(periphere Notate): Unterm Kreuz, humorig

Ich lese und verfolge ein paar „alternative“ Medien und dort vor allem gewisse Autoren sowie diverse Blogs. Neulich habe ich mich zum Spaß an einer statistischen Zuordnung der Autoren (anhand ihrer Aussagen in Meinungsartikeln) zu politischen „Richtungen“ versucht und festgestellt, daß man drei bis fünf davon unter Umständen als „leicht bis eher rechts“ bezeichnen könnte – einer ist auf meistens sehr ansprechende Weise konservativ, ein zweiter bisweilen aufdringlich libertär, der dritte äußert sich immer mal wieder abfällig über „die Linken“ (womit er allerdings vor allem SPD und Grüne meint).

Das würfe ein Problem auf, wenn man der Logik der Diskreditierung der derzeitigen Demonstrationen, des Widerstands und der „Spaziergänge“ folgt: Ich dürfte nun auch von den etwa fünfzig politisch indifferenten und den achtzig bis zweihundert eindeutig linken (bis linksradikalen) Autoren nichts mehr lesen, weil diese ja offenbar „mit Rechten mitlaufen“ (auch wenn sie auf unterschiedlichen Portalen veröffentlichen). Das, muß ich gestehen, wäre ein nicht hinnehmbarer Verlust und ein Zugeständnis, zu dem ich nicht bereit bin.

Es beträfe ja auch mich selbst und meine Texte, was nicht so arg schlimm wäre. Aber wo ist die Alternative? Das, was an Texten bliebe, indem sich die Autoren von allem „abgrenzen“, was in irgendeiner Hinsicht Kritik, Zweifel, Skepsis äußert, ist so lau, mies, durchschaubar, klischeehaft, billig, elitär, arrogant, borniert, witzlos, geistlos und strukturell durchaus „rechts“ (in jedem Sinne außer einem Bezug zur AfD und ähnlichen Organisationen), daß mir binnen Stunden das Hirn schrumpft und der Überdruß so gewaltig wird, daß er in Verzweiflung mündet.

Wer kann sich noch erinnern an die Diskussion vor eineinhalb Jahren, in der „betont“ wurde, Grundrechte dürften nicht zu Privilegien oder Gnaden degradiert werden? Es wird schwerfallen, den jetzt heranwachsenden Kindern irgendwann zu erklären, daß die Privilegien, die manche Menschen genießen, früher einmal Grundrechte waren und für jeden galten. Man müßte erst einmal die Frage beantworten, warum es so etwas überhaupt gab.

Es wäre eine wissenschaftliche Studie wert, festzustellen, wie viel von den Botschaften der „Corona“-Befürworter und ihrer Akzeptanz bei den Mitläufern auf einer Konditionierung durch Horoskope, Glückskekse und Yogi-Teebeutel beruht.

Immer stärker wird der Eindruck: Die Menschen, die dem „Corona“-Narrativ noch folgen, tun dies inzwischen im Wissen, daß sie beschissen worden sind. Immer häufiger werden Kommentare in der Tonart: Man habe als Angehöriger der „verantwortungslosen, unsolidarischen“ Minderheit von „Egoisten“ doch nun „gewonnen“, dank dem Gebrüll mitlaufender Nazis, und solle nicht mehr darauf herumreiten, sondern selber schauen, wie man „damit“ zurechtkomme.

Seien wir ehrlich: Niemand wird gerne beschissen, und fast jeder wird von sich behaupten: Ich laß mich nicht so leicht bescheißen. Wenn man dann einsieht, daß man in einem historisch ziemlich einmaligen Maß und in einer historisch ziemlich einmaligen Weise beschissen worden ist, wird man das erst mal nicht einsehen und dann zumindest nicht öffentlich verbreiten: Ja, ich bin beschissen worden! Man braucht einen einigermaßen ehrenhaften Ausweg, und sei’s nur die Feststellung, daß man immerhin nicht direkt Täter war. Was für viele ja auch stimmt.

Was man nicht braucht, ist tröstende Nachsicht: „Ja, ich weiß, du bist halt drauf reingefallen, weil du blöd warst. Nicht so schlimm, ist doch anderen auch passiert.“

Andersrum geht’s aber auch nicht, weil man nun mal reingefallen ist und sich das nicht wegdiskutieren läßt. Irgendwann müssen die Denkfehler, die Folgefehler, die Logik von Hysterisierung, Panik, Blindheit und Sackgassendenken aufgearbeitet werden. Nicht nur um zu vermeiden, daß bald wieder das gleiche passiert, sondern auch um in die Welt zurückzufinden, ohne sich bis ans Ende der Tage zu schämen, weil die Gnade der tröstenden Nachsichtigen sonst eine Wut aufkocht, die den nächsten Rückfall in die Irrationalität unausweichlich macht.

Eine Facebook-Bekannte steht exemplarisch für die grimmige Verbiesterung und Larmoyanz, die den Beschissenen mittlerweile eigen wird: „Wir haben bereits mehrfach ausführlich alles Mögliche diskutiert, aber es driftet irgendwie immer in eine Anti-/Opferrolle ab. Und ich glaube, da braucht man nun auch nicht mehr lang diskutieren, denn über kurz oder lang wird es sich erledigt haben, denn bald wird’s jeder gehabt haben und je nachdem leichte Symptome gehabt haben oder eben nicht. Die Politik streicht doch offenbar eh schon die Segel vor impfverweigernden Menschen und bezüglich Prävention: ‚Soll halt jeder selbst Verantwortung übernehmen für sein Risiko oder sich daheim/im Altenheim einmauern‘ scheint längst die unausgesprochene Devise zu sein – als wären wir jetzt alle in der FDP. Leiden tun darunter nur leider Pflege- und Servicekräfte und alle in medizinischen Berufen. Also die, auf die wir alle angewiesen sind und die eh schon immer die A-Karte haben in unserem ‚System‘.“

Dazu sendet der Radio historiographische Aufklärungssendungen über die Pockenimpfpflicht im Kaiserreich. Welch ein Segen, welch ein irrationaler Widerstand!

Ich habe versucht, der Bekannten zu antworten, vielleicht zu optimistisch: „Die Attitüde ist nicht akzeptabel. ‚Na gut, dann retten wir die Welt halt nicht, grummel. Dann haben eben die unverantwortlichen, unsolidarischen Verweigerer gewonnen, weil sie mit ihren Nazitruppen so laut gebrüllt haben. Wir hatten recht, konnten uns aber leider nicht durchsetzen, also lassen wir’s. Reden wir nicht über Verantwortung und Solidarität und wie es passieren konnte, daß wir diese Begriffe derart pervertieren. Reden wir nicht darüber, wie und wieso wir auf diese Kampagne reingefallen sind und sie fanatisch durchpeitschen wollten. Reden wir nicht über die Leute, die unsere Verblendung und unsere Dummheit Leben, Gesundheit, Jobs, Familien und Freunde gekostet hat. Kehren wir das alles unter den Teppich, zahlen den Schadensersatz aus dem Lastenausgleich, hauen die Kasperlregierung zum Teufel, installieren Blackrock im Kanzleramt und versuchen’s in zwei Jahren wieder, diesmal aber ernsthaft.‘ No, Ladies & Gentlemen. Das darf nicht passieren. Es ist mir relativ egal, wer von den Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen wird und in den Knast geht; es ist mir auch nicht wichtig, die Mitläufer irgendwie zu ‚bestrafen‘. Aber die Strukturen, die diese Katastrophe verursacht und möglich gemacht haben, müssen beseitigt werden. Wenn wir diesen Anlaß und diese Situation nicht nutzen, um endlich eine Demokratisierung unserer Gesellschaften wenigstens einzuleiten, werden wir nie wieder eine Gelegenheit dazu kriegen und als Trottel des Jahrhunderts in den Geschichtsbüchern stehen. Und zwar bis in jedes Detail – der komplett zerrüttete Lobby-Parlamentarismus, die über Jahre und Jahrzehnte entstellte und pervertierte Verfassung, das korrupte Justizsystem von den weisungsgebundenen Staatsanwälten bis zu den gekauften Verfassungsrichtern, die militarisierte Polizei, das die Gesellschaft im Inneren infiltrierende Militär, die mafiöse Verwaltung, die indiskutablen, vollkommen diskreditierten Konzern- und Staatsmedien, das turbokapitalistische ‚Bildungs‘-System, aus dem nur vollverblödetes Futter für die Maschinerie herausquillt, die durch und durch korporatistischen Apparatparteien, die technokratischen Think Tanks, die am Tropf des Kapitals hängende Pseudowissenschaft, das neofeudalistische Umverteilungssystem, das ganze faschistoide Geflecht aus Stiftungen, NGOs und internationalen Konzernen – all das muß komplett auf den Kopf gestellt und zerlegt werden, bis in die kleinsten Kleinigkeiten, und dann müssen wir es endlich demokratisch, transparent, gerecht und inklusiv neu gestalten. Nichts von dem, was uns in einem guten Jahrhundert schon zum dritten Mal an diesen Abgrund geführt hat, darf übrig bleiben, sonst haben wir die gleiche Scheiße in zwei oder drei Jahren wieder am Hals, und nächstesmal haben wir diese Chance vielleicht nicht mehr. Ich weiß, ich träume. Aber die Alternative ist zu übel, um nicht zu träumen. Und die Erfahrung kann uns vielleicht helfen: Mit ein bißchen ‚Mehr Demokratie wagen‘-Theater kriegt man uns diesmal nicht mehr.“

Sie will – erwartungsgemäß – davon nichts hören. Das sei „verbitterter Verschwörungs-Ken-FM“ und nicht der „früher mal humorige Sailer“. Und damit beendet sie „die Kommunikation komplett“. Soll man hoffen, weil dies immerhin sozusagen die Kehrseite der vom Radio ausgegebenen Maxime ist: „Nicht versuchen, die Verschwörungsgläubigen mit Zahlen und Statistiken zu überzeugen!“? Oder wäre das „humorig“? (Ich meine mich zu erinnern, daß ich das Wort schauderhaft finde, seit ich es zum ersten Mal gehört oder gelesen habe, weiß aber nicht mehr, wann das war. Eventuell auf der Hülle einer Partywitzplatte.)

Lustig ist – wo wir bei Gläubigen sind – diese aktuelle Aussage der wegen ihrer Nähe zu Herrn Drosten vor einigen Monaten noch als Heilige gefeierten angeblichen „Virologin“ Sandra Ciesek: „Das Masketragen ist da eine einfache und wirksame Maßnahme. Die Maske verringert eine eingeatmete Virendosis, so daß bei einer Erkrankung die Krankheit weniger schlimm ausfällt.“

Vielleicht sollte man der „Virologin“ mal mitteilen, daß die krankmachende Wirkung von Erkältungsviren darauf beruht, daß sie sich auf Schleimhäuten sozusagen von selbst vermehren. Im Gegensatz etwa zu Tabletten, von denen man eventuell weniger krank wird, wenn man weniger nimmt. Aber ehrlich gesagt: Will man diesen Leuten jetzt, wo ihr gesamtes Narrativkonstrukt zusammenfällt, noch irgendwas erklären?

(Nachtrag) 27. Januar 2022: Deutschland hat mal wieder eine Schallmauer der Geldvernichtung durchbrochen – bis heute wurden 4.000.000.000 „Tests“ an größtenteils gesunden Menschen durchgeführt. Das hat ungefähr 2,3 Milliarden Euro gekostet, die genau genommen nicht vernichtet wurden und auch nicht verschwendet waren. Es sei denn, man betrachtet die Füllung der Konten von Drosten, Landt und Konsorten als Verschwendung und die Abschöpfung ungeheurer Mengen Geld durch ein paar Betrüger als Vernichtung.

„Der Eindruck moralischer Unterlegenheit weckt bei Menschen überall Abwehrreflexe. Auch im Westen haben Studien gezeigt, daß jene, die als Einzige in einer Gruppe moralisch richtig handeln, sich nicht Bewunderung einhandeln, sondern Haß. Sie führen den anderen die eigenen Makel vor und erinnern daran, daß anderes Handeln eben doch möglich ist.“ (Kai Strittmatter)

Seit Tagen tobt ein Medienrummel um katholische Geistliche, die sich als „kwier“ „auten“. Offenbar sollen damit die ansonsten nicht zu unterdrückenden Berichte über sexuelle Mißhandlungen in dieser Sekte irgendwie übertüncht werden – „Hey, die haben tausende Kinder und Jugendliche gefoltert, vergewaltigt, traumatisiert und unheilbar verletzt!“ – „Ja, aber immerhin erkennen sie jetzt auch Kwiere an!“

Ich habe viele homosexuelle und transsexuelle Freunde, die nie auf die Idee kämen, katholisch zu werden. Irgendwie erscheint mir das vernünftig und das Gerummel um das kwiere Auten ziemlich peinlich. Was in keiner Weise despektierlich gemeint ist. Diskriminierung und Ausgrenzung sind böse, egal ob sie homosexuelle Pfarrer oder mRNA-Verweigerer treffen.

Ich war aber selbst einmal ein (zwangsweise) katholischer Jugendlicher und als solcher in der katholischen Jugend (leidlich) organisiert. Weil wir im Sommer Fußball und im Winter Tischtennis spielen wollten und einen Proberaum für unsere Punkband brauchten und die entsprechenden Immobilien zufällig nicht im Besitz des Volkes oder der Stadt, sondern der katholischen Kirche waren. Es gab, soweit ich mich erinnere, in dieser Gemeinde niemanden, der kwier gewesen wäre. Es gab einen Pfarrer, der sehr nett war, sich eines Tages verliebte, seinen Job aufgab und städtischer Angestellter wurde. Sein Nachfolger trank gerne und viel Rotwein, wurde dann „Ho ho!“-laut und aufdringlich und hatte ein Verhältnis mit seiner Haushälterin, die ein paar Straßen weiter wohnte und die er nachts in Pantoffeln aufsuchte. Wenn ich ihm dabei auf meinen einsamen Rundgängen begegnete, grinste er betrunken und erinnerte mich daran, daß ich auf einer Silvesterfeier die 13jährige Tochter der Haushälterin „verführt“ hatte. Was nur teilweise stimmte.

Alles sehr nett. Der für unser Seelenheil und unsere Linientreue zuständige Pastoralassistent war ein geplagter Mann, der unter Dingen litt, die wir nicht ahnten. Er war stets auf unserer Seite, erfuhr aber wenig. Besonders litt er, als der Pfarrer eines Frühlingstages zu früh zu viel Rotwein erwischt hatte und lauthals „Mama Leon“ grölend durchs Haus schlappte. Man schloß die Fenster, obwohl es drinnen drückend warm und draußen die Luft bläulich frisch war.

Für das Fensterschließen waren wohl die beiden Damen im Pfarrbüro zuständig, die ich nicht anders als gebückt und flüsternd in Erinnerung habe, deren Namen ich nie erfuhr und die vielleicht die einzigen Menschen waren, vor denen ich mich meines „Punk-Outfits“ wegen ein bißchen schämte.

Im Pfarrgemeinderat saß (oder gehörte ihm zumindest an) ein Mann namens Baumann (man darf ihn nennen, er ist sicher verstorben). Wenn es etwas zu feiern gab, drängten wir Jugendlichen uns im Pfarrsaal um die Abgabestellen für Bier, die wir meistens selbst verwalteten, und ließen uns hier und da auf Bananen- und andere Schnäpse einladen (Bols). Herr Baumann (Bierbauch, Strickjacke, braune Cordhose) saß dann gerne unvermittelt neben einem (in der Garderobe oder einem Hinterzimmer, in das man sich zwecks „Ausruhen“ begeben hatte), legte die Hand auf einen jugendlich-männlichen Schenkel und säuselte Zeug. Ob er da mal hinlangen solle, ob da schon mal einer hingelangt habe. Niemand nahm ihn ernst, man patschte seine Hand weg, machte sich über ihn lustig. Ob er kwier war oder heute wäre, wer weiß.

Die Scheinheiligkeit der Kirche müsse endlich aufhören, verkündet heute der Radio. Das ist sicher nicht zu bestreiten. Die Menschen, die „kwier“ heißen, lassen sich von derselben Radiosprecherin als „Lebensformen“ bezeichnen, ohne aufzubegehren.

Ein Rätsel waren uns damals 13- bis 16jährigen die „offiziellen“ christlichen Paare, die es ja kaum gab. Etwa der Hausmeister, der über unserem Proberaum wohnte und regelmäßig Beschwerde führte: Bei unserem Gelärme fielen in seinem Bad die Kacheln von der Wand. Oft sah man ihn bei Sonnenuntergang mit seiner Frau spazierengehen, wobei sie im Gleichschritt gingen und er ihre Hand klammerte. Sie äußerte sich nie. Ohne irgendwas zu wissen, wußten wir: Der schlägt die, regelmäßig.

Das Schlußwort kommt aus dem Radio und ist kein Versehen, weil ich den Satz bereits zum vierten Mal höre: Bei einem Unfall seien „einige Kinder eines Schulbusses“ verletzt worden. Radiosprecher und -redakteure, die die eigenen Nachrichten weder lesen noch hören, sind mir unheimlich.

Eine Antwort auf „(periphere Notate): Unterm Kreuz, humorig“

  1. Man kann gewiss den ganzen Tag / ein ganzes Jahr und noch viel um die deutsche Litfaßsäule herumkreisen und beklagen, man sei eingesperrt.

    Dazu noch ein ordentlicher Tunnelblick, und die Sache ist erklärt.

    Weiter gespannt, ob Sie mal was über die weitere Welt beisteuern wolln. Sind die auch alle von den wiederkehrenden Geistern der Nazi Vergangenheit geplagt ? In China, in Taiwan, und allwo man auf „strenge Maßnahmen“ gegen eine lediglich als Einbildung vorhandene gesundheitliche Bedrohung reagiert ?

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