Nahrung und der Kleidung zu versichern suchen, und zwar ohne einen Tribut zu zahlen.
Pjotr Kropotkin: Die Eroberung des Brotes (1892/1919)
Eure Rolle als revolutionäre Intellektuelle und Künstler besteht nicht darin, laut aufzuschreien, wenn wir uns weigern, zusammen mit den Feinden der Freiheit zu marschieren. Ihr braucht nicht die bürgerlichen Ästheten nachzuahmen, die versuchen, alles auf das schon Getane zu reduzieren, weil das schon Getane sie nicht stört.
Guy Debord: Rapport zur Konstruktion von Situationen (1957/1980)
Die Verfremdung und Unterdrückung in der Gesellschaft können nicht – auch nicht im Detail – wieder in Ordnung gebracht werden, sondern nur im Ganzen mit dieser Gesellschaft selbst verworfen werden. Jeder wirkliche Fortschritt ist offensichtlich mit der revolutionären Lösung der vielschichtigen Krise der Gegenwart verknüpft.
Gruppe SPUR: Manifest (1960)
Wir müssen die Bedingungen vorbereiten, damit unsere Brüder bewußt und direkt den Weg der endgültigen Abschaffung der Ausbeutung einschlagen, aber wir können sie nicht dazu auffordern, solange wir selbst Komplizen eben dieser Ausbeutung sind.
Che Guevara: Rede vor der afro-asiatischen Solidaritätskonferenz am 26. Februar 1965, in: Venceremos! Wir werden siegen (1968)
Kinderspiele – das menschliche Wähnen und Meinen!
Heraklit: Urworte der Philosophie (ca. 480 v. Chr./1957)
Da es nun mit der unter den Völkern der Erde einmal durchgängig überhand genommenen (engeren oder weiteren) Gemeinschaft so weit gekommen ist, daß die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird: so ist die Idee eines Weltbürgerrechts keine phantastische und überspannte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine nothwendige Ergänzung des ungeschriebenen Codex sowohl des Staats= als Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrechte überhaupt, und so zum ewigen Frieden, zu dem man sich in der continuirlichen Annäherung zu befinden, nur unter dieser Bedingung schmeicheln darf.
Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden (1795)
Auf der Vorderseite der Zeitung stand zu lesen, daß es überall böse aussah. Der Präsident kündigte DRASTISCHE KÜRZUNGEN IM VERTEIDIGUNGSHAUSHALT an. Ja, er gab zu, daß sich die Anzahl der Arbeitslosen dadurch noch erhöhen würde, aber man benötige die freiwerdenden Gelder dringender zur Sozialfürsorge. Unterstützungsmaßnahmen seien wichtiger als Verteidigungsausgaben, hatte der Präsident auf einer Pressekonferenz erklärt.
In Wirklichkeit seien Ausgaben zur Landesverteidigung im Augenblick das Unwichtigste von allem. Die Russen und Chinesen hätten ihre eigenen Sorgen und seien noch übler dran als wir. Außerdem seien wir im Besitz all ihrer Geheimnisse und sie im Besitz der unsrigen – und, hatte der Präsident mit einem schiefen Lächeln hinzugefügt, auf dieseArt könne man keinen Krieg führen.
Fredric Brown: Die grünen Teufel vom Mars (1954/1959)
Sobald der Kolonisierte anfängt, an den Fesseln zu zerren, den Kolonialherrn zu beunruhigen, schickt man ihm gute Seelen, die ihm auf „Kulturkongressen“ das Wesen und die Reichtümer der westlichen Werte darlegen. Aber jedesmal, wenn von westlichen Werten die Rede ist, zeigt sich beim Kolonisierten eine Art Anspannung, ein Starrkrampf der Muskeln.
Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde (1961/1969)
Nelda rumorte in einer geräumigen Handtasche, die sie von irgendwoher beschafft hatte. „Himmel, und ich habe bloß noch einen Dollar neunundsiebzig …“
„Die alte Währung benötigen Sie nicht mehr, Madame“, versicherte der Monitor. „Jegliches entstandene Soll wird gegen Ihre Grundquoten abgerechnet.“
Keith Laumer: Invasion der Monitoren (1966/1973)
Zwar bestimmen – im Sinne der Paretoschen Thesen – „Eliten“ hinter dem Parlament oder im Parlament die Politik. Die Entscheidungen aber, sofern sie die Form eines Gesetzes annehmen (und verfassungsmäßig annehmen müssen), werden dem Volk nicht durch die Willensbekundung eines Führers oder einer elitären Clique mitgeteilt. Das Parlament übernimmt effektiv diese Aufgabe – und festigt damit auch seine Unentbehrlichkeit für den Verfassungsstaat. Dadurch wird zugleich die bloße Objektstellung des Volkes erhärtet: Im Vorgang der Bekanntmachung merkt das Volk, was gespielt wird, erst wenn es zu spät ist.
Johannes Agnoli: Die Transformation der Demokratie (1967)
Wenn wir uns aber von der atomaren Sache zwingen lassen, Dinge zu tun, die wir eigentlich nicht wollen, dann werden wir irgendwann einmal auch zum Krieg gezwungen, den wir natürlich und eigentlich erst recht nicht wollen.
Franz Alt: Frieden ist möglich. Die Politik der Bergpredigt (1983)
Zu einer rationalen Analyse internationaler Politik gehört es, daß man immer wieder versucht, einen Konflikt auch aus der Lage und Rolle des anderen zu begreifen.
Manfred Hättich: Weltfrieden durch Friedfertigkeit? Eine Antwort an Franz Alt (1983)
Jeden dazu zwingen, ständig für oder gegen geheimnisvolle und dunkle Ereignisse Stellung zu nehmen, die eigentlich genau zu diesem Zweck vorgefertigt wurden – das ist der wirkliche Terrorismus; ständig die ganze Arbeiterklasse dazu zwingen, sich für oder gegen dieses oder jenes Attentat zu erklären, das für alle, außer den Geheimdiensten, fremd ist – genau das macht es der Macht möglich, die allgemeine Passivität und die Betrachtung dieses unanständigen Schauspiels aufrechtzuerhalten, genau das macht es den gewerkschaftlichen Bürokraten möglich, die Arbeiter jeder kämpfenden Fabrik unter ihren arbeiterfeindlichen Anweisungen zu versammeln, wo regelmäßig einem Leiter in die Beine geschossen wird.
Gianfranco Sanguinetti: Über den Terrorismus und den Staat (1980)
Ueber die Bedeutung, welche die modernen Sprengstoffe für die soziale Revolution in Gegenwart und Zukunft haben, braucht heutzutage nichts mehr gesagt zu werden. Es liegt auf der Hand, daß dieselben im nächsten Abschnitt der Weltgeschichte den ausschlaggebenden Faktor bilden.
Johann Most: Revolutionäre Kriegswissenschaft (1885)
Hieraus folgt, daß im Interesse der Arbeit wie in dem der Wissenschaft es nicht mehr Arbeiter und Gelehrte geben darf, sondern nur Menschen.
Michail Bakunin: Die vollständige Ausbildung (1869/1923)
Endlich erblickten sie die vergoldeten Thürme der großen Stadt und zogen um die Mittagstunde ein.
Neugierige Blicke warf der Fremdling umher auf das dichte bunte Menschengewühl, das ihm so viele neue Gegenstände darbot. Europäischen Luxus, in glänzenden Fuhrwerken und Livreen, neben denen eine Menge Schlitten hinflogen, von einem bärtigen Fuhrmann im altrussischen Talar gelenkt; Garden in eleganten Mode=Uniformen, andere Soldaten mit weiten rothen Beinkleidern, und Kosaken dazwischen von wild asiatischem Ansehn, auf kleinen Pferden dahinsprengend. Geschäftige Handwerker, denen man die deutsche Abkunft ansah, englische Kaufleute, einseitig und stolz im Betragen, leichtsinnige französische Ausgewanderte, bunt kontrastirend mit den einheimischen derben Weibern in großer Zahl, die allerhand Waaren feil boten. Dazu bald ein prächtiger Pallast mit einer italienischen Fazade, bald eine Reihe schlechter Blockhäuser, alles im seltsamen, Befremdung erregenden, nie erblickten Wechsel.
Julius von Voß: Versöhnung mit dem Schicksal oder abentheuerliche Geschichte eines Dragoneroffiziers (1810)
Nicht lange danach wurde Moskau von den Mongolen vollständig in Asche gelegt; erst im Jahre 1238 erscheint wieder ein Fürst von Moskau in der Geschichte.
Alexandre Dumas: Rußlandreise (1859)
(Anmerkung: Diese Fundstellen sind rein zufällige Früchte des müßigen Herumstöberns in Beständen und folgen keiner außer ihrer eigenen, möglichen Logik.)
das, lieber Michael, ist eine sehr schöne und intelligente Zusammenstellung geworden. Hut ab!
Ich erlaube mir den Hinweis und Link auf eine Sendung von Radio München, welche letzte Woche stattfand und grüße herzlich aus dem hartgefrorenen Ural.
https://youtu.be/_1XfpWBhGOY
Der Zufall ist bisweilen ein geschickter Komponist 😉 (und die Sendung hab ich mir runtergeladen, für heute …)
Lieber Michael, ich schließe mich Klaus B.’ens wunderbar treffenden Kommentar von Herzen an: Und ja, die Bücher wissen sehr oft selbst wann sie einen anspringen möchten, manche schlummern jahrzehntelang („Die Dämonen, Wesen und Wirkung eines Urphänomens“ von Müller-Sternberg, schon am Zerfallen im Bücherregal im Treppenhaus) und dann liegt man 4 Wochen im von Sonnenschein durchfluteten August-Bett und macht auf jede Seite Eselsohren, bekommt vom vielen Nicken Genickstarre und nervt die erwachsenen Nachkommen mit Vorgelesenem. Auf gut Glück aufgeschlagen: (Seite 239): „Rhythmus: Die Ekstase mit dem sie vorbereitenden und tragenden Rhythmus führt uns zum Grund des Dämonischen, zum Dämon selbst. Wo sich seine Bestimmung durch Begriffe in Widersprüche verfängt und im Paradoxen steckenbleibt, wo die Wandelbarkeit seiner äusseren Erscheinung den Menschen verwirrt und doch nur so wenig über sich selbst verrät, soll der Dämon nun aus dem Rhythmus gedeutet werden“.
Ab hier werde ich mir jetzt den link von Klaus B. öffnen, denn da ist sicherlich auch von Rhythmus etwas mit dabei….Lieber Gruß von Josi
P.S.: „Arbeiterklasse“ und „Elite“ waren die zwei Wörter im Blogeintrag, die mich haben innehalten lassen, so als wäre an dieser Stelle ein schriller Mißakkord, hörbar nur für Katzen, die dann mit empörtem Sprung vom Federbett den Raum verlassen. Dabei aufgebracht mit dem Pfoten trampelnd.
Kleine Anmerkung über Kant
Die Philosphen werden oft von der Geschichte korrigiert. Die Erfahrung zeigt uns, daß Kants Vorschlag eine sehr gutgemeinte Naivität ist. Die Begründung seines Arguments [„Da es nun mit der unter den Völkern der Erde einmal durchgängig überhand genommenen (engeren oder weiteren) Gemeinschaft so weit gekommen ist, daß die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird“] ist grundsätzlich falsch. Während er „Zum ewigen Frieden“ schrieb oder sehr kurz davor, tobte in Frankreich Robespierres Terrorherrschaft, deren –theoretisches– Ziel die womöglich weltweite Durchsetzung der Menschenrechte war. Es ist zu bezweifeln, daß ein zeitgenössicher ägyptischer Fischer oder ein chinesischer Mandarin Robespierres Rechtsverletzungen spürten.
Ich behaupte auf keinen Fall, daß Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit etc. relativ oder nur rein abstrakte Begriffe sind (ich bin weder ein Relativist noch ein Nominalist). Ob Kant sie wirklich kannte und richtig definieren konnte, weiß ich nicht –ich bezweifle es… Aber selbst wenn es so gewesen wäre, wie hätte er die Idee dieses Weltbürgerrechts dem ägyptischen Fischer und dem chinesischen Mandarin mitteilen können? Wie hätte er sie überzeugt? Denn für den Fischer wie für den Mandarin waren Recht, Frieden etc. etwas ganz anderes als für Kant.
Kant hat viele Europäer, sowie Süd- und Nordamerikaner ziemlich schnell überzeugt, weil wir alle kulturell verwandt sind. Robespierre seinerseits hat unzählige Reinkarnationen (nicht nur in Okzident!) erlebt: so oft hat man für Menschenrechte, Aufklärung und Frieden geschwärmt und zugleich sie mit Füßen getreten. Aber den Glauben haben wir nicht verloren und auch nicht den Eifer, agyptische Fischer, chinesische Mandarine und viele andere zu überzeugen und nolens volens zu konvertieren. Da Menschenrechte, Aufklärung, Weltbürgerrecht, Demokratie und Frieden so gut sind, darf man sie paradoxerweise außer acht lassen, um sie zu verbreiten. Seit Anfang dieses Jahrhunderts hat kaum etwas anderes gemacht. Au keinen Fall war das Kants Abischt, aber so schlau war er auch nicht…
Lustigerweise war der dritte Satz („Die Begründung seines Arguments … ist grundsätzlich falsch“) das erste, was mir in den Kopf kam, als wir das damals in der Schule lesen mußten. Das war die Zeit der ersten heftigen Europa-Propaganda (ca. 1979), vielleicht hat das einen prägenden Eindruck hinterlassen.
Auf meinem Regal warten Müller-Sternbergs Dämonen seit 15 oder 20 Jahren. Aber vielleicht ist der Augenblick jetzt gekommen.