(periphere Notate): Lesen beugt vor!

Ein 66jähriger Klebstoff-Vertriebsleiter und ehemaliger Reserveoffizier der Bundeswehr wurde zu 21 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil er „Spionage für Rußland“ betrieben und jahrelang (mutmaßlich „sensible“) „Informationen“ an den russischen Geheimdienst GRU geliefert habe. Das berichtet die deutsche Propaganda, und der deutsche Volksgenosse ist empört: Was, so einer darf weiterhin frei rumlaufen?

Ja, darf er. Folgendes nämlich ist tatsächlich passiert: Der Exoffizier lernte 2014 auf dem „Ball der Luftwaffe“ den damaligen russischen Militärattaché kennen (von dem die Bundesanwaltschaft behauptet haben soll, er sei für den Geheimdienst tätig, ohne das je zu belegen). Offenbar war ihm der Mann so sympathisch, daß er ihm immer mal wieder per Mail „öffentlich zugängliche Informationen“ (also Zeitungsberichte und so was, teilweise übrigens aus russischen Medien wie „Sputnik“) zuschickte, warum auch immer – schließlich können manche Russen bekanntermaßen selber Zeitung lesen, vor allem ihre eigenen, und einige sollen sogar wissen, was ein Internet ist. (Das läßt sich übrigens leicht überprüfen: Von russischen Medien erfährt man in vielen Fällen – so auch in diesem – wesentlich mehr über Vorgänge in Deutschland als von der deutschen Propaganda, die sich gerne mal stur an absurden Narrativen festklebt und kitzlige Dinge unter den Teppich kehrt.) Die „Zusammenarbeit“ versandete logischerweise irgendwann – der Attaché wurde abberufen, sein Nachfolger zeigte kein Interesse an allgemein bekannten „Informationen“ und der „Meinung“ eines Exoffiziers dazu.

Na gut. Der weniger empörte Leser mag sich nun fragen: Was an diesem banalen Vorgang soll „besonders schwere geheimdienstliche Agententätigkeit“ (so die Staatsanwaltschaft) und 21 Monate Haft auf Bewährung wert sein? Das ist nicht leicht zu sagen. Daß er „leutselig“ und „mitteilungsbedürftig“ sei, wie ihm die „Tagesschau“ vorwirft? Daß er im Rahmen seiner Vertriebstätigkeit mit potentiellen Kunden aus feindlichen Ländern plauderte? Das Gericht schwurbelte etwas ratlos herum: Der Mann habe „eine Art Dienstleistung erbracht – Informationen zusammengestellt, seine Expertise eingebracht, auch Meinungen und persönliche Angaben gemacht“ (zu Alter und Schuhgröße, vermuten wir). Da läutet selbst bei mir eine Alarmglocke; schließlich „erbringe“ auch ich diese „Art Dienstleistung“ in Gesprächen mit und Mails an Freunde sowie nicht zuletzt durch diesen Blog. Das soll neuerdings strafbar sein? Wohl kaum. Indes fügte der Richter laut „Tagesschau“ hinzu: Diese „Informationen“ seien „doch dazu geeignet gewesen, beim russischen Sender Russia Today eingesetzt zu werden.“

Glück gehabt. Mag sein, daß die Kollegen bei RT zu doof sind, „Tagesschau“ zu glotzen, „Sputnik“ zu lesen und sich einen Reim darauf zu machen (ich kenne nur einen, der ist es nicht). Aber zumindest werden sie bestimmt nicht blöd genug sein, sich ihre „Informationen“ ausgerechnet von meinem Blog zu beschaffen. Oder doch? In diesem Fall bitte ich bescheiden um Quellenschutz und weise die zuständige Spionagestaatsanwaltschaft vorsorglich darauf hin, daß ich kein pensionierter Exoffizier und noch nicht mal Reservist, sondern staatlich anerkannter Kriegsdienstverweigerer bin.

Der Straftäter selbst gab übrigens an, ihm sei es um „Frieden und Völkerverständigung“ gegangen. Damit kommen wir der Sache möglicherweise näher. Daß ein Engagement für solch niedere Motive in Deutschland seit längerer Zeit alles andere als gesellschaftsfähig ist, beweisen nicht zuletzt unsere Propagandamedien schließlich täglich aufs neue. Zudem stellte das Gericht bei dem Angeklagten eine „extrem rußlandfreundliche Einstellung“ fest, was wohl letztlich den Ausschlag zur Verurteilung gab und mir einen Stein vom Herzen wirft: Nichts gegen Rußland, aber „extrem“? Lieber nicht.

Der empörte Leser wiederum mag seine Frage wiederholen: Und wieso darf ein strafbar russenfreundlicher Kerl weiterhin frei herumlaufen? Weil die deutsche Justiz ein Herz hat und befand, er sei durch die selbstverständlich gerechtfertigte Vorverurteilung bereits gestraft: Nach Bekanntwerden der „Vorwürfe“ warf ihn das deutsche Heer hinaus, und seine Ehefrau – Russin und „Putin-Gegnerin“ – war von der selbstverständlich gerechtfertigten Hausdurchsuchung (bei der mutmaßlich ein paar Zeitungen sichergestellt wurden) so schockiert, daß sie seither eine Therapie besucht.

Daß eine so alberne Posse nicht das hervorruft, was sie hervorrufen müßte – Gelächter, Befremdung und etwas Mitgefühl –, sondern mit Todesernst quittiert wird, mag wiederum ein Zeichen für den mentalen Zustand der deutschen Öffentlichkeit sein. Allerdings nur der „meinungsführenden“. Was die 99,9 Prozent der Bevölkerung, die nicht mit der Erstellung von Propaganda beschäftigt sind, davon halten, wissen und erfahren wir ja nicht.

In Wirklichkeit geht es wohl – wie meist in letzter Zeit – um vorsorgliche Einschüchterung: Wenn niemand mehr weiß, was im herrschenden Doppelstaat alles strafbar sein oder unter Aufbietung gewagter Auslegungskünste bestraft werden könnte, dann traut sich auch keiner mehr was sagen. Und irgendwann ist es dann auch egal, ob es um Rußland geht, um das eigene Regime oder irgendwas anderes. Man hält die Klappe, weil man nie sicher sein kann, daß „Feind“ oder „Freund“ nicht mithört, und keinesfalls je weiß, wer was wie auslegt und deutet und daraus eine strafbare Handlung oder die Mutmaßung der Planung einer solchen oder eine grundsätzliche Bereitschaft dazu zusammenschraubt. Ich hoffe, man nimmt noch eine zeitlang hin, daß ich eine solche Duckmäuserei im Einzelfall nachvollziehbar finde, selbst dazu jedoch nicht fähig bin.

Das (die Klappe nicht halten zu können) ist das einzige, was ich mit dem „Grünen“-Zwangsneurotiker, Verzeihung: „Gesundheitspolitiker“ (ein Beruf, von dem ich nicht weiß, worin er besteht) Janosch Dahmen teile. Dessen Informationsresistenz, Lernunfähigkeit und Immunität gegen jegliche Form von Einsicht und Erkenntnis sind nach fast drei Jahren „Corona“ immer noch (oder erst recht) so betonfest und endsiegsicher, daß er nicht nur weiterhin Todesangst und Virenpanik schürt, sondern nicht mal die urältesten Mythen endlich mal loslassen kann. In bezug auf die (trotz Propagandagetrommel der Medien) sowieso vollkommen uninteressante Fußball-WM „mahnt“ er wieder mal in Dauerschleife „zur Vorsicht“ und „appelliert“, „Maske zu tragen“. Wozu das gut sein sollte, sagt er nicht. Vielleicht aus „Vorsicht“: Wenn er später mal was Größeres zu werden sich anschickt, könnten solche gemeingefährlichen Desinformationen aus der Mottenkiste geholt und ihm angekreidet werden.

Ebenso übrigens wie gewisse Falschbehauptungen, mit denen er sich offenbar Nosferatu Lallerbach anzubiedern trachtet, die ansonsten aber sicher ebensowenig noch einen toten Hund hinter dem Ofen hervorlocken wie die Empfehlung, sich vom Rand der Erdscheibe fernzuhalten, damit man nicht ins Bodenlose plumpst: „Zwar sei es bisher gelungen, die Krankheitsschwere durch die Impfungen zu senken und die Infektionsdynamik auszubremsen, um insbesondere das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). ‚Zur Wahrheit gehört aber auch, daß die Pandemie noch nicht vorbei ist und gewisse Basismaßnahmen zum Schutz von Risikopersonen und zur Vermeidung von Personalausfällen im Gesundheitswesen weiterhin notwendig sind. Dazu zählt aus medizinischer Sicht auch das Tragen einer Maske in Innenräumen und draußen, dort wo im dichten Gedränge kein Abstand gewahrt werden kann. Masken sind neben einem frischen Impfschutz nachgewiesenermaßen das wirkungsvollste Instrument, um sich und andere vor Infektionen zu schützen.“

So leid es mir tut: Ich kann bei einem solchen Quatsch nur noch gähnen. Mag dem Kerl mal jemand vorsichtig mitteilen, daß wir nicht mehr April 2020 haben, der Panikschwindel längst aufgeflogen und es wenig sinnvoll ist, Erwachsenen zu erklären, daß das Christkind die Geschenke und der Klapperstorch die Kinder bringt?

Zum Gähnen sind seit längerer Zeit auch die Rasseltröten der „Faktencheck“-Hetzer, denen einfach nichts neues mehr einzufallen scheint, seitdem die meisten ihrer Opfer, die sie als rechtsextreme Wasauchimmer zu diffamieren nicht müde werden, dem Gebamsel höchstens noch mit Gleichgültigkeit begegnen und ihre „Wahrheiten“ eine nach der anderen zerbröselt. Der österreichische Vorreiter dieser regimetragenden Propagandamaschinerie, der Blog „Mimikama“, mußte nun gewissermaßen sein eigenes Versagen „faktenchecken“: Trotz der konzertierten Panikmache fürchten sich laut einer Umfrage nur noch 18 Prozent der Deutschen vor einer „Covid-19-Erkrankung“. 2020 sollen es noch 37 Prozent gewesen sein.

Da meine (vollkommen subjektive) Erinnerung eher auf 99 Prozent tippen täte, die im Frühjahr 2020 wie aufgescheuchte Hühner herumflatterten, Facebook-Einträge für tödlich erklärten und um einen „Beatmungsplatz“ bettelten, erstaunt mich das ein wenig. Daß nach der historisch einmaligen Massenhypnose nun nur noch knapp jeder fünfte dem Blödsinn auf den Leim geht, ist hingegen doch recht erfreulich.

Andererseits finde ich eine andere Mitteilung von „Mimikama“ um so gruseliger – wenn auch unter dem Vorbehalt, daß diese Leute mit Fakten und Zahlen bekanntermaßen so umgehen wie Nosferatu Lallerbach mit „Studien“ (oder gewisse Joghurthersteller mit dem Begriff „Erdbeer“, um mal einen anderen Vergleich an den Haaren herbeizuziehen): Zwar fürchtet sich „nur noch“ jeder fünfte vor dem Jahrtausend-Todeserreger, aber 81 Prozent befolgen (angeblich) nach wie vor die absurden „Corona“-Verhaltensbefehle. Noch gruseliger ist, daß die meiste Angst vor dem Killervirus die jüngeren haben. Immerhin mag man darauf hoffen, daß sie älter werden und dann ein ähnlicher Vorgang eintritt wie mit dem Glauben an den Osterhasen.

Erfreulich hingegen, daß von den in der DAK-Umfrage genannten Möglichkeiten, „Krankheiten vorzubeugen“, immerhin 74 Prozent nicht auf den Blödsinn mit den „Regeln“ vertrauen, sondern eine andere Art der „Vorbeugung“ bevorzugen: Lesen. Daß man davon noch nicht viel merkt, mag (siehe oben) daran liegen, daß ja niemand weiß, was die so lesen.

Der schwedische Staatsepidemiologe Anders Tegnell antwortete vor zweieinhalb Jahren auf die Frage, weshalb er keinen „Lockdown“ befehlen wolle und auf welchen Daten diese Verweigerung basiere, mit der Gegenfrage, auf welchen Daten denn die Anordnungen der Regierungen im „Rest der Welt“ beruhten. Er und seine Mitarbeiter hätten außer dem (nicht „peer-reviewten“ und schon damals als völlig abwegig entlarvten) Modell des Imperial College (von dem notorischen Neil Ferguson) nichts gefunden.

Wie wir heute wissen, gab es solche „Daten“ nie. Wie wir heute wissen? O nein, gewußt haben wir das damals schon. Oder hätten es wissen können. Oder könnten es zumindest heute wissen, „wir“.

(Ratlose Leser, die sich vergeblich fragen, was die Bilder mit dem Text zu tun haben könnten, seien getröstet: nichts, zumindest nicht absichtlich.)

2 Antworten auf „(periphere Notate): Lesen beugt vor!“

  1. Tät mich schon interessieren, wessen tweed das letzte Bildchen darstellt. Ich kichere leise vor mich hin. (obwohl, eigentlich dürfte ich das nicht,oder. Die Lage ist zu ernst.)

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