(periphere Notate): Niedrigschwelliger Basiskrieg

„Niedrigschwelliger Basisschutz“ ist die neueste Verniedlichung der seit zwei Jahren ununterbrochenen Kette von Verschärfungen der „Corona“-Sanktionen, die auf diesem Weg nun in die Verstetigung überführt werden sollen. Woran sich das Vieh erst einmal so gewöhnt hat, daß es ihm kaum noch auffällt, das muß man nicht mehr „lockern“.

Dennoch ist allüberall von „Lockerungen“, gar „Öffnungen“ die Rede, aber eben nur diese. In München (aber sicher nicht nur dort) bedeuten die „Lockerungen“ zum Beispiel, daß nicht behandelten Menschen nun auch der Zutritt zu Biergärten verboten ist. Im Hintergrund stehen nach wie vor die längst entlarvte Lüge von der „Pandemie der Ungeimpften“ und der Wahngedanke, man könne sich unter freiem Himmel mit einer Erkältungskrankheit anstecken und müsse dann „elend ersticken“.

Der führende „Corona“-Terrorist Lauterbach, der seit zwei Jahren nichts anderes tut als zu „warnen“ und im Rahmen einer experimentellen Studie auszuprobieren, mit welchem Ausmaß an krassestem Blödsinn man bei den Allerdümmsten Gehör und Verbreitung findet, ohne ausgelacht und davongejagt zu werden, „warnt“ nun, weil die Verbote und Grundrechtsabschaffungen „auf Kante genäht“ seien, vor einer „Lockerungshysterie“.

Oder halt. Tut er das? Eigentlich nicht. Das Wort kommt nur in den Überschriften der (absolut gleichlautenden) Meldungen in der „Frankfurter Rundschau“ und „HNA“ (was sicher nicht „Hals-Nasen-Arsch“ heißt) vor, die ein Stefan Krieger dort plaziert hat. Krieger, heißt es, schreibe „gerne über Sportthemen, besonders Eintracht Frankfurt“. Das sollte er öfter tun; möglicherweise kommt es dort im Training hin und wieder zu einer „Lockerungshysterie“. Dann kann er seinen chicen Neologismus korrekt an den Mann bringen.

In selbigem HNA ist darüber hinaus zu erfahren, daß die „Inzidenzen“ zurückgehen. Und daß das RKI „steigende Inzidenzen“ meldet. Welche Art Hysterie hier am Werke ist, wollen wir nicht wissen.

Statt dessen erinnern wir gerne wieder einmal an die bis 2020 gültige Grundregel, daß man Einschränkungen von Grundrechten nicht „lockern“ kann und darf, schon gar nicht willkürlich und nach Lust und Laune. Auf gar keinen Fall muß man solche „Lockerungen“ auch noch begründen oder Gründe dafür suchen. Begründen muß man vielmehr die vorübergehende Einschränkung oder Aussetzung von Grundrechten. Und zwar ständig, jeden Tag aufs Neue. Für die letzten (ungefähr) 600 Tage sind mir einleuchtende oder gar stichhaltige Begründungen nicht bekannt geworden.

Da ist es eigentlich ganz normal, daß die springersche „Welt“ angesichts des „niedrigschwelligen Basisschutzes“ (der wie gesagt für eine weitere stetige Verschärfung der Verbote und Sanktionen steht) von einer „Verhöhnung der Bevölkerung“ spricht. Auffallen sollte vielmehr, daß der gesamte Rest der „Leitmedien“ nicht von Verhöhnung, Züchtigung, Demütigung, Entwürdigung, Unterwerfung und Entrechtung spricht. Aber daran haben wir uns eben offenbar schon gewöhnt; die Wirklichkeit träte der Masse aus diesen Kanälen als schockierender Schlag vor den Kopf entgegen.

„Der deutsche ‚Freedom Day‘ könnte ein echter Deutschenwitz werden“, schreibt die „Welt“. „Am 20. März sollen, wie von der Bundesregierung versprochen, endlich auch bei uns alle Corona-Maßnahmen fallen – also alle, außer Maskenpflicht, Abstandsgebot, Testpflicht und Impfnachweiskontrolle! So fordert es, allen Ernstes, die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).“ Ja freilich – alle „Maßnahmen“ „fallen“, außer den „Maßnahmen“. Ist das typisch deutsch? Man kommt nicht drum herum: ja, ist es.

Daß der Mensch frei ist und Grundrechte hat, die aller staatlichen Ordnung und jedem „fürsorglich“-totalitären Zwang nicht nur absolut überrangig sind, sondern in jedem Punkt und zu jeder Zeit für die staatliche Ordnung maßgebend sein müssen, ist hingegen ein höchst undeutscher Gedanke, der nur durch einen historischen Zufall Eingang in den Inhalt und sogar die Form des Grundgesetzes finden könnte – nämlich im Moment der größtmöglichen Niederlage des deutschen Untertanenzwangssystems, der indes ein sehr kurzer war.

Nur in diesem geschichtlichen Augenblick konnte es geschehen, daß noch vor der Definition des Staates die Artikel 1 bis 19 der deutschen Verfassung die Grundrechte formulieren und der Staatsverfassung selbst – eben – vorangestellt werden konnten. Stellte man verfassungsrechtlichen Kindergartenbamslern wie unserer heutigen Politik, Exekutive und Justiz die Aufgabe, eine deutsche Verfassung zu formulieren, käme etwas heraus, wovon ihre Vorgänger vor achtzig Jahren höchstens geträumt hätten.

Es ist immer wieder eine erstaunliche Herausforderung, auf Facebook Kommentare bestimmter Provokateure unter meinen Kommentaren zu lesen, obwohl es so (fürchterlich) egal ist, was sie schreiben – es ist im Grunde seit zwei Jahren immer das gleiche in je nach Tageslinie angepaßtem Wortlaut. Zugegeben, bisweilen fällt es auch schwer, einen besonders dummen und dabei besonders dreisten Einwurf nicht zu löschen. Aber wir werden „Nachher“ irgendwie auch mit diesen Leuten (wieder) auskommen müssen, egal in welcher Funktion sie einem begegnen, wir werden zu anderen „Themen“ die gleichen „Meinungen“ zu hören bekommen, die sich durch ein Ausblenden nur bestätigt fühlen („Aha! Das ist also eure Toleranz!“) und weiter verhärten (und es besteht die Hoffnung, daß eine spätere Konfrontation mit dem Bullshit die eigene Fähigkeit der Kommentatoren überfordert, die „Entwicklung“ ihrer „Meinungen“ auszublenden und umzudeuten).

Und der Grund für die Empörung und den Zorn, die man angesichts mancher Äußerungen empfindet, ist ja letztlich ein Mechanismus, den wir lange und gut kennen: Der Einfältig(st)e ist notwendigerweise mit der größten Portion an Selbstgewißheit und Selbstüberschätzung begabt. Wer nur eine „Wahrheit“ kennt und nicht begreift, wie viel gegen sie spricht und daß es sie gar nicht geben kann, den beschleichen keine Zweifel.

Es ist (ganz anderes Thema oder auch nicht) auch eine schwierige Sache mit der Prävention. Selbstverständlich ist die beständige, hysterische Hetze deutscher Politiker und Medien gegen Rußland kriminell, speziell das an Unverschämtheit und Verlogenheit kaum noch zu übertreffende Gebaren der WEF-Außenministerin. Ein Verbrechen ist ohne Frage auch die laufende Vorbereitung eines Angriffskriegs von deutschem Boden aus und mit deutscher Beteiligung. Darüber hinaus ist zwangsläufig noch nicht bekannt, ob und welche Kriegsverbrechen deutsche Soldaten und Politiker in einem solchen Krieg begehen würden. Es gilt also die Unschuldsvermutung. Trotzdem muß man sie an dem hindern, was sie eventuell tun könnten. Wie geht das zusammen?

Und da ist es doch wieder das gleiche Thema. Es wird (immer wieder) nötig werden, Menschen an Verbrechen zu hindern, und dann wird man fein trennen müssen zwischen den Tätern und ihren blökenden Mitläufern. Dummheit ist ein Menschenrecht, solange man die Finger in den Taschen oder auf den Tasten behält, zumindest bis zu einem gewissen Maß: wo der Verführte zum Verführer wird, der Gehetzte zum Hetzer, da wird er vielleicht auch zum Täter.

Keiner dieser Gedanken erhebt Anspruch auf Gültigkeit, und überall dort, wo es weniger klar und deutlich ist als bei gewissen Kommentatoren und gewissen Politikern, ist die Sache sehr viel komplizierter. Also fast überall, im vorhinein.

Exemplarische Diskussionen zeigen, wo ungefähr die Grenze zwischen Irrtum und absichtlicher Täuschung verläuft. In der oft (unabsichtlich?) exemplarischen Sendung „Talk im Hangar 7“ sind diesmal zum Thema „Kriegsgetöse in Europa: Wer spielt falsch?“ zwei besonders deutliche Beispiele zu sehen: Das falsch(spielend)e „Weltbild“, das der transatlantische „Publizist“ Denison darlegt und in seiner unfaßbar dreisten Selbstüberschätzung unter dem Gelächter anderer Teilnehmer sogar noch selbst als das entlarvt, was es laut gängigen „Verschwörungsmythen“ ist, dieses „Weltbild“ ist (oder „spielt“) so falsch, daß ein Irrtum ausgeschlossen ist – der ideologische Fanatismus, den er darstellt, ist so deutlich antrainiert, daß man ihm keine Sekunde lang abnimmt, er „denke“ wirklich so. Wäre er von dem, was er äußert, überzeugt, wäre das sehr gruselig. Die „Politologin“ Christiane Lemke wiederum repräsentiert die andere Flanke dieser Strategie: Sie greift Argumente scheinbar auf, dreht sie dreimal herum, bis sie nicht mehr verständlich sind, und transportiert dann unterschwellig oder explizit paradoxe Lügen, die in der Widersinnigkeit ihrer Redekette als solche zumindest verschwimmen. Ein geradezu klassisches Beispiel für Harry G. Frankfurts Definition von „Bullshit“ und vielleicht viel gefährlicher als Denisons überdeutlich dummer, antiquierter und plumper Fanatismus, weil die falschen Gedanken bei ihr nicht unmittelbar greifbar werden.

Der Gedanke, daß der Staat Ukraine sich anzuschicken scheint, bis ins Detail die Rolle zu übernehmen, die Deutschland von 1933 an in Europa spielte, drängt sich unmerklich oder merklich auf. Da mag man aber lieber darüber sinnieren, daß die Spvgg Fürth sich anschickt, in der Fußballbundesliga nachzuspielen, was der TSV 1860 in der Saison 1977/78 dort aufführte.

Es ist indes trivial, aber man muß sich hin und wieder daran erinnern: Die Ukraine ist weder Mitglied der EU noch der NATO. Wenn die dortige Regierung beschließt, einen Vernichtungskrieg gegen „abtrünnige Provinzen“ im Osten zu führen und dabei auch gleich nach Rußland hineinzuschießen, geht das die EU und die NATO absolut nichts an. Schon gar nicht hat ein US-Präsident deswegen Deutschland die Zerstörung von Gasleitungen anzudrohen oder irgend jemanden an irgendwelche Verhandlungstische zu bestellen. Für solche Fälle gab es früher die Vereinten Nationen, die dann verurteilten, Resolutionen beschlossen oder „Friedenstruppen“ losschickten. Was ist aus diesem Verein eigentlich geworden, seit er sich per Vertrag dem „World Economic Forum“ unterworfen hat?

„Ein Jahr nach den brutalen Morden in Hanau sind wir heute wieder hier beisammen, um der furchtbaren Ereignisse zu gedenken – aber vor allem, um der Opfer zu gedenken. (…) All diese geliebten Menschen, sie waren einzigartig und einmalig.“ So spricht der sogenannte Bundespräsident. Wie verlogen der instrumentelle Kitsch ist, den er verbreitet, zeigt auch er nicht unmittelbar greifbar: „Natürlich können wir nicht übersehen, was die Toten, um die wir trauern, verbindet: Sie alle sind Opfer eines Täters geworden, der in mörderischer Verblendung in ihnen eine ganz bestimmte Gemeinsamkeit sehen wollte.“

Das ist sicher richtig, und Steinmeier merkt vielleicht gar nicht, daß er damit sich selbst als institutionelles Sprachrohr der Spaltung, der Ab- und Ausgrenzung meint. Was er dann aber sogleich in dialektischer Verdrehung um so deutlicher sagt: „Übersehen wir nicht die bösen Geister in unserer Mitte – den Haß, die Ausgrenzung, die Gleichgültigkeit. Aber bitte: Laßt uns glauben an den besseren Geist unseres Landes, an die Kraft zum Miteinander, an den Willen zum gemeinsamen Wir!“

„Wer Ausgrenzung ablehnt, findet Freunde, Nachbarn, Mitbürgerinnen und Mitbürger, die genauso denken und handeln.“ Das leuchtet geradezu exemplarisch deutlich: Reih dich ein, sei dabei; das gleiche Denken und Handeln gebiert die Einheit, das große „Wir“. Ausgegrenzt seien jene, die „Ausgrenzung“ nicht ablehnen. Wer nicht zu diesem körperlich erstehenden „Wir“ gehört oder gar gehören will, wer den „bösen Geist“ der Einzigartigkeit und Einmaligkeit jedes einzelnen über den „besseren Geist“ der Volksgemeinschaft stellt, der – da liegt die Perfidie solchen Plapperns – macht sich gemein mit Mördern.

Und so wird der „Antirassismus“ zum Rassismus. Wie gesagt: Vielleicht merkt er gar nicht, was er da sagt.

Ein typisches Exempel für diese Art von Rassismus ist eine Propagandakampagne von „CeMAS“, die ich nur am Rande erwähnen mag, weil alles, was mit Pia Lamberty zu tun hat, zu unappetitlich ist, um sich nichtjuristisch genauer damit zu befassen. Diese als „Studie“ getarnte Kampagne spricht wie folgt über die Gegner der „Corona“-Sanktionen:

„Die Protestierenden mögen aus unterschiedlichen Milieus stammen und von außen heterogen wirken, innerhalb der Protestierenden nimmt man sich jedoch als Einheit (‚ein Volk‘) wahr, dass [sic!] sich gegen die ‚Feinde‘ wehrt. Unsere Studie verdeutlich [sic!] auch noch einmal: Bei der Bereitschaft an Protesten teilzunehmen, spielen Impfstatus (eher ungeimpft), ein ausgeprägter Verschwörungsglaube und Wahlabsicht (eher AfD) eine Rolle. Auf fast allen größeren Protesten aus dem Milieu konnte CeMAS eine Normalisierung rechtsextremer Positionen beobachten.“

Die „Studie“ hat übrigens laut eigener Aussage keinen einzigen „Protest“ jemals „beobachtet“ (siehe „Methodik“), sondern lediglich ein paar Leuten telephonisch frappierend billige suggestive Fragen gestellt – oder nicht mal das, sondern die „Zustimmung zu Verschwörungserzählungen“ anhand von Beispielen wie diesen eruiert: „Es gibt viele Impftote, die von den Eliten systematisch vor der Gesellschaft verheimlicht werden“ und „Das Virus wird absichtlich als gefährlich dargestellt, um die Öffentlichkeit in die Irre zu führen“. Da sagen dann 43,7 beziehungsweise 53,8 Prozent der Menschen mit „hoher Protestbereitschaft“ ja, hingegen nur 15,0 beziehungsweise 19,7 Prozent der „Unentschiedenen“ und 4,9 beziehungsweise 4,4 Prozent der Fraktion „niedrige Protestbereitschaft“. Und schon weiß der brave Untertan, was er denken, wissen und erfahren darf und was nicht, um nicht einer „hohen Protestbereitschaft“ und damit einer AfD-„Wahlabsicht“ verdächtig zu werden.

Daß die Urheber der „Studie“ zwischen solchem Manipulationstheater und einer „Beobachtung“ nicht unterscheiden können, weil sie nur sehen, was sie glauben, und daher beobachten generell nicht können (und dürfen), mag erklären, daß sie „die Welt“ insgesamt so sehen, wie sie (und wir) „die Welt“ gerade sehen sollen. Mehr dazu braucht es nicht, es ist ja aus der Historie alles hinlänglich bekannt.

Die aktuellen Sturmvarianten heißen „Zeynep“ und „Antonia“. Impfstoffe gibt es offenbar (noch) nicht. Aber:

„Heute werden die ersten Dosen des Coronaimpfstoffs des US-Herstellers Novavax in Deutschland erwartet!“ (BR24) Wir sehen das jubelnde Volk am Hafenkai, als die Wölkchen aus dem Schlot des Impfdampfers am Horizont erscheinen: Hurra, er kommt! „Das Novavax-Vakzin ist anders als das von Biontech/Pfizer oder Moderna kein mRNA-Impfstoff, sondern hat eine Protein-Basis. Daher könnte er [sic!] eine Alternative für all jene sein, die Vorbehalte gegen mRNA-Impfstoffe haben.“ Ach. Na dann!

Derselbe Propagandasender läßt inzwischen verlauten, es gebe bei der EU und anderen Machtträgern Zweifel, ob sich ein Krieg in der Ukraine noch verhindern läßt. Daß man diesen Krieg ja einfach nicht führen könnte, womit er am wirksamsten „verhindert“ wäre, ist absolut undenkbar.

Dazu abschließend ein paar lehrreiche „Schlagzeilen“ aus den „News“ des „Focus“ von heute vormittag:

„Früherer Top-General der Bundeswehr erklärt: Das steckt hinter Putins Manöver“

„Im Kopf des russischen Kriegstreibers: 5 Gründe, warum Putin die Lage derart zuspitzt“

„Wird es Krieg geben? Ein Putin-Signal vor Münchner Sicherheitskonferenz ist bedenklich“

„Ukraine-Krise spitzt sich zu“

„Von wegen ‚abgesagter‘ Krieg: Was Ex-Top-Agent des BND über Putins Schachzug denkt“

„US-Präsident Biden erwartet Invasion in die Ukraine in den kommenden Tagen“

„Scholz läuft Gefahr, daß er in Putins Spiel zum Statisten wird“

„Scholz trifft Despot Putin und wird mit großer deutscher Lebenslüge konfrontiert“

„US-Geheimdienste melden: Putin hat sich längst zur Invasion entschieden“

Na, schon auf Krieg eingestimmt? „Glaube, kleines Bürgerlein, dann wirst du Teil des Großen sein!“

4 Antworten auf „(periphere Notate): Niedrigschwelliger Basiskrieg“

  1. Am 02. Februar 2022 lief im SWR Fernsehen unter dem Titel „Klaus Burger-spirituelle Übungen“ ein Dokumentarfilm. Dieser wurde in Perm und Baden-Baden von einem russischen Regisseur gedreht, hatte im Mai 2019 Premiere beim Diaghilev-Festival in Perm. Dieser Film wurde vom SWR an manchen Stellen um einige Passagen gekürzt. Hier:
    Die Stellen in Anführungszeichen wurden mit einigem dazu erforderlichen Aufwand rausgeschnitten, sie waren in der ursprünglichen Fassung drin. Die Zahl davor ist die Zeitschiene im Film

    30:45
….Viele Dörfer liegen wie gänzlich tot. Die Rolläden sind unten. Die Gärten bestehen aus Schotteraufschüttungen, grau, schwarz, hellgrau, in der Mitte ragt der Feng-Shui-Buchsbaum kunstvoll verzwirbelt empor. Pflegeleicht. Der Garten ist das Spiegelbild der Seele seines Besitzers…. Menschenleer sind die Strassen. Es ging mir, gewissermassen im Kopfe laut schreiend, die Erinnerung an das Experiment „universe 25“ herum. In diesem Experiment, wohl in der 60er Jahren, wurden vier Mäusepaare in eine Art von Mäuseparadies gesetzt, mit bester Hygiene, unbegrenztem Zugang zu Wasser und Futter und ohne Fressfeinde. Nach einem ersten exponentiellen Anstieg der Bewohnerzahl des Mäuseparadieses kam es zu einer starken Zunahme von Verhaltensstörungen.

    „Homosexualität, Sterilität und Kannibalismus griffen um sich.“

    Trotz der paradisischen Umstände waren nach erschreckend begrenzter Zeit nur noch vier alte unfruchtbare Weibchen übrig, dann waren alle tot, das Mäuseparadies ausgestorben, mausetot.  So hatte ich zwischendrin manchmal die Idee, daß einige uralte Frauen das Strassenbild aufrechterhalten, um zu verbergen, dass da gar keiner mehr lebt. Riesige Traktoren mit heulenden Turbinen brausen durchs tote Dorf. Alles ist sauber und ordentlich, in Reih und Glied.

    „Manchmal kommt dann doch ein dicker SUV angefahren, eine Garage öffnet sich fernbedient, Mutti rollt hinein, das Tor schließt sich.“

    Alle abgekapselt. Der Bäcker hat vor drei Jahren zugemacht, das Wirtshaus letztes Jahr, vielleicht schauen jetzt aus dem ehemaligen Hotel „Landluft“ traurige Migrantenaugen auf die giftverseuchten Maisfelder.

    49:00 Dr. Harold Wötzel…wahrscheinlich, weil er gemerkt hat, daß ich ihn sehr respektiere, schätze-und auch mag, weil er einfach – gerade, weil er so denkt, wie er denkt. Er läßt sich nicht verbiegen. Es ist ihm scheißegal, was die Leute da drüber denken. Es ist ihm scheißegal, wie die über ihn reden, wie er ankommt. Er macht sein Ding, und das habe ich immer schon gut gefunden bei Leuten, daß jemand seinen Weg geht. Und Klaus geht seinen Weg. Und warum ist er nach Russland? Wahrscheinlich deshalb. Weil er es hier nicht mehr aushält.

    „Hier ist alles so eng – stirnig. Der Meinungskorridor verengt sich immer mehr. Man kann kaum mehr sagen, was man wirklich denkt.. dann ist man sofort Nazi, oder irgend sonst was… was völlig bescheuertes.. es gibt wahscheinlich niemand, der so wenig Nazi ist wie Klaus oder wie ich, ähm, was heißt niemand..es gibt viele, die auch keine Nazis sind, aber, es ist einfach ganz komisch in Deutschland im Moment, was bei uns läuft.“

    Und das verstehe ich schon, daß es da flüchtet. Und er hat natürlich ganz andere Bedingungen dort, er ist ja sehr mit Natur und so. Das ist natürlich in Russland ganz was anderes als in diesem zugebauten überbevölkerten, industrialisierten Deutschland.

    52:20
    In den Wald in Deutschland mag ich nicht mehr gehen da die Waldwege nur noch Schotterpisten sind barfuß ist das eine Tortur.

    „Sämtliche Baggerseen sind seit kurzem hermetisch abgeriegelt, ein Menschheitsverbrechen übelster Art. Alles einfach weg. Der Endzeitlemming quiekt nicht mal mehr bei sowas.“

    Das Spiel der Wolken hat makabre Formen angenommen, wenn man diese teilweise ölig schillernde Pampe überhaupt noch als Wolken bezeichnen kann. Dauerhaft hat sich mein Entsetzen während meiner Jakobswegwanderung quer durch Süddeutschland eingebrannt: Lade jemand in ein Vogelparadies ein und bringeihn in ein Hühner-KZ.

    „Als ich jung war, habe ich aus Witz herumposaunt, daß ich in die katholische Kirche eintreten würde, sobald eine lesbische Negerin aus einem sozialistischen Land Päpstin wird. Jetzt vorstellbar.“

    Es gibt kaum noch Menschen, die nicht in einem permanenten Angriffs- oder Rechtfertigungsmodus leben. Toleranzzwang beherrscht, befraut und begendert das Land. Nichts ist mehr geheimnisvoll, bleibt ungeöffnet oder unseziert. Kein Wunder, daß es keine Kobolde, Elfen und Heinzelmännchen mehr gibt. Hier im Ural habe ich meinen eigenen Pumuckl im Haus. Das Land, die Natur hier, das strotzt vor Gestaltungsenergien, formgebenden Geistern. In jedem Eiszapfen, in jedem Baum, in jeder Schneekappe, die auf einem Baum liegt, sind Wirkkräfte von Wesenheiten sichtbar, die das so schön intensiv und lebendig gestalten. Ich gehe nachts durch Paläste und Hallen voll heiliger Erhabenheit. Hier gibt es die Wolken, die Erinnerung, Gefühle, Geschichten und Sagen wachwerden lassen. In dieser Stille hier bemerke ich, daß der Schnee nicht weiß ist, sondern je nach Wetterlage eingefärbt. Das ist hier im Winter kein weißes Land. Doch um so etwas zu sehen, auch die Erhabenheit dieser Stille zu erfassen, darf einem nicht in die Augen, in die Ohren und ins Gehirn geschissen werden. Es gibt hier im Ural keinen Grund, vor irgendetwas Angst zu haben. Der Große Klaus außerhalb des Zeit-/Raumkontinuums, der mich an Fäden durch dieses Leben lenkt, sagte mir: Freiheit ist die Abwesenheit von Angst. Ich bin hier richtig.

  2. Lieber Klaus Burger, ich habe mir die Sendung angesehen (Sie sprechen ja wie ein Bruder von Michael Sailer, dieser bedächtig-bayerische Tonfall, dem man stundenlang lauschen könnte): Mein Sohn war nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 auf der Suche nach einer Möglichkeit seine Pilotenausbildung ohne bürokratische Hürden austoben zu können und ist in Russland gelandet in einem damals noch vollständig unregulierten fliegerischen Zwischenreich. Flugzeuge standen en masse tatenlos herum, man musste nur jemanden überreden (meistens Militär, heimatlos), dann könnte man alles fliegen, was bei drei nicht auf den Bäumen war: Hubschrauber sowieso, aber auch Militärmaschinen und anderes Kriegsgerät: Menschlich und fliegerisch sei es die überwältigendste Erfahrung seines Lebens gewesen, schwärmt mein Sohn noch heute: (allerdings war da auch eine Landung mit dem Helikopter vor einem Mädchenwohnheim…., die angeblich alle trinkfest waren: wer würde das nicht toll finden, wenn dann da ein Frechdachs rausspaziert kommt und sich von Zimmer zu Zimmer trinkt).

    Gerne zitiere ich Ihren Youtube-Kanal: https://www.youtube.com/watch?v=riC8z44yDkk mit Gottfried Benns „Nur zwei Dinge“ und ihrer Komposition: Was man in Kommentaren nicht alles finden kann.

    Nur zwei Dinge

    Durch so viel Formen geschritten,
    durch Ich und Wir und Du,
    doch alles blieb erlitten
    durch die ewige Frage: wozu?

    Das ist eine Kinderfrage.
    Dir wurde erst spät bewußt,
    es gibt nur eines: ertrage
    – ob Sinn, ob Sucht, ob Sage –
    dein fernbestimmtes: Du mußt.

    Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
    was alles erblühte, verblich,
    es gibt nur zwei Dinge: die Leere
    und das gezeichnete Ich.

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